Habeck hat seine Wirtschaftsstrategie zur Erhaltung der deutschen Industrie vorgestellt. Im Fokus stehen die Loslösung von China, Unabhängigkeit in einer „unsicheren Welt“ sowie Subventionen und Steuergeschenke für Unternehmen. Doch welche Gründe stehen dahinter, und was heißen die Änderungen für unsere Klasse? – Ein Kommentar von Janosch Weiß.
Am Dienstag, den 24. Oktober hat der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ein Strategiepapier vorgestellt. Inhalt ist der angestrebte Erhalt von Deutschland als Wirtschaftsstandort sowie die strategische Positionierung der Bundesrepublik in einer neuen Weltordnung. Dies könne nur durch die Unabhängigkeit von ausländischem Gas einerseits und Unabhängigkeit vom chinesischen Exportmarkt andererseits erreicht werden. Dabei betont Habeck mehrfach die zunehmenden, geopolitischen Spannungen weltweit sowie die Unsicherheit der bestehenden Welt.
Unsichere Welt?
Wenn Habeck von einer unsicheren Welt und dem „Ende der Globalisierung“ spricht, unterschlägt er einen der wesentlichen Gründe, der in der stetigen Zuspitzung der Klassenwidersprüche im kapitalistischen Wirtschaftssystem zu suchen ist. Der Überfall Russlands auf die Ukraine war keine Entscheidung einer verrückten Einzelperson, sondern aus kapitalistischer Sicht eine notwendige zur Sicherung des russischen Zugangs zum Schwarzen Meer und zu den Getreideanbaugebieten.
Es ist wahrscheinlich, dass in nicht allzu ferner Zukunft diese Konflikte nicht nur regional, sondern auch global ausgefochten werden. Dabei ist es im Interesse des deutschen Staats, dass dieser nicht nur „Spielball“ der geopolitischen Player ist und auf einen starken Bündnispartner vertraut, sondern selbst Player wird. Neben einem kriegsfähigen Heer ist eine halbwegs autarke Wirtschaft notwendig, die im Kriegsfall nicht zusammenbricht und diesen materiell unterstützen kann. Die Weichen dafür müssen jetzt gestellt werden.
Erhalt der chemischen Industrie und Grundstoffproduktion
Während in der Vergangenheit sogar darüber diskutiert wurde, inwiefern der Erhalt der chemischen Industrie im energieschwachen Land Deutschland überhaupt rentabel sei, hat Habeck dem eine klare Absage erteilt. Notwendigerweise muss der Ausbau erneuerbarer Energien dafür nun beschleunigt werden. Weitere Förderungsmöglichkeiten sieht Habeck in Steuererleichterungen, Anreizen für Facharbeiter:innen sowie in Angriffen auf das Rentenalter.
Steuererleichterungen für Unternehmen führen dazu, dass Verluste durch die Verschlechterung von Handelsbeziehungen und teurere Rohstoffe weiter gesellschaftlich getragen werden. Während Gewinne weiterhin privatisiert sind, können so Unternehmen in Übergangsphasen weiter profitabel geführt werden, auf Kosten aller Steuerzahler:innen.
Für die Finanzierung all dieser Anreize stellt Habeck sogar die heilige Schuldenbremse der FDP infrage: Die Zeitenwende erfordere ein Umdenken und eine Anpassung der „finanziellen Spielregeln“. Der deutsche Staat öffnet das Portemonnaie wieder gerne für Unternehmen, während Bildung oder ÖPNV weiter unterfinanziert sind. Noch dieses Jahr war dieselbe Schuldenbremse die Begründung für weitreichende Kürzungen im Haushalt auf dem Rücken der Arbeiter:innen.
Vergünstigungen für arbeitenden Rentner:innen
Habeck kündigte außerdem Vergünstigen finanzieller und steuerlicher Art für diejenigen Rentner:innen an, die nach Eintritt in das Rentenalter noch weiter arbeiten „wollen“. Dabei wird wohl ein Teil durch die stetig zunehmende Altersarmut keine andere Wahl haben als zu „wollen“. Bei einer solchen Ankündigung kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass dem keine weiteren Angriffe auf uns folgen werden. Sollten zu wenige Rentner:innen dieses „Angebot“ annehmen, könnte auch eine Anpassung des Rentenalters dafür sorgen, dass dem deutschen Kapital ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.
Finanzierung und Stimmung in der Ampel unklar
Bei Veröffentlichung des Strategiepapiers war dieses noch nicht in der Ampel-Koalition besprochen worden. Insbesondere bei der Aushebelung oder Abschaffung der Schuldenbremse ist ein Streit mit der FDP nicht zu vermeiden. Anders aber wären die erheblichen Maßnahmen wohl kaum zu finanzieren. Dabei drängt wegen oben Gesagtem gerade jetzt die Zeit: Die Zuspitzung der kapitalistischen Widersprüche pausiert nicht.
Fazit: Die Änderungen in der Wirtschaft werden nicht zu unseren Gunsten, sondern auf unserem Rücken umgesetzt werden. Dies bedeutet verschärfte Angriffe auf unsere Rechte. Für unseren Kampf ist deshalb die unaufhörliche Entlarvung der bürgerlichen Propaganda über jedwede ihrer Strategien notwendig.