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Sonntag, April 28, 2024
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    „Wilder Streik“ der Hafenarbeiter:innen in Hamburg endet nach Repressionen – Kritik an Hafenbetreiber, Rot-Grün und ver.di

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    Der rot-grüne Senat in Hamburg plant, knapp die Hälfte des Hafenbetreibers “HHLA” an die Schweizer Reederei “MSC” zu verkaufen. Über hundert Beschäftigte traten dagegen von Montag- bis Dienstagabend aus Protest in einen „wilden Streik“ – bis die “Hamburger Hafen und Logistik AG” (HHLA) mit Abmahnung gegen die Streikenden vorging. Die Gewerkschaft ver.di soll dabei eine „undurchsichtige“ Rolle gespielt haben.

    Am Montagabend legten rund 150 Hafenarbeiter:innen in Hamburg die Arbeit nieder. Als Beschäftigte der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) protestierten sie damit gegen den geplanten Teilverkauf des Unternehmens an die Schweizer Reederei MSC. Sie sprengten damit die engen Ketten des deutschen Streikrechts, das Arbeitsniederlegungen nur für Lohnforderungen oder bessere Arbeitsbedingungen, nicht aber für politische Ziele wie den Kampf gegen Privatisierungen erlaubt.

    Der „wilde Streik” der Hamburger Hafenarbeiter:innen traf auf etliche nationale und internationale Solidaritätsbekundungen. Neben der internationalen Hafenarbeiterkoordinierung und einem Zusammenschluss Lübecker Hafenarbeiter:innen, die 2008 erfolgreich gegen eine Teilprivatisierung gekämpft hatten, sandten auch Arbeiter:innen aus anderen Branchen kämpferische Grüße – so z.B. die aktiven Gewerkschafter:innen bei TESLA Grünheide, von VW Braunschweig und Hannover, Mercedes-Benz Sindelfingen und Kolleg:innen von Thyssenkrupp Steel aus Duisburg.

    Eine Forderung der Beschäftigten waren sofortige Gespräche vor Ort mit Vertreter:innen des Hamburger Senats über den Deal. Diese wurden jedoch von Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD) abgelehnt, um dem wilden Streik keinerlei Legitimität zu ermöglichen.

    Hafenbetreiber: Repressionen und Geschäfte

    Nachdem die HHLA-Führung dann arbeitsrechtlich gegen die Streikenden vorging, wurde nach vier durchgängig streikenden Schichten der Betrieb wieder hochgefahren. Während eine Forderung der Streikenden der Verzicht auf Repressalien seitens der HHLA war, kam es laut Informationen der Hamburger Morgenpost bereits zu mindestens 50 Abmahnungen.

    Der umstrittene Deal sieht vor, dass die Stadt Hamburg mit 50,1% knapp der größte Anteilseigner bleibt, während die MSC 49,9% der Anteile übernimmt. Noch befinden sich 69% der HHLA-Aktien in städtischer Hand, während 21% von institutionellen, und 10 % von privaten Investor:innen gehalten werden. Diese haben noch bis zum 20. November Zeit, um auf das Angebot zu reagieren und ihre Aktien an die MSC zu verkaufen.

    Noch vollzieht sich dieser Prozess eher schleppend: Bisher hat MSC, die im Privatbesitz der italienischen Familie Aponte ist und während der Corona-Pandemie “Maersk” als weltgrößte Reederei abgelöst hat, nur ca. 6,6% der HHLA-Aktien übernommen.

    Auch die Hamburgische Bürgerschaft muss den Deal noch abnicken. Während sich der rot-grüne Senat eine Abstimmung bereits Anfang nächsten Jahres erhofft, zeigen sich die Oppositionsparteien und Teile der Wirtschaft kritisch. Die Jobsicherheit der Arbeiter:innen steht hier jedoch meist nicht im Vordergrund. So sieht Klaus-Michael Kühne, der Hamburger Milliardär und Großaktionär der Reederei “Hapag Lloyd”, der den Hafenbetrieb selbst übernehmen wollte, den Deal eher als einen „Affront vor allem gegen Hapag-Lloyd als größten Nutzer und damit größten Reederei-Kunden des Hamburger Hafens“.

    Streikende Hafenarbeiter:innen kritisieren die Gewerkschaft ver.di

    Auch wenn der wilde Streik vorerst beendet wurde, gehen die Kämpfe gegen die Privatisierung weiter. Die Gewerkschaft ver.di ruft für den kommenden Samstag ab 11 Uhr zu einer Kundgebung am Hamburger Rathaus auf. Auch wenn ver.di in dieser Hinsicht die gleiche Position wie die in den Streik getretenen Arbeiter:innen bezieht, veröffentlichten die Beschäftigten am Donnerstag eine Erklärung, in der sie offen die Rolle der Gewerkschaft in den Verhandlungen kritisierten. Laut Informationen des NDR vermittelt ver.di in der kommenden Woche ein Gespräch mit dem Senat.

    Zudem wurde das Verhalten des HHLA-Vorstandsmitgliedes Torben Seebold, der vor seinem Eintritt in den Vorstand bei ver.di aktiv war, als „undurchsichtig und wenig kooperativ” angeprangert. Die unterzeichnenden Arbeiter:innen werfen allen an dem Prozess Beteiligten „undurchsichtige Verhandlungen und Entscheidungen” vor, die hinter ihren Rücken getroffen worden seien.

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