Mittlerweile zwei Jahre dauert der Krieg um die Ukraine schon an. Was hat sich bisher getan und was bedeutet das für die Kriegsführung der Zukunft? – Eine Einordnung von Julius Strupp.
Am 24. Februar 2022 war die russische Armee in die Ukraine eingefallen. Es dauerte nur wenige Tage, bis die Versorgungsketten unterbrochen wurden und die Ukraine größere militärische Erfolge erzielen konnte. Die russische Armee musste sich zurückziehen und versuchte, sich vom Osten des Landes aus in einer Zangenbewegung voran zu bewegen. Seither hat sich der Frontverlauf, der sich ungefähr vergleichbar mit einer Strecke von Berlin bis Florenz erstreckt, kaum verändert.
Auch im zweiten Jahr ein Abnutzungskrieg
Der Krieg um die Ukraine hat sich längst zu einem Abnutzungskrieg zwischen Russland und der von den USA geführten NATO entwickelt. Das hat sich auch im zweiten Kriegsjahr nicht geändert.
So hatte Russland zunächst mit einer Winteroffensive versucht, die ukrainischen Truppen zu binden und ein erneutes Vorstoßen des Gegners zu verhindern. Dieser Versuch schlug jedoch fehl: Der Ukraine gelang es, die zwölf nötigen Brigaden für die Frühjahrsoffensive aufzustellen, die sie im Juni beginnen konnte.
Aber auch diese misslang. Eigentlich war es Ziel gewesen, die von Russland eroberten Gebiete am Asowschen Meer im Südwesten der Ukraine zu teilen und so Verhandlungen zu erzwingen.
Das „gläserne Gefechtsfeld“
Dennoch greift es zu kurz, wenn man den Krieg einfach nur als Stellungskrieg im Sinne des Ersten Weltkriegs verstünde. Denn zum einen hat es durchaus Entwicklungen während des Kriegs gegeben: Allein die Tatsache, dass die russische Invasion nicht nach drei Tagen erfolgreich war, ist Ergebnis davon, dass die Ukraine aus dem Beginn des Kriegs 2014 gelernt und Aufklärungsdrohnen genutzt hat, um die eigenen Truppen zu aktivieren. Ähnliche Entwicklungen gab es im „elektromagnetischen Spektrum“.
Das „elektromagnetische Spektrum” ist Bestandteil der verschiedenen „Kriegsdomänen“. Der Krieg um die Ukraine wird dabei auf allen Domänen ausgetragen, wie es etwa der österreichische Oberst Markus Reisner bei einer Vorlesung an der Universität der Bundeswehr in München im November ausgeführt hat: zu ihnen zählen Luft, See, Boden, Weltraum, sowie die Ebenen der Information und des Cyber-Raums wie auch das elektromagnetische Spektrum.
So werde der Krieg um die Ukraine auch im Weltraum geführt, weil das „Stralink-Satelliten-System” des Milliardärs Elon Musk von so zentraler Bedeutung für die ukrainische Kriegsführung ist. Im Cyber-Raum sei man hingegen bisher vorsichtig. Hier könne es „sehr schnell“ zu einer „großen Eskalation“ kommen, so Reisner.
Zentralere Bedeutung hat hingegen das „elektromagnetische Spektrum“, also in erster Linie die Kriegsführung mit Drohnen. Der inzwischen gefeuerte ukrainische Generalstabschef sprach von einem „gläsernen Gefechtsfeld“, das durch diese Art der Kriegsführung eröffnet werde. Jeder weiß zu jedem Zeitpunkt, was der andere gerade tut.
Damit ist der Einsatz von Drohnen und ihre Bekämpfung zum Dreh- und Angelpunkt dieses Kriegs geworden. So würden die ukrainischen Drohnen laut Oberst Reisner im Durchschnitt nicht mehr als einen Einsatz überstehen.
Gleichzeitig sind Fortschritte in der Drohnen-Technologie auch genau die Ausgangspunkte für Vorstöße in der Kriegsführung, wie die oben erwähnte Reaktion auf den russischen Einmarsch im Februar 2022 zeigt. Dies wurde ebenso durch russische Angriffe auf ukrainische Stellungen weit hinter der ukrainischen Frontlinie oder Drohnen-Operationen im russischen Staatsgebiet bewiesen.
Ukraine auf der Suche nach Schießpulver
Genau darauf spielt auch Saluschnyj in einem Artikel im Economist an. Darin sieht er die einzige Perspektive eines Siegs der NATO darin, der Ukraine einen technologischen Vorsprung zu verschaffen. Er vergleicht das mit dem Schießpulver, das dem alten China einen Vorteil gegenüber anderen Mächten verschafft hätte.
Die Ukraine braucht diese Entwicklung, weil sie kein eigenständiger Akteur, sondern Stellvertreter-Armee der NATO ist, deren Rekrutierungsfeld aufgrund der millionenfachen Flucht der eigenen Bevölkerung immer weiter schrumpft. Zudem hat sie anders als Russland keine funktionierende Luftwaffe. Hier sieht auch Reisner Russland strategisch im Vorteil, wenn die westlichen Mächte ihre Bemühungen im Kampf um die Herrschaft über die Ukraine gegen die Konkurrenz aus Moskau nicht verstärken würden.
Was bedeutet das für die Kriegsführung im 21. Jahrhundert?
Der Ukraine-Krieg bietet einen Vorgeschmack auf größere zwischenstaatliche Kriege, die durch die Aufrüstungsoffensiven mehr oder weniger aller mächtigen und verfeindeten Länder heraufbeschworen werden.
Dabei lässt sich leicht erkennen, dass die Kriegsführung vielschichtiger geworden ist und inzwischen nicht nur Drohnen, sondern auch das Internet oder den Weltraum umfasst.
Es gibt aber auch Dinge, die sich eben nicht geändert haben. Auch im 21. Jahrhundert führen Kriege eben nicht zur Auslöschung der ganzen Menschheit, sondern sind Auseinandersetzungen zwischen Räubern, die sich nicht die eigene Beute zerstören wollen. Und diese Räuber aus Washington, Moskau, Berlin, Peking oder Paris wälzen ihre Kämpfe noch immer auf die Gleichen ab. So würden auch in der Ukraine nicht mehr die Spezialkräfte kämpfen, da diese vernichtet seien, so Reisner. Stattdessen sind es die einfachen Menschen, und es kämpfe wie im ersten Weltkrieg „der Familienvater gegen den Familienvater“.
Bleibt zu hoffen, dass die Völker die Kriege der Herrschenden auch jetzt durch massenhafte Erhebungen und Revolutionen stoppen können – und dieses Mal so weit gehen, dass es keine Kriege um Einflussgebiete und Rohstoffe mehr gibt.