Vor wenigen Wochen wurde das RAF-Mitglied Daniela Klette in Berlin festgenommen. Einen Beitrag dazu leistete auch ein Teil der deutschen Linken, der sich gegen jeglichen revolutionären Versuch, den Kapitalismus zu zerschlagen, stellt. Doch die Solidarität mit allen Menschen, die den Kampf gegen das System praktisch werden lassen, ist unverzichtbar. – Ein Kommentar von Johann Khaldun.
Am Abend des 26. Februar 2024 wurde das ehemalige Mitglied der dritten Generation der Roten Armee Fraktion (RAF), Daniela Klette, in Berlin festgenommen. Es wird nach wie vor nach ihren zwei Genossen Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg gefahndet.
Die RAF löste sich 1998 selbst auf. Da sie sich nicht vom deutschen Staat vernichten ließ, sondern die Selbstauflösung wählte, bleibt die Organisation den Repressionsbehörden bis heute ein besonders stechender Dorn im Auge. Ehemalige Mitglieder werden daher nicht nur mit ungebrochenem Eifer gesucht, sondern ihre Festnahme wird mit gewaltigem Medienaufwand ausgeschlachtet, um den verwehrten Triumph nachzuholen und andere Linke vor der Allmacht des deutschen Staats zu warnen.
Auffällig ist unter diesen Umständen, dass sich viele deutsche Linke durchaus ähnlich glücklich über die Festnahme zeigen und in die Hetze der bürgerlichen Medien einstimmen. Zwei Podcaster:innen mit antifaschistischem Selbstverständnis hatten im Herbst vergangenen Jahres sogar selbst eine Suche gestartet und spürten Klette in ihrem Podcast „Most Wanted: Wo ist RAF-Terroristin Daniela Klette?“ in Berlin auf. Es ist nicht gesichert, dass diese Recherchen zur Festnahme geführt haben, dennoch ist diese Initiative festzuhalten.
Entstehung und Strategie der RAF
Die Rote Armee Fraktion entstand im Zuge der revolutionären Bewegung der 1960-70er Jahre – auch bekannt als „68er Bewegung“. Diese Bewegung wurde durch die strukturelle Krise des Kapitalismus ausgelöst. Mit der wirtschaftlichen Erschöpfung des Wiederaufbaus nach dem zweiten Weltkrieg geriet das System gewaltig ins Wanken.
Dazu kamen in allen Erdteilen nationale Befreiungsbewegungen, die danach strebten, sich von den Besatzungsmächten zu lösen. Viele dieser Bewegungen waren geprägt von Guerillakämpfen und versuchten, einen sozialistischen Weg zu gehen. Der Befreiungskampf Vietnams gegen den französischen und amerikanischen Imperialismus war dabei der größte dieser Kämpfe, aber längst nicht der einzige. Ein radikaler, anti-imperialistischer Antikapitalismus war keine Randerscheinung, sondern Konsens großer Teile der internationalen Jugend.
In Deutschland beeinflusste diese Bewegung die Studierendenbewegung, die heute vor allem als Bewegung um demokratische Reformen mit einigen „Ausreißern“ nach links dargestellt wird, nicht aber als Versuch der radikalen Überwindung des Kapitalismus. Doch auch wenn die Bewegung im Reformismus endete, enthielt sie viele revolutionäre Elemente.
Dieser allgemeine revolutionäre Aufbruch umfasste auch militante Gruppen mit so klangvollen Namen wie Tupamaros-West-Berlin, Zentralrat der umherschweifenden Haschrebellen, Bewegung 2. Juni und eben die Rote Armee Fraktion. In ihrer Entstehung sind auch diese Gruppen nicht von der Studierendenbewegung zu trennen.
Dabei ging es diesen Strukturen vor allem darum, praktische Wege zu finden, um den gewaltigen Festungsbau des deutschen Staates umzustoßen. Dass die RAF dabei zur Methode der Stadtguerilla gegriffen hat, ist nicht moralisch und nicht wegen der Anwendung revolutionärer Gewalt, sondern taktisch zu kritisieren. Das Ziel war richtig, die taktischen Mittel waren falsch und kontraproduktiv, denn die gesellschaftliche Isolation von den Massen der Arbeiter:innenklasse blieb bestehen.
Es gab auch andere Versuche, einen Ausweg aus der kapitalistischen Misere zu finden. Die sogenannten „K-Gruppen“ waren verschiedene Anläufe, eine neue kommunistische Kampfpartei in Deutschland aufzubauen, die tatsächlich eine revolutionäre Bewegung organisieren, führen und zum Sieg bringen könnte. Auch diese Projekte scheiterten. Zum Teil lag das sowohl an unrealistischen Einschätzungen der gesellschaftlichen Entwicklung, an einem dogmatischen Verständnis der Theorie, als auch an sektiererischen Tendenzen.
Ablehnung des revolutionären Kampfs durch Teile der Linken
Der RAF wird innerhalb der bürgerlichen Geschichtsschreibung die Funktion zugeschrieben, um die gesamte radikale Linke mit Bannspruch des „Linksterrorismus“ belegen zu können und so zu delegitimieren. Die K-Gruppen-Bewegung, die bis zu 100.000 Menschen umfasste, wird in diesen Zusammenhängen meist als „stalinistisch“ beschimpft, um sie danach keiner größeren Betrachtung zu würdigen.
Mittlerweile trennt uns eine ganze historische Epoche von der Aufbruchsstimmung der 60er und 70er Jahre. In der Zwischenzeit ist viel mit der linken Bewegung in Deutschland geschehen. Das Ganze hatte auch seine ökonomische Grundlage: Der Kapitalismus konnte sich schon ab Mitte der 70er Jahre wieder stabilisieren und sich in den 90er Jahren mit der Einverleibung der Sowjetunion weiter stärken. Deutschland konnte sich in diesem Zuge neue Neokolonien in Osteuropa erschließen.
Damit wurde wieder eine Grundlage für die alten reformistischen Träume gelegt: „So schlimm kann es ja nicht sein mit diesem System, wenn es sich doch immer wieder fängt und es uns in den imperialistischen Ländern so gut geht“, glaubten da viele. Vielleicht würde es ja doch genügen, das System immanent etwas zurecht zu rücken, etwas sozialer zu machen.
Plötzlich schienen die revolutionären Bewegungen der vergehenden Epoche allesamt so fern von der Wirklichkeit, so reich an Gefahren, so offensichtlich gescheitert. Eine Fehleranalyse musste her: Es müsse am „Stalinismus“, am „Autoritarismus“ am „Dogmatismus“, ja an einer ganz schlimmen „totalitären“ Tendenz dieser gesamten Bewegung gelegen haben.
Im Zuge dessen ließen sich große Teile der deutschen Linken in das kapitalistische System integrieren und verkauften – auch sich selbst – diesen Verfall als Aufklärungsprozess. Alte Radikale fanden auskömmliche Pöstchen in Parteien, Institutionen und Universitäten. Oder sie gingen in die Staatsapparate, „um sie von innen heraus zu verwandeln“ und verloren spätestens dort jeden revolutionären Anspruch.
Heute sehen wir uns mit einer deutschen Linken konfrontiert, die sich ihrer Bürgerlichkeit schon gar nicht mehr bewusst wird. Unter dieser Linken ist der Anti-Imperialismus ein Schimpfwort geworden, die deutsche Staatsräson, wie beispielsweise die absolute Treue zum Staat Israel, ist Konsens, und jede Widerrede wird als Antisemitismus diffamiert. Die Selbstentwaffnung – nicht nur durch den Verzicht auf eine revolutionäre Kampfpartei, sondern ihre ausdrückliche Kritik und Ablehnung – setzt sich nahtlos fort in den Angriffen auf jeden wirklich revolutionären Versuch, den Kapitalismus auszuhebeln.
Repression gegen Revolutionär:innen bekämpfen
Seien es nun die Festnahme von Daniela Klette, die Angriffe auf Antifaschist:innen oder die Kriminalisierung der kurdischen und palästinensischen Solidaritätsbewegung in Deutschland – an all diesen Stellen müssen wir uns gegen die Repression des deutschen Staats wehren und für die Freiheit aller politischen Gefangenen kämpfen.
Die Föderation Klassenkämpferischer Organisation (FKO) schreibt in ihrer Erklärung zum „Tag der politischen Gefangenen” am 18. März dazu passend: „Diese Menschen haben durchaus unterschiedliche Überzeugungen und auch Aktionsformen angewendet. Und doch haben alle diese Gefangenen gesagt: Der Kampf für eine andere Welt darf nicht nur im Munde geführt werden – er muss praktisch werden!“