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Freitag, Mai 3, 2024
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    Von New York bis Berlin: Die Palästina-Repressionen gehen weiter

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    Während westliche Staaten dem Protest gegen den Genozid in Gaza mit immer massiveren Repressionen entgegentreten, nimmt die Wut der palästina-solidarischen Bewegungen weiter zu. Ob das Verbot des Palästina-Kongresses, die versuchte Räumung des “Gaza Solidarity Encampment” vor der Columbia University oder die Verschärfung des Berliner Hochschulgesetzes – diese Repressionen lassen sich auf die Komplizenschaft westlicher Staaten mit dem israelischen Apartheidstaat zurückführen. – Eine zusammenfassende Einordnung von Nick Svinets.

    Studierende von der Columbia University in New York haben in der vergangenen Woche mit einem Camp vor der Universität auf den Genozid in Gaza und die tragende Rolle der USA darin aufmerksam gemacht. Am Freitag wurden insgesamt 108 Studierende von der New Yorker Polizei festgenommen.

    Darunter auch die Tochter der Repräsentantin Ilhan Omar, Isra Hirsi. Sie und drei weitere Studierende des Barnard Colleges in Manhattan wurden suspendiert. Die Leitung des Manhattaner Colleges hat sogar Zettel aufgehängt, auf denen die Gesichter der Suspendierten, ihre Klarnamen und andere sensible Daten stehen. Die Administration der Columbia University scheiterte trotz der Polizeigewalt und etlichen Räumungsversuchen daran, das Protescamp zu beenden.

    Die Vorkehrungen an US-amerikanischen Universitäten erinnern an die Lage von Studierenden in Europa, die auch gegen die Komplizenschaft ihrer Universitäten, oder die des Staates aufmerksam machen und massive Repressionen erfahren.

    Palästina Kongress in Berlin

    Vom 12. bis 14. April war der Palästina-Kongress in Berlin geplant. Statt mit geplanten 800 Menschen begann der Kongress am Freitag auf Anordnung der Polizei mit nur 250 Menschen. Vermeintliche Brandschutzvorgaben wären nicht erfüllt, so die Polizei. Das führte dazu, dass die restlichen Personen von der Polizei gehindert wurden, das Gebäude zu betreten.

    Palästina-Konferenz durch Berliner Polizei verhindert: Was passiert ist.

    Ganz schnell formierte sich vor der Tür Protest durch die Menschen, denen der Zutritt verweigert wurde, Nachbar:innen und andere solidarische Menschen. Der renommierte Arzt Dr. Ghassan Abu-Sittah wurde schon im Vorfeld durch den deutschen Staat von der Einreise abgehalten. Nachdem sein Bruder, der Historiker Salman Abu-Sittah per Video zugeschaltet wurde, eskalierte die Polizei innerhalb von wenigen Minuten, stellte den Strom ab und rief ein Verbot des Kongresses aus. Das Innenminsterium betitelte den Kongress als antsemitisch und islamistisch, obwohl dieser von linken jüdischen und palästinensischen Aktivist:innen organisiert wurde. Auch das repressive und gewaltvolle Vorgehen gegen das Camp vor dem Reichstag in Berlin zeigt, dass der kollektive Protest für ein befreites Palästina die Herrschenden erzürnt.

    Die Repressionen gegen den Kongress zeigen, dass die Zielsetzung des Organisator:innen-Teams genau richtig war, nämlich die Verstrickungen des deutschen Staates in den Genozid in Gaza aufzuzeigen und sie anzuklagen.

    Vermummte stürmen Palästinavernetzung in Halle (Saale)

    Vor einem Vernetzungstreffens für Palästina-Solidarität rechneten die Organisator:innen schon mit Einschüchterungsversuchen, weshalb der Ort nur auf Anfrage an Menschen weitergegeben wurde. Zehn vermummte Anhänger:innen der sogenannten „antideutschen“ Strömung stürmten zu Beginn des Treffens den Veranstaltungsort und machten den Teilnehmenden mit aggressiven Tonfall klar, dass das Treffen zu beenden sei. Sie zerstörten Materialien und breiteten eine israelische Flagge aus. Außerdem wurden Fotos von den Teilnehmenden gemacht. Die Veranstalter:innen erklärten, dass das Treffen aus Selbstschutz beendet wird, woraufhin die Zionist:innen den Raum wieder verließen.

    Angriff auf Palästinasolidarität in Halle (Saale)

    Während die Palästina-Vernetzung versucht, Antisemitismus entschieden zu bekämpfen, und für ein freies Palästina kämpft, in dem alle Menschen unabhängig von Religion oder Ethnie zusammenleben können, versuchen Antideutsche, alle Jüd:innen weltweit mit dem israelischen Apartheidstaat gleichzusetzen.

    In Halle an der Saale gehen Antideutsche im Gleichschritt mit der repressiven Politik des deutschen Staates – nämlich indem sie palästina-solidarische Organisierung unterbinden. Auch dies geschieht, um die deutsche Komplizenschaft mit dem israelischen Apartheidsstaat zu vertuschen und ihre rassistische Ideologie zu verteidigen.

    Verschärfung des Berliner Hochschulgesetzes

    In der derzeitigen Fassung des Berliner Hochschulgesetzes ist eine Exmatrikulation aus politischen Gründen nicht möglich. In der geplanten neuen Fassung soll nun Gewalt gegenüber anderen Hochschulmitgliedern, sei es Androhung, Ausübung oder Aufruf dazu, mit dem Ausschluss aus der Hochschule geahndet werden. Eine Definition von Gewalt ist nicht Bestandteil des Gesetzes, was die Gefahr der Willkür besonders drastisch erhöht. Die Kampagne „handsoffstudentrights“ weist darauf hin, dass „auch schon das Stören von Lehrveranstaltungen durch Unterbrechungen und Zwischenrufe“ als Gewalt gewertet werden könnte.

    Das Nutzen von Einrichtungen der Universität für (versuchte) Straftaten soll ebenfalls mit Exmatrikulation bestraft werden. Ebenfalls gibt es keine genauere Definition, was im Umkehrschluss bedeutet, dass selbst das Aufhängen von Plakaten, (nicht angemeldete) politische Veranstaltungen, bis hin zu Hörsaalbesetzungen oder Sitzblockaden in das Raster fallen können. Wenn Studierende also ihrem Unmut in Form von Protest Gehör verschaffen, wird der Universität die Möglichkeit gegeben, mit Exmatrikulationen dagegen vorzugehen.

    Studierende müssten somit bei jeglicher Handlung am Campus, die der Universität nicht passt, die Exmatrikulation fürchten. Damit verlieren sie nicht einfach nur den Studienplatz, den sie selbst ausgewählt haben, um sich weiterzubilden. Auch die Förderung durch Stipendien oder BAföG fallen weg und rauben den exmatrikulierten Studierenden jegliche finanzielle Lebensgrundlage, die sie im Umkehrschluss auch wohnungslos machen kann. In Fällen des Aufenthaltsrechts von internationalen Studierenden kann die Exmatrikulation sogar zur Abschiebung führen. Auch der Arbeitsplatz kann durch die Exmatrikulation wegfallen, beispielsweise im Fall von Tutor:innen und anderen studentischen Beschäftigten.

    CDU und SPD planen drastischste Verschärfung des Berliner Hochschulgesetzes

    Repressionen an der Uni Kassel

    An der Universität Kassel plant das Unipräsidium weitere Einschränkungen gegen palästina-solidarische und antifaschistische Proteste. Nachdem Studierende am bundesweiten Aktionstag gegen die Verschärfung des Hochschulgesetzes einen Infostand mit Redebeiträgen organisierten, um auf die Verschärfung des Berliner Hochschulgesetzes aufmerksam zu machen, intervenierte der Kanzler Oliver Fromm mit der Ausrede, dass das Megaphon für die Redebeiträge nicht angemeldet war und den Lehrbetrieb störe. Schnell stellte sich nach Aussagen von Teilnehmenden heraus, dass die Zuständigen keine Parallele zwischen der Verschärfung des Berliner Hochschulgesetzes und Palästina-Solidarität sehen.

    Nach Diskussionen und Drohversuchen seitens der Universitätsleitung kündigten sie an, in Zukunft mit Schikane auf die Proteste zu antworten, indem sie akribische Anmeldeformulare erstellen, die verpflichten alle Materialien, Transpis, Plakate, Flyer u.Ä vorab zu melden und durch die Universitätsleitung prüfen lassen. Die Einreichung der Anmeldung soll sogar zwei Wochen vor dem Protest geschehen.

    Das ist nicht nur Schikane, sondern ist die Möglichkeit für die Uni, unliebsamen und herrschaftskritischen Protest im Keim zu ersticken. Neben Zionist:innen, die Fotos von Redner:innen und Protestant:innen machten, müssen sich die Organisator:innen nun vor weiteren Repressionen durch die Uni fürchten.

    Der Protest zeigt Auswirkungen

    Die Repressionen seitens des Staates sind ein klares Zeichen, dass der Protest und die Forderungen den Herrschenden ein Dorn im Auge sind und an den richtigen Punkten ansetzt. Seien es die Forderungen nach einem Abbruch der Kooperation mit israelischen Universitäten, den die Studierenden der Columbia University gerade erst gefordert haben oder nach einer Aufdeckung des militärisch-industriellen Komplexes in Deutschland und die Verstrickung der Universitäten im militaristischen Kurs der Bundesregierung.

    Als palästina-solidarische Bewegung dürfen wir uns nicht durch die Repressionen einschüchtern lassen und weiter gegen den Staat und seine Komplizenschaft mobilisieren, ob in den USA, Italien oder der BRD. Im Fokus der internationalen Solidarität muss dabei der Kampf gegen den Feind im eigenen Land stehen, der in diesem Fall den Genozid durch Israel unterstützt.

    • Perspektive-Autor seit 2024 und Politikwissenschaftsstudent mit Fokus auf Westasien & Sahelzone, Migration, Antirassismus, Antimilitarismus und internationale Klassenkämpfe.

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