Da wird ein liberaler CDU Politiker, der das „christlich“ im Namen seiner Partei anscheinend noch irgendwie ernst nahm, wahrscheinlich von einem Neonazi per Kopfschuss hingerichtet, und es ist der Schwarze Block der Antifa, der unter Polizeischikanen Demonstrationen durchführt, während sich die Parteikollegen Walter Lübckes auffällig zurückhalten. Was ist hier bloß los, mag man sich fragen. – Ein Kommentar von Dirk Paul Shevek
Bürgerliche Medien und Politiker haben nicht nur mehr Hufeisen parat als ein Pferdehof, auch mehren sich die Bemühungen bekannter Persönlichkeiten, die AfD von ihrem Naziimage reinzuwaschen. Ex-Bundespräsident Joachim Gauck etwa wirbt für eine „erweiterte Toleranz in Richtung rechts“. Alles was nicht gegen Gesetze verstoße, solle toleriert werden, auch wenn manche Positionen unangenehm seien. Sachsen Ministerpräsident Kretschmer verteidigte Gauck gegen Kritiken. Dieser hätte nur „Selbstverständlichkeiten“ ausgesprochen. „Rechtsextrem oder linksextrem – das sind die Positionen, wo der Staatsanwalt kommt […] Und dazwischen muss jede Diskussion und Auseinandersetzung möglich sein.“ so Kretschmar. Rechtsaußen-CDUler und ehemaliger Chef des Verfassungsschutzes, Hans Georg Maaßen, bringt gar die Zusammenarbeit der Union mit der AfD im Osten ins Gespräch, wofür er jedoch auch viel Widerspruch aus den eigenen Reihen bekam.
Dieser Rechtsterrorist soll den CDU-Politiker Walther Lübcke hingerichtet haben
Die Unklarheit der CDU in ihrer Positionierung zur AfD ist eine Reaktion auf die derzeitigen Verschiebungen im Parteiensystem. Im Osten gerät die CDU von rechts unter Druck und bundesweit von links. Ein Zusammenbruch der Regierung und Neuwahlen sind noch nicht vom Tisch des Möglichen, und im September stehen Landtagswahlen in Sachsen an. Hier liegt die AfD in aktuellen Umfragen als stärkste Partei vor der CDU. Wer in den Spagat geht, geht nach unten.
Es ist diese Situation, die erklärt, warum so viele CDUler zum Mordfall Lübcke schweigen, warum nun keine große Kampagne im Kampf gegen Rechts ausgerufen wird. Ein solcher Fall kommt ungelegen im derzeitigen Landtagswahlkampf und während der Debatte über die Grundausrichtung der Union.
Warum interessiert sich niemand für den Mord an Walter Lübcke?
Die Antifa muss sich neu aufstellen
Die Erkenntnis, dass der Staat mindestens auf dem rechten Auge blind ist und nicht willens oder fähig ist, effektiv gegen rechte Strukturen vorzugehen und diese zu zerschlagen, verbreitet sich immer weiter. Selbst die Gutmütigsten können nicht nachvollziehen, warum Untersuchungsakten des hessischen Verfassungsschutzes zum NSU-Fall für 120 Jahre unter Verschluss stehen. Es ruft große Unsicherheit hervor, wenn neofaschistische Strukturen am 1. Mai unter Polizeischutz durch Duisburg und Plauen marschieren. Und es ist erschreckend, wenn immer mehr Verbindungen zwischen rechten Strukturen und Polizei, Militär und Geheimdienst öffentlich werden.
Es ist an der Zeit, dass dieses Misstrauen gegenüber dem staatlichen „Vorgehen“ gegen Rechts auch praktische Konsequenzen hat. AntifaschistInnen müssen nun eine ernsthafte Diskussion über eine angemessene Praxis mit der wachsenden neonazistischen Gefahr führen und dementsprechend handeln. Dies wird zwar vermutlich dazu führen, dass sich ein Teil aus dem wohligen „Wir sind mehr“-Antifaschismus verabschieden werden. Es bringt jedoch nichts, einfach nur mehr zu sein, wenn der Feind nicht an Mehrheitsentscheiden interessiert ist.