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Montag, Oktober 14, 2024
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    Pewdiepie – wenn Rassismus reich macht

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    Der YouTube- Channel „Pewdiepie“, der vom Schweden Felix Kjellberg angeleitet wird, hat die 100 Millionen Abonnenten-Marke geknackt. Vor Kjellberg ist diese Marke erst von einem anderen Channel geknackt wurden, der allerdings im Gegensatz zu Pewdiepie von mehr als einer Person geführt wurde. Damit ist Kjellberg trotz mehrfacher Skandale um rassistische Äußerungen der erfolgreichste Youtuber der Welt. Was sagt das über unsere Gesellschaft aus? – Ein Kommentar von Tabea Karlo

    Pewdiepie hat eine Reichweite von 100 Millionen Abonnenten überschritten. Unter Abonnenten fallen nur Menschen, die ebenfalls einen YouTube-Account haben und Pewdiepie beordern, um regelmäßig Updates zu seinen neuesten Veröffentlichungen zu erhalten. Die Zahl der Menschen, die Felix Kjellberg – so heißt Pewdiepie mit richtigem Namen – ihre Aufmerksamkeit schenken, ist also noch deutlich höher. Denn die Videos sind ja auch einsehbar, wenn man keinen YouTube-Account besitzt oder nicht auf den Abonnement-Button geklickt hat.

    Mit jedem Video, das der Youtuber veröffentlicht, erreicht er also mehrere Millionen Menschen. Die View-Zahlen, also wie viele Menschen ein Video angeklickt haben, liegen im Durchschnitt bei 5 bis 15 Millionen. Es können auch mal Ausreißer dabei sein – das Video von Kjellbergs Hochzeit beispielsweise hat bislang ganze 23 Millionen Klicks.

    Daran arbeitet Kielberg auch recht intensiv. Jeden Tag bringt der Youtuber mindestens ein neues Video raus. Angefangen hat er einfach mit  „Let’s plays“, einem Videoformat, in dem man ein Computerspiel spielt, dabei den Bildschirm abfilmt und das Verfahren kommentiert. Mittlerweile interessieren Kjellberg jedoch auch andere Formate. Dadurch spricht er eine andere Zielgruppe an und vergrößert so stetig seine Reichweite. In diesen Formaten geht es dann häufig um Internettrends oder um Gerüchte, die sich grade so um die Youtuber ranken.

    Kjellberg und seine Berge an problematischen Äußerungen

    Gerüchte und Skandale, die es zu adressieren gilt, gibt es bei Kjellberg mehr als genug. So fiel er in der Vergangenheit mehrfach durch rassistische, insbesondere durch antisemtische Äußerungen auf.

    Am 8. Dezember 2016 veröffentlichte Kjellberg ein Video auf seinem Kanal, in der er sich eine Rede von Adolf Hitler ansieht. “Die einzige Macht und alleinige Macht ist Deutschland“, hört man Hitler sagen, direkt danach wird Kjellberg selber eingeblendet: lächelnd. In einem späteren Video stellte Kjellberg die Frage, ob er seinen Channel verlieren würde, “weil er weiß” sei – eine Form, sich über Diskriminierungsvorwürfe von schwarzen Menschen lustig zu machen

    2017 beauftragte er Menschen über die Microsoft-Plattform „Fiverr“, für wenige Dollar einen Clip mit einer komischen Botschaft zu drehen. In dem Gewinnerclip, den er auf seinem Channel veröffentlichte, sieht man ein Banner mit der handgeschriebenen Botschaft „Death to all Jews“ (dt.: Tod allen Juden). Einige Wochen später folgt ein weiterer Clip, in dem eine als Jesus verkleidete Person in die Kamera spricht. So weit so gut, würde die Person nicht den Satz äußern: „Hitler did absolutly nothing wrong.“ (dt.: Hitler hat absolut nichts falsch gemacht).

    Danach folgte noch ein Livestream, in dem Pewdiepie das Wort „Nigger“ benutzte, eine Beleidigung, die zur Degradierung von Menschen mit dunkler Hautfarbe benutzt wird. Seine Entschuldigung: Er vergesse manchmal, dass er live sei. Die rassistischen Äußerungen Pewdiepies reißen nicht ab, immer wieder finden sich die verschiedensten Nazi-Symbole und offen rassistische Äußerungen in seinen Videos.

    Da muss es doch Konsequenzen gegeben haben?“

    Reale Konsequenzen für Kjellberg bleiben so gut wie aus. Zwar wurde ihm nach dem gefühlten 500sten Skandal der Werbevertrag von YouTube gekündigt und die Serie, die in Zusammenarbeit mit Disney entstehen sollte, gestoppt. Doch das hat Kjellberg nicht mal wirklich gemerkt. Seine Abonnentenzahlen haben darunter nicht gelitten. Er verdient fröhlich weiter.

    Als sein Konkurrent “T-Series” zeitweise ähnliche Abonnentenzahlen erreichte wie er, rief er seine Fans dazu auf, für ihn zu werben. Dadurch entstand der Hashtag „#Subscribetopewdiepie“ (dt.: abonniert pewdiepie). Seine Abonnenten für Werbezwecke zu missbrauchen? Fragwürdig. Doch es kommt noch schlimmer:

    Seine Abonnenten hacken sich in Computer, Drucker und Faxgeräte großer Unternehmen und drucken dort den Hashtag aus mehreren hundert Geräten. Dass seine Fans sich damit strafbar machen, scheint Pewdiepie nicht wirklich zu interessieren. Er lässt zu, dass sie sich für ihn und seine Machtgier in ernsthafte rechtliche Schwierigkeiten begeben. Er fördert es sogar.

    Damit endet es nicht. Der Attentäter von Christchurch erwähnt den Hashtag in seinem Video. Statt die Bewegung sofort zu beenden, wartet Pewdiepie noch mehrere Wochen, bevor er sich zu dem Vorfall äußert. Lässt seine Werbeaktion trotz Integration der Propaganda in einen rassistischen Massenmord, der 50 Tote forderte, einfach weiterlaufen.

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    Die Geschichte „Schwarzer Humor“ und warum er gar nicht lustig ist

    Von Fans wird das Ganze entweder als schwarzer Humor abgetan oder aus der rechten Ecke heraus abgefeiert. Kjellberg selber betonte immer wieder, kein Rassist zu sein und solche Äußerungen nur als humoristisches Stilmittel zu nutzen. Diese Ausrede war aber schon immer Quatsch.

    Rassistische Äußerungen sind und bleiben blanker Rassismus, egal wie viel dabei oder darüber gelacht wird. Kjellbergs Nazi-Rhetorik ist genauso wenig lustig wie Witze über dunkelhäutige Menschen, die Baumwolle ernten oder Asiaten, die Reis essen. Schwarzer Humor ist etwas, das weiße Männer erfunden haben, um die Kritik an ihrem sexistischen oder rassistischen Verhalten umgehen zu können.

    Aus dem kleinen Felix ist ein Geschäftsmann geworden

    Man kann sich nun darüber streiten wie sinnvoll es ist, sich über Kjellbergs Charakter aufzuregen. Dabei sollte man jedoch eine Sache nicht vergessen: Kjellberg verdient schätzungsweise 13 Millionen Euro im Jahr trotz – oder grade wegen – seiner rassistischen Äußerungen. Sein Vermögen liegt derzeit bei ungefähr 26 Millionen Euro. Und seine Reichweite ist größer als die Einwohnerzahlen von Deutschland und Belgien zusammen.

    Es geht hier nicht um einen mitteljungen Mann, der sich ein Mal unbedacht geäußert hat. Es geht um einen Geschäftsmann, der Millionen mit Rassismus verdient und das auch weiß. Jemand, der so reich ist, mutet in seinen Videos eventuell spontan und „normal“ an. Doch das, was er sagt, ist wohl überlegt.

    Selbst wenn es das nicht wäre. Überlegt noch mal ganz genau, wann euch das letzte Mal einfach so ein Hitlergruß rausgerutscht ist? Wenn die Antwort “nie” ist, dann ist das überhaupt nicht überraschend. Das passiert einem nämlich nicht, so lange man nicht die Einstellung hat, dass es in Ordnung sei.

    Kjellberg ist schon lange nicht mehr einfach nur ein junger Mann mit fragwürdiger Einstellung und komischem Humor. Er hat massiven Einfluss auf unsere Jugend. Auf meine Generation und die meiner Geschwister. Damit wird er zum Symbolträger für gesellschaftsfähigen Rassismus. Zeigt jungen Menschen, dass so zu denken und zu handeln gar nicht so schlimm oder sogar „normal“ ist.

    Geht es hier nur um „Pewdiepie“ oder nicht doch um mehr?

    Kjellberg ist ein perfektes Beispiel für ein Problem, das noch viel größer ist als er selbst. Sogar größer als das Problem, dass er Millionen Jugendlichen rassistischen “Humor” nahe bringt. Nämlich die Problematik, die es überhaupt erst möglich macht, dass Kjellberg handelt wie er handelt: In unserer heutigen Gesellschaft lässt sich mit Unterdrückung Geld verdienen – und eigentlich nur dadurch.

    Bei Kjellberg sind es rassitische Witze auf Youtube, bei “Truefruits” – einem deutschen Smoothie-Hersteller – ist es der gleiche „schwarze Humor“ der genutzt wird, um Getränke zu verkaufen. In allen Branchen vom Pizzalieferanten bis zum Baumarkt sehen wir halbnackte Frauen auf Plakaten. Hier ist der Unterdrückungsmechanismus des Rassismus durch Sexismus ersetzt worden.

    Auf den Werbetafeln von Lidl sehen wir Bagels und darunter den Slogan „Loch ist Loch“ – dazu muss wohl nichts mehr gesagt werden. Und das sind nur die Beispiele, in denen die Unterdrückung einer bestimmten Menschengruppe zum Anwerben neuer KundInnen genutzt wird.

    Um reich zu werden, muss man außerdem andere für sich arbeiten lassen: Kjellberg nutzt ein Kamerateam, das er weit schlechter bezahlt als sich selbst, obwohl es ihm einen Großteil seiner Arbeit abnimmt. Außerdem will ich gar nicht wissen, unter welchen Umständen der „PewdiePie“-Merch hergestellt wird. Andere reiche Menschen wie etwa die Hälfte der Familie Quandt, denen BMW gehört, leben allein von ihrem Erbe und der Arbeit der Menschen, die in ihrer Firma produzieren.

    Reichste Familie der Welt verdient 100 Millionen Dollar am Tag

    Was heißt das für mich und dich?

    Da läuft doch etwas falsch, wenn wir in einer Gesellschaft leben, in der man viel Geld verdient, indem man andere arbeiten lässt und sich dann ohne Konsequenzen über weniger Privilegierte lustig machen darf. Und wenn etwas falsch läuft, gibt es nur eine logische Konsequenz: Mensch muss etwas ändern. Wir müssen etwas ändern.

    Das können wir allerdings nur, wenn wir es alle gemeinsam tun. Also, tut mir einen Gefallen und schweigt nicht. Andere finden Kjellbergs Rassismus genauso unlustig wie ihr, den Seximus in der Pizzawerbung genauso unerhört oder den niedrigen Lohn auf der Arbeit genauso mies. Und bekanntlich sind hundert Stimmen lauter als eine. 

    • Perspektive-Autorin seit 2017. Berichtet schwerpunktmäßig über den Frauenkampf und soziale Fragen. Politisiert über antifaschistische Proteste, heute vor allem in der klassenkämperischen Stadtteilarbeit aktiv. Studiert im Ruhrpott.

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