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Dienstag, März 19, 2024
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    Islamistischer Terror – Made in China

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    Nicht nur in Europa gibt es islamistischen Terror. Die meisten Opfer islamistischer Angriffe sind selbst Muslime in Ländern außerhalb Europas. Aber auch in China gibt es dieses Phänomen. Panturkismus, Separatismus und islamistischer Terror sind in China spätestens seit 1990 nicht mehr wegzudenken. Es gibt islamistischen Terror, der aus China kommt, genau genommen aus dem Autonomen Gebiet der Uiguren, Xinjiang. – Ein Kommentar von Pa Shan.

    Teil 1 einer Serie von Artikeln über China und die Uiguren.

    Der sogenannte „Panturkismus“ ist eine völkische Ideologie, die alle Turkvölker als eine einzige, länderübergreifende Nation begreift. Zu diesen Volksgruppen werden z.B. die Türken, Magyaren (Ungarn), Bulgaren, Finnen, viele Kaukasusvölker und sibirische Völker, Tataren, Mandschu und Uiguren gezählt.

    Der Panturkismus lehnt die Spaltung dieser Völker durch unterschiedliche Nationalstaaten ab und strebt ihren Zusammenschluss über Staatsgrenzen hinweg an. Die Utopie dahinter ist die Schaffung eines Großreiches der Turkvölker – von der Türkei über Ungarn bis Sibirien und „Ostturkestan“, wie die panturkischen Nationalisten das heutige Gebiet der Uiguren in China nennen.

    Die Chinesen nennen dieses Gebiet Xinjiang („neue Grenze“). Es liegt im äußersten Nordwesten Chinas, wo es an Afghanistan, Pakistan, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Russland und die Mongolei angrenzt. In den Jahren 1931-1934 und dann wieder in den Jahren 1944-1949 existierten dort kurzfristig eigenständige Uiguren-Republiken. Die zweite dieser Republiken befand sich im Norden Xinjiangs und verstand sich als eine sozialistische Volksrepublik der Turkvölker, die sich 1949 der Volksrepublik China anschloss und seither fester Teil der Volksrepublik geblieben ist.

    1955 wurde Xinjiang zum Autonomen Gebiet der Uiguren erklärt, was viele Sonderrechte einschloss. Ein Großteil der heute ca. 10 Millionen Menschen zählenden Minderheit hat sich mit diesem Zustand abgefunden und profitiert teilweise von den Modernisierungen, die das Land zu bieten hat.

    Die Eingliederung der Uiguren in einen Staat, der zu über 90 Prozent von den Han-Chinesen bevölkert und dominiert wird, ist jedoch den panturkischen Nationalisten unter den Uiguren stets ein Dorn im Auge geblieben. Bei ihnen hat sich das Bestreben entwickelt, „Ostturkestan“ von China abzuspalten und es einem „Großturkestan“ einzuverleiben – eine Idee, die bereits der deutsche Kriegsverbrecher und Nazi Alfred Rosenberg hatte, was jedoch von Hitler vorläufig abgelehnt wurde.

    Wie viele völkische Ideologien ist auch der Panturkismus keine pazifistische Weltanschauung, sondern begreift Gewalt als legitimes Mittel, um „Ostturkestan“ von dem Joch der atheistischen Chinesen zu „befreien“. Ferner ist der uigurische Panturkismus islamisch geprägt und weist starke Neigungen zum Islamismus und Salafismus auf. Daher drückt sich der „Befreiungskampf“ radikalisierter Uiguren weniger in Streiks, Demonstrationen oder politischen Kämpfen aus, sondern viel eher in individuellem und kollektivem Terror.

    Der panturkische Terror in China

    Der Panturkismus ist für unzählige Anschläge in Xinjiang und anderen Gebieten Chinas verantwortlich. Zwischen 1990 und 2001 soll es allein in den Grenzen Xinjiangs mehr als 200 terroristische Angriffe und Anschläge im Zusammenhang mit dieser Bewegung gegeben haben. Dabei sind 162 Menschen getötet und mehr als 440 verletzt worden.

    Der Staatsrat, die chinesische Regierung, schätzt, dass allein beim Massaker vom 5. Juli 2009 in Xinjiangs Hauptstadt Ürümqi mindestens 197 getötet wurden und 1.700 verletzt. Außerdem sollen an diesem Tag hunderte von Läden und Fahrzeugen angezündet worden sein. Die islamistische und separatistische Gewalt erreichte an diesem Tag vorläufig ihren Höhepunkt, endete aber trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen keineswegs.

    Am 26. Juni 2013 führten 16 Uiguren in Xinjiang ein Massaker an, in dessen Folge 35 Menschen starben. Die Männer waren mit Säbeln bewaffnet, mit denen sie willkürlich auf Menschen einhackten. Auch zündeten sie Fahrzeuge und Gebäude an und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei.

    Am 28. Oktober 2013 raste ein SUV durch eine Menge von PassantInnen, von denen 39 verletzt wurden und drei ihren Verletzungen erlagen. Die drei Insassen des Fahrzeugs sind ihrer Verhaftung entgangen, als sie sich durch Zündung einer selbst gebauten Bombe in die Luft jagten.

    Am 01. März 2014 attackierten mehrere mit Messern bewaffnete Männer wahllos PassantInnen in der südwestlichen Stadt Kunming. Dabei verletzten sie 130 Menschen und töteten 29.

    Am 30. April 2014 explodierte in Xinjiangs Hauptstadt eine Bombe. Zeitgleich attackierten Messerstecher die Menschen am Ausgang des Südlichen Bahnhofs von Ürümqi. Die Angreifer verletzten 79 und töteten zumindest drei Menschen.

    Mit dem Antritt des neuen Präsidenten Xi Jinping im Jahr 2012 hat die chinesische Regierung einen neuen Kurs eingeschlagen, der auch neue Methoden der Terrorbekämpfung einschließt. Der Regierung zufolge soll es deswegen weniger Anschläge und zumindest innerhalb Chinas weniger Opfer islamistischer Gewalt gegeben haben. Mitunter hat die Regierung unzählige „Schulungszentren“ für Uiguren aufgebaut, in denen sie ausgebildet und auf den chinesischen Staat eingeschworen werden. Damit soll auch das Wirken der gefährlichsten islamistischen Terrororganisation auf chinesischem Boden eingegrenzt werden.

    Die Islamische Turkestan-Partei

    Im Jahr 2001 wurde die Islamische Turkestan-Partei gegründet. Diese Partei ist eine militante Terrororganisation, deren Zweck es ist, einen islamistischen Staat auf dem Gebiet Xinjiangs zu gründen. Sie stand hinter vielen terroristischen Angriffen in China und wird von den chinesischen Sicherheitsbehörden als „relevanteste und reale Herausforderung der Sicherheit in China“ begriffen. Im Jahr 2008 trat die Partei an die Öffentlichkeit. Bekannt wurde sie für ihre Anschlagsdrohungen im Kontext der Olympischen Spiele in Peking. Seitdem wird sie von der chinesischen Regierung bekämpft.

    Schon bald entwickelte sich diese Gruppe zur führenden uigurischen Terrorgruppe. Bereits im sowjetisch-afghanischen Krieg (1979-1989) sollen uigurische Kämpfer auf Seiten afghanischer Islamisten gekämpft haben. Seither gibt es einen gemeinsamen Kampf von uigurischen und afghanischen Islamisten. Heute wird dieser Kampf auch in anderen Ländern wie Syrien, Kirgistan und Kasachstan weitergeführt.

    Auch Al-Kaida-Anführer Al-Zawahiri lobte den Einsatz der uigurischen Djihadisten und forderte sie dazu auf, den Djihad „in jedem Winkel der Welt zu führen, wo auch immer sie sein mögen“.

    Einige uigurische Staatsbürger der VR Chinas haben sich spätestens ab 2013 nach Syrien begeben, um dort an der Seite anderer Islamisten und Djihadisten gegen die syrische Regierung und die Demokratische Föderation Nord- und Ostsyrien („Rojava“) zu kämpfen. 2015 sind die ersten Videos von uigurischen Kämpfern in Syrien veröffentlicht worden.

    Diese Kämpfer sollen mit den Taliban in Afghanistan, mit Al-Kaida und mit der Al-Nusra in Syrien eng zusammenarbeiten. Auch haben sich lokale Gruppen in anderen zentralasiatischen Ländern gebildet. 2016 hat einer ihrer Kämpfer ein Bombenattentat gegen die chinesische Botschaft in Kirgistan verübt.

    Die Islamische Turkestan-Partei ist bei all dem federführend. Sie soll mittlerweile zwischen 10.000 und 20.000 Kämpfer in ihren Reihen zählen, ganze Familien rekrutiert haben und ist bekannt für ihren Einsatz von KindersoldatInnen. 2018 hat die Partei ein Islamisches Emirat in im nordsyrischen Idlib ausgerufen.

    Al-Haqq, der aktuelle Führer der Partei, erklärt diesen Kampf so: „Heute machen wir den Djihad in Sham um unseren Brüdern zu helfen und morgen müssen die Soldaten des Islam bereit sein, nach China zurückzukehren, um die westliche Provinz Xinjiang von den kommunistischen Besatzern zu befreien“.

    Was die panturkischen Terroristen mit uns zu tun haben

    Der panturkische Terror scheint weit entfernt zu sein. In Deutschland hört man so gut wie nichts von ihm. Das ist problematisch, den es gibt nicht nur eine Verbindung Chinas mit dem Panturkismus, sondern auch mit Deutschland. In Deutschland wird hingegen so getan, als habe das eine mit dem anderen nichts zu tun.

    Dabei wird ignoriert, dass die Türkei noch immer eng verbunden ist mit Deutschland. Nicht nur wird ökonomisch auf enge Zusammenarbeit Wert gelegt, sondern die Türkei gilt auch militärisch und politisch als Verbündete Deutschlands, so dass deutsche Gelder und Waffen an Erdogans Regime gehen, während Erdogan von der Bundesregierung gedeckt wird.

    Erdogan wiederum unterstützt die Islamisten und Djihadisten in Syrien. Unter anderem wurden Kämpfer der Islamischen Turkestan-Partei als Geflüchtete in der Türkei rekrutiert, indem man ihnen türkische Ausweise aushändigte, um sie dann nach Syrien zu verfrachten. Die türkische Regierung soll dabei eine aktive Rolle gespielt haben.

    Einen weiteren Punkt müssen man hier ansprechen. Die Islamische Ostturkestan-Partei erzeugt Unmengen an Propaganda, ob in Form von Videos oder in Form von Zeitschriften. Dabei wird China dämonisiert und der Islamismus und Nationalismus einiger Uiguren romantisiert. Amerikanische Think Tanks und angebliche „Experten“ streuen ebenfalls Gerüchte, die sie keineswegs belegen können.

    Kritiker Chinas kopieren diese im Wortlaut, wenn sie von „kulturellem Genozid“, von einem neuen „Holocaust“ oder von wahlweise einer Million oder zwei Millionen „inhaftierten Uiguren“ erzählen. Ähnlich klingen die Verlautbarungen des Weltkongresses der Uiguren mit Hauptsitz in München, der von einer Multimillionärin im Bündnis mit den USA geführt wird.

    Eine gewissenhafte Haltung zu dieser Frage würde mit Belegen arbeiten und nicht der Heuchelei von amerikanischen Lobbyisten und Djihadisten glauben. Eine ehrliche Kritik an China müsste Chinas Kampf gegen die Terroristen in Xinjiang sehen, ebenso wie den Kampf der Kurden und Kurdinnen gegen Erdogan und die Djihadisten in Syrien. Gleichzeitig wäre es notwendig, sich Klarheit über die wirkliche Lage der UigurInnen zu verschaffen.

    Ein Regime, dass unschuldige Menschen aufgrund ihrer Religion oder Kultur unterdrückt, muss scharf kritisiert werden. Rebellion gegen rassistische Unterdrückungspolitik ist gerechtfertigt. Aber islamistischer Terror und eine Stärkung des Panturkismus macht es nicht besser, sondern schlimmer.

    • Perspektive-Korrespondent, Chinaforscher, Filmliebhaber, Kampfsportler

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