`
Freitag, April 26, 2024
More

    Das nächste Pulverfass der Welt: Drohungen zwischen USA und China im Konflikt um Taiwan

    Teilen

    Während die Weltöffentlichkeit ihr Augenmerk zur Zeit auf den Krieg in der Ukraine richtet, schwelt 8.000 Kilometer weiter östlich ein anderer Konflikt: Die Volksrepublik China und die USA wollen Taiwan für die jeweils eigene militärische Einflusssphäre gewinnen. Nun haben der chinesische Staatschef Xi Jinping und der amerikanische Präsident Biden unterschwellige Drohungen gegeneinander ausgesprochen. Kurz vor dem Gespräch durchquerte ein chinesischer Flugzeugträger die Meeresstraße von Taiwan.

    Der 1949 gegründete Inselstaat Taiwan, den China als abtrünnige Provinz beansprucht, ist durch seine geografische Lage strategisch enorm wichtig für die Hoheit im südchinesischen Meer.

    Die USA haben formal keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, gelten aber als der wichtigste Unterstützer und Waffenlieferant der Inselrepublik. Während China immer wieder die Muskeln spielen lässt, signalisieren die USA und ihre Bündnispartner, Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs militärisch unterstützen zu wollen. Damit besteht eine reale Kriegsgefahr in der Region.

    Erstes Gespräch seit Monaten zwischen Xi und Biden

    Am Freitag führten Xi und Biden ein zweistündiges Videotelefonat, das erste Gespräch seit Monaten und erst der vierte direkte Kontakt überhaupt zwischen den beiden Regierungschefs. Beim Thema Taiwan warnten beide Seiten vor schwerwiegenden Konsequenzen.

    Laut Xi würden „manche Menschen in den USA die falschen Signale an die Kräfte in Taiwan, die eine Unabhängigkeit befürworten, senden“, was „sehr gefährlich“ sei. Wenn der Konflikt um Taiwan nicht „angemessen“ gelöst werde, würde dies die Beziehungen zwischen den USA und China untergraben. Biden signalisierte seinerseits, dass Xi mit einer sehr entschiedenen Reaktion des Westens rechnen müsse, falls er Taiwan angreifen sollte.

    Wenige Stunden vor dem Gespräch fuhr der chinesische Flugzeugträger „Shandong“ durch die Meeresstraße von Taiwan. Der US-Zerstörer „USS Ralph Johnson“ begleitete die Route des chinesischen Schiffes in einiger Entfernung. Auch Taiwan entsandte Kriegsschiffe in die Region.

    Während sich Taiwans Verteidigungsministerium nicht zur Durchfahrt der „Shandong“ äußern wollte, betonte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking, dass in der Aktion keine Provokation oder ein Zusammenhang mit dem Gespräch der Präsidenten zu erkennen sei. Es hätte sich um eine routinemäßige Trainingsmission gehandelt.

    China erhöht Militärausgaben um 7.1 Prozent – USA sichern Taiwan Unterstützung zu

    China als Helfer Russlands?

    Auch der Krieg in der Ukraine kam im Telefonat zwischen Xi und Biden zur Sprache. Die Haltung zu Russland sorgt für zusätzlichen Zündstoff in der Beziehung der beiden Länder. Nachdem China bislang noch nicht unmissverständlich Position bezogen hat, befürchten die USA nun, China könne Russland mit Waffenlieferungen und wirtschaftlichen Hilfen unterstützen, wie US-Außenminister Antony Blinken am Donnerstag durchblicken ließ.

    Die USA erhöhen deshalb den Druck auf China: Biden drohte Xi mit Sanktionen, falls China Russland mit Kriegsmaterial aushelfen sollte. Xi äußerte sich nicht zu dem Vorwurf, Russland unterstützen zu wollen, kritisierte aber die Wirtschaftssanktionen des Westens gegen Russland, welche die Weltwirtschaft in eine „ernsthafte Krise“ stürzen könnten.

    Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen indes sieht aufgrund des Kriegs in der Ukraine eine erhöhte Gefahr für einen chinesischen Angriff. Sie sieht sich darin bestätigt, eine taiwanesische Reservisten-Armee zum Schutz vor China aufzubauen: „Die jüngste Situation in der Ukraine beweist einmal mehr, dass der Schutz des Landes neben der internationalen Solidarität und Unterstützung von der Einheit des ganzen Volkes abhängt“, sagte sie am Sonntag.

    Taiwan: Wachsende Kriegsgefahr?

    Ukraine und Taiwan als geopolitische Schlüsselregionen

    Tatsächlich besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Situation in der Ukraine und der in Taiwan. Beide Länder sind von zentraler geostrategischer Bedeutung für die USA im Konkurrenzkampf mit anderen imperialistischen Ländern, was die Frage aufwirft, wie die USA ihre politischen und militärischen Ressourcen auf die beiden Regionen verteilt. In diesem Kontext kann auch der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan als eine Freimachung von Ressourcen für andere Gebiete interpretiert werden.

    In der Ukraine ringen historisch betrachtet Russland und Deutschland um eine Ausweitung ihrer Einflussgebiete, weshalb die USA hier um Kontrolle bemüht ist, um die beiden konkurrierenden Mächte in ihre Schranken zu weisen. Die Bedeutung Taiwans hat Ely Ratner, stellvertretender Verteidigungsminister der Biden-Regierung, im Dezember 2021 so zusammengefasst: „Taiwan liegt an einem kritischen Schnittpunkt der ersten Inselkette, dem Anker des Netzwerks amerikanischer Verbündeter und Partner – das sich vom japanischen Archipel über die Philippinen bis ins Südchinesische Meer erstreckt –, das für die Sicherheit der Region und der Verteidigung vitaler US-Interessen entscheidend ist.“ Darüber hinaus würden verschiedene Handelsrouten an Taiwan entlang führen.

    Sollte China Taiwan unter seine Kontrolle bringen, wäre die Inselkette aus US-Verbündeten vor der eigenen Küste, bestehend aus Japan, Taiwan und den Philippinen, durchbrochen. Somit hätte Peking dann freie Bahn zur Kontrolle des Westpazifiks, was auch die US-Militärstützpunkte in der Region verwundbar machen würde.

    Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die chinesische Eroberung Taiwans eine große geopolitische Niederlage für die USA wäre, weshalb die Region eine hohe Präsenz des US-Militärs erfordert. Da die Eskalation in der Ukraine droht, militärische Ressourcen der USA in Osteuropa zu binden, könnte dies günstigere Bedingungen für China schaffen, um Taiwan anzugreifen und die Kräfteverhältnisse im südchinesischen Meer zu seinen Gunsten zu verändern. Taiwan wird damit mehr und mehr zum Pulverfass.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News