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Samstag, April 27, 2024
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    Wen die steigenden Preise am stärksten treffen

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    Teuerung ist nicht gleich Teuerung. Arme Haushalte und Familien sind viel stärker von steigenden Preisen betroffen als wohlhabende Singles.

    Schon im Mai betrug die Inflationsrate 7,9%, im Juni ist sie nach offiziellen Angaben auf 7,6% Prozent gefallen, für Juli muss wohl aber mit einem erneuten scharfen Anstieg der Inflationsrate gerechnet werden.

    Für einen Großteil der Arbeiter:innen in diesem Land ist diese Entwicklung ohnehin schon Sorge Nummer 1. Hinzu kommt noch, dass die Teuerung der Waren nicht alle gleich stark trifft.

    Die offizielle Inflationsrate gewichtet zwar die Waren nach einem bestimmten Schlüssel unterschiedlich – je nachdem, wie groß der Anteil der Ausgaben eines durchschnittlichen Haushalts für eine bestimmte Ware ist. So werden die momentan explodierenden Energie- und Heizkosten stärker in der Ermittlung der Inflationsrate berücksichtigt als die Preisentwicklung bei zum Beispiel Campingausrüstung.

    Jedoch wird die Ausgabenstruktur anhand eines Durchschnittshaushalts ermittelt. Wenn man darüber nachdenkt, ist es aber sehr einleuchtend, dass nicht alle Haushalte ihr Geld für die gleichen Dinge ausgeben. Familien mit Kindern benötigen z.B. andere Produkte als Singles und arme Haushalte können sich so manchen „Luxus“ nicht leisten, der in wohlhabenderen Haushalten ganz normal ist.

    Daraus ergibt sich, dass Haushalte mit unterschiedlicher Zusammensetzung und unterschiedlichem Einkommen auch jeweils unterschiedlich von der Teuerung betroffen sind, abhängig davon, welche Produkte gerade besonders stark im Preis steigen.

    Momentan lässt sich das Ergebnis relativ übersichtlich zusammenfassen: Für arme Menschen ist die Inflation spürbarer als für wohlhabendere und für Familien schlägt sie stärker zu Buche als für Singles. Dies ergibt sich aus Zahlen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), das zur Hans-Böckler-Stiftung gehört.

    Die Zahlen beziehen sich dabei auf Mai 2022. Die durchschnittliche Teuerungsrate lag in diesem Monat bei 7,9%. Für die armen Familien, also Paare mit zwei Kindern und einem Haushaltseinkommen von 2.000 € bis 2.600 € lag die Inflationsrate im Durchschnitt jedoch bei 8,9%, wenn ihre spezielle Ausgabenstruktur berücksichtigt wird. Alleinlebende Menschen mit einem Monatseinkommen von über 5.000 € bekamen im Durchschnitt hingegen nur eine Teuerung von 6,5% zu spüren.

    Der Grund für diese Entwicklung liegt darin, dass gerade Ausgabeposten wie Haushaltsenergie, Nahrungsmittel und Kraftstoffe von Familien kaum eingespart werden können, gerade wenn es sich um arme Familien handelt, die ohnehin schon im Supermarkt gezwungen waren, günstige Produkte zu kaufen.

    Konsument:innen, die zuvor auch mal teurere Markenprodukte gekauft hatten, lassen diese zunehmend im Regal stehen und entscheiden sich für preiswertere Alternativen. Erschwerend kommt hinzu, dass die ärmsten Haushalte auch oft keinerlei Vermögen haben, auf das sie zurückgreifen können, um einen Teil der erheblichen Mehrausgaben gegenzufinanzieren.

    Dieser Trend dürfte sich nach Einschätzung des IMK sogar noch weiter verschärfen „ da bisher noch nicht alle Preissteigerungen von Haushaltsenergie im Großhandel an die Privathaushalte weitergegeben wurden.“

    Manche Leser:innen könnten an dieser Stelle vielleicht einwenden, dass es eine Binsenweisheit ist, dass die Teuerung ärmeren Menschen „mehr wehtut“. Natürlich ist das richtig; es macht einen enormen Unterschied, ob ein Single auf den zweiten Urlaub im Jahr verzichtet, um die Teuerung aufzufangen oder ob eine fünfköpfige Familie, die sich ohnehin schon seit Jahren keinen Urlaub mehr leisten kann, nun beim Mittagessen auf Gemüse und Fleisch verzichtet, weil die Kosten für Lebensmittel zunehmend durch die Decke gehen.

    Hervorzuheben ist aber, dass „reichere“ Haushalte, die sich gerade in Punkten wie “Freizeit und Kultur”, sonstigen Ausgaben für Verkehr (neue Autos oder Zugtickets) oder Gesundheitspflege deutlich mehr leisten können als ärmere Haushalte, für die solche Ausgaben als „Luxus“ gelten, ausgerechnet in den Bereichen dieser „Luxus-Produkte“ vergleichsweise niedrigere Preissteigerungen erleben.

    Das war durchaus nicht immer so, ganz im Gegenteil, wir erleben hier gerade eine Trendwende darin, welche Produkte besonders schnell im Preis steigen. Im Jahr 2021 waren nach Angaben des IMK beispielsweise alleinstehende, aber arme Singles diejenigen, die am wenigsten von der Teuerung betroffen waren, weil zu diesem Zeitpunkt gerade die Preise für Dienstleistungen im Reise-, Kultur- und Freizeitbereich schneller teurer wurden als zum Beispiel Lebensmittel.

     

     

     

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