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Dienstag, Oktober 15, 2024
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    Drei Mal Krankenwagen – Massiver Polizeieinsatz gegen „langen Marsch“ kurdischer Jugendlicher

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    Regelmäßig führen junge Aktivist:innen der kurdischen Freiheitsbewegung einen „langen Marsch“ durch, mit dem sie zu Fuß mehrere dutzend Kilometer zurücklegen. Bei der Etappe nach Köln kam es zu einen massiven Polizeieinsatz gegen die Demonstration. Auslöser sei eine Personalienfeststellung wegen einer PKK-Parole gewesen. Der Polizeikessel wurde acht Stunden aufrecht erhalten – mehrfach musste der Krankenwagen wegen kollabierender Demonstrierender anrücken.

    Am Mittwoch fand die fünfte Etappe des „langen Marschs“ kurdischer Jugendlicher von Essen nach Aachen statt. Zu Beginn hatten über 100 junge Kurd:innen und internationalistische Unterstützer:innen vor dem Leverkusener Chemiepark gegen Chemiewaffen demonstriert.

    Anschließend setze sich der Protestzug in Richtung Köln in Bewegung. Wie die Polizei Essen auf Anfrage von Perspektive Online mitteilte, habe eine Person während des Laufens mehrfach „PKK-Parolen“ angestimmt.

    Gegen 17:00 Uhr habe man deshalb einen 27-Jährigen Mann irakischer Staatsangehörigkeit herausgegriffen, um seine Personalien aufgrund eines Verstoßes gegen das Vereinsgesetz festzustellen – die kurdische Arbeiterpartei PKK ist in Deutschland verboten.

    Dabei habe sich dann die Menge solidarisiert. Eine 19-jährige Frau türkischer Staatsangehörigkeit sei wegen vorgeblicher Schläge mit einer Fahnenstange ebenfalls kurzzeitig festgesetzt worden.

    Acht Stunden Kessel

    Schon in Köln-Nippes hatte die Polizei versucht, Personalien festzustellen, was jedoch aufgrund von Solidarisierung untereinander nicht gelang. Im Stadtteil Mülheim kam es dann zum zweiten Zugriff.

    So wurde er gesamte Zug in der Kalk-Mülheimer-Straße gekesselt, um die Personalien aller Teilnehmenden festzustellen. Ein Reporter von Perspektive Online war vor Ort, Journalist:innen wurden jedoch nicht zu dem Kessel vorgelassen, der weiträumig abgesperrt war. Aus der Ferne waren immer wieder Schreie zu hören. Mehrfach ging die Polizei hart gegen Demonstrierende vor, um diese aus ihrer Verkettung herauszulösen.

    Eine Person mit einer Angststörung wurde erst auf intensives Drängen einer Anwältin aus der Polizeimaßnahme hinaus geleitet.

    Betroffene aus dem Polizeikessel berichteten, dass ihnen Wasser und Essen verwehrt wurden, ebenso der Toilettengang. Auf Nachfrage wollte die Polizei Essen dies nicht kommentieren. Dreimal soll zudem ein Krankenwagen von Teilnehmenden gerufen worden sein. Hier erklärte die Polizei Essen, dass dies aus ihnen „nicht nachvollziehbaren Gründen“ geschehen sei.

    Erst gegen 3 Uhr morgens wurde die Polizeiaktion beendet. Zuvor waren Presse, Anwälte und solidarische Menschen von der Polizei vollständig aus der Straße zurückgedrängt worden.

    “Wir haben eher die zermürbt als die uns“.

    Die Polizei Essen erklärte, dass die ungewöhnliche Länge des Kessels von acht Stunden mit dem „zeitlichen Aufwand“ der Identitätsfeststellung zu erklären sei. Gegenüber der kurdischen Nachrichtenagentur ANF sprach eine Demonstrierende stattdessen von einem Zermürbungsversuch, der jedoch nicht aufgegangen sei: „Wir haben uns untergehakt, haben uns gegenseitig gestützt, und wir haben die ganze Zeit gesungen. Das war echt krass! Wir waren so wenige, aber wir haben eher die zermürbt als die uns“.

    Im Kessel sei es laut Polizei erneut zu Widerstandshandlungen gekommen: ein 26-jähriger Franzose, ein 29-Jähriger aus Österreich, ein 28-Jähriger aus Frankreich und ein 23-Jähriger aus der Schweiz seien kurzzeitig in Gewahrsam genommen, später jedoch wieder freigelassen worden. Insgesamt seien 33 Strafanzeigen gestellt worden, wozu noch Video-Material ausgewertet würde.

    “Versuch eine legale und legitime Aktion zu kriminalisieren”

    Die Jugendorganisationen TCŞ und TekoJin, die ebenfalls zu der Demonstration aufgerufen hatten, veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung, in der sie die Polizei-Aktion scharf kritisierten: „Wir verurteilen die Haltung der deutschen Regierung, die sich wie die Europa-Filiale des faschistischen türkischen Besatzerstaats verhält, und die Maßnahmen der deutschen Polizei, die die Rolle eines verlängerten Arms von Erdogans Polizei zu übernehmen scheint.”

    Die Demonstration der Jugendlichen sei legal und den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend angemeldet und genehmigt gewesen. “Durch die Angriffe versucht man, vom eigentlichen Thema der Demonstration abzulenken und eine legale und legitime Aktion zu kriminalisieren”, heißt es in der Erklärung.

    Am Freitag setzten sie ihren Protestzug in Aachen fort.

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