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Dienstag, März 19, 2024
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    Nach Standortschließung 600 Arbeitsplätze vernichtet – Interview mit einem Arbeiter von Borbet Solingen

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    Der Räderhersteller Borbet gab Ende November bekannt, den Standort in Solingen zu schließen. Damit verlieren rund 600 Menschen ihre Arbeitsstelle. Wir sprachen bei einer Protestaktion in Solingen mit einem der betroffenen Arbeiter.

    Borbet ist ein inhabergeführtes Familienunternehmen mit Hauptsitz im Sauerland. Das Unternehmen produziert Leichtmetall-Räder für große Automobilkonzerne wie Daimler. Neben dem Standort in Solingen, wo rund 700 Beschäftigte angestellt sind, gibt es noch Standorte in Thüringen, Bayern, im Sauerland und auch in Österreich, Südafrika und den USA.

    Der Standort in Solingen ist der einzige mit fester Tarifbindung. Hinzu kommt, dass die Belegschaft dort besonders gut organisiert und kämpferisch ist. Laut Gewerkschaftern soll die Geschäftsführung deshalb lukrative Aufträge vom Solinger Standort abgezogen und an die tariffreien Standorte vergeben haben.

    Es wird von einer bewusst herbeigeführten Minderauslastung des Werkes und einer dadurch hervorgerufenen, selbst verschuldeten Insolvenz ausgegangen. Wir besuchten die Protestdemonstration der kämpferischen Belegschaft und sprachen mit einem Arbeiter über die Situation und ihre Forderungen.

    Wer sind Sie und weswegen sind Sie heute auf der Straße?

    Meine Name ist Akar Nurettin, ich bin ein Betriebsratsmitglied von Borbet Solingen.
    Borbet hat ein Verfahren zur Insolvenz in Eigenverwaltung eröffnet. Das ist momentan populär bei Unternehmen, die ihre unbequemen oder teuren Mitarbeiter loswerden wollen. Um dagegen zu protestieren und unsere Rechte einzufordern, sind wir heute auf der Straße.

    Der Arbeitskampf bei Borbet geht schon etwas länger, kurz vor Weihnachten wurde verkündet, dass Borbet hunderte auf die Straße setzen wird. Was war die Reaktion der Belegschaft?

    Erstmal waren viele fassungslos, sie konnten es gar nicht verstehen. Keiner hat wirklich daran geglaubt, dass das Werk geschlossen werden könnte. Borbet hat viele Standorte in Deutschland, gerade dieser Standort von Borbet ist bekannt dafür, sehr hochqualitative Räder zu gießen. Deswegen hat die Belegschaft gedacht, dass sie nicht gekündigt werden könnte. Wir haben zwar verstanden, dass sie Verkleinerungen geplant haben, aber mit diesen massiven Kündigungen hat niemand gerechnet.

    Es gab im Vorhinein auch einen großen Konflikt zwischen Betriebsrat und der Unternehmensführung. Können Sie das nochmal genauer erläutern?

    Dieser Konflikt liegt schon zwei oder drei Jahre zurück. Er ging so aus, dass ein neuer, arbeitgeberfreundlicher Betriebsrat gewählt wurde. Mit dieser Betriebsratswahl ist genau das passiert, was die Unternehmensführung sich erhofft hatte. Nur so konnte der Weg für die Insolvenzverwaltung und das, wogegen wir heute protestieren, frei gemacht werden.

    Der Protest hält weiter an. Was ist aktuell die Lage?

    Es gibt jeden Tag um 13 Uhr direkt vor dem Betriebstor in Solingen eine Mahnwache. Wir wollen weiter protestieren, bis unsere Forderungen erfüllt werden. Wir fordern, sollte Borbet wirklich insolvent sein, was wir anzweifeln, und damit die 60 Millionen zurückerhalten, die als Investitionen ins Werk geflossen sind, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter die Hälfte davon als Abfindung erhalten, also 30 Millionen.

    Und wir stellen auch Forderungen gegenüber dem Staat auf. Wenn sie 700 Milliarden für die Bankenrettung und für die Rettung von Großkonzernen ausgeben, sollen sie doch lieber den Leuten das Geld geben. Anstelle 100 Milliarden für den Krieg zu investieren, können sie das Geld auch in die Leute investieren.

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