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Sonntag, April 28, 2024
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    Jährlich grüßt der Verfassungsschutz: Verfassungsschutzbericht 2022 veröffentlicht

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    Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat wieder seinen alljährlichen Bericht veröffentlicht. – Ein Kommentar von Ali Najjar.

    Im Verfassungsschutzbericht 2022 ist die Rede von einem „Höchststand“ an extremistischen Straftaten. Der Verfassungsschutz bezeichnet sich als „ein unverzichtbares Instrument der wehrhaften Demokratie”.

    Dabei sind die Verstrickungen des Inlandsgeheimdienstes mit rechtsterroristischen Netzwerken für jeden, der es wissen will, bis ins Detail belegt.

    Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist einer von drei Geheimdiensten der BRD. Die zwei weiteren sind der Bundesnachrichtendienst (BND) als Auslandsgeheimdienst  und der Militärische Abschirmdienst (MAD).

    Aufgebaut wurde der Verfassungsschutz von SS- und SA-Angehörigen, sowie ranghohen NSDAP-Mitgliedern und faschistischen Juristen, wie etwa Hubert Schrübbers, Leiter des Verfassungsschutzes von 1955 – 1972.

    Die Kontinuitäten in dieser Organisation aus dem Faschismus heraus überraschen nicht. Unmittelbar nach dem Ende des 2. Weltkrieges galten aus Sicht der West-Alliierten viele „alte Kameraden“ als zuverlässige Partner im Kampf gegen den Kommunismus. Die erste Generation an alten Nazi-Kadern aus der Zeit der jungen BRD ist zwar ausgestorben, aber ihre Überzeugungen und ihre Politik im Verfassungsschutz leben bis heute fort.

    Eine klare ideologische Prägung

    Der Verfassungsschutz und andere Geheimdienste wurden als Kampforganisationen gegen den Kommunismus geschaffen. So berichtet Reinhard Gehlen über den Zweck der schon im Jahre 1946 gegründeten „Organisation Gehlen“, dass dieser darin bestand, „eine deutsche nachrichtendienstliche Organisation unter Benutzung des vorhandenen Potenzials [zu schaffen], die nach Osten aufklärt bzw. die alte Arbeit im gleichen Sinn fortsetzt. Die Grundlage ist das gemeinsame Interesse an der Verteidigung gegen den Kommunismus.“

    Reinhard Gehlen gilt als Vordenker und zentraler Organisator der geheimdienstlichen Strukturen der BRD. Während des Faschismus arbeitete er bereits für den Auslandsgeheimdienst der Nazis und wirkte als Generalmajor der Wehrmacht an der Organisation des Überfalls auf die Sowjetunion mit. Die nach ihm benannte Organisation ist die direkte Vorgängerstruktur des Bundesnachrichtendienstes (BND).
    Spätestens die Enthüllungen rund um den NSU-Prozess und den Mord an Walter Lübke legten offen: Noch heute wirkt der Verfassungsschutz aktiv am Aufbau rechter Struktur mit.

    Wer ist hier „extrem“?

    Ohnehin sollten wir den Maßstab hinterfragen, nach dem Strömungen, Gruppen und Personen hierzulande als extremistisch eingeschätzt werden. Die Demokratie in diesem Staat, die sich hier als „wehrhaft“ beweisen will, ist nicht „neutral“ und nicht die Antithese zu jeglichem „Extremismus“.

    Dieses System ist auf Ausbeutung gegründet und ist prinzipiell jederzeit bereit, auch extreme Mittel anzuwenden, um sich die beherrschte Masse gefügig zu machen. Dies schließt auch die Möglichkeit der Errichtung einer faschistischen Herrschaft ein. Das beweist die Geschichte Deutschlands und belegen gegenwärtig die fließenden Übergänge zwischen den Organen des vermeintlichen „Rechtsstaats“ und den faschistischen Strukturen.

    Dass auch faschistische Organisationen im Verfassungsschutzbericht gelistet sind, müssen wir als Augenwischerei und Verschleierung erkennen. Oft wurden die Verflechtungen mit eben jenen Strukturen unter dem Vorwand der Beobachtung mit Hilfe von V-Männern aufgebaut und gepflegt.

    Wieder sind viele antifaschistische Organisationen im Bericht gelistet. Daneben finden sich auch Strukturen aus der sogenannten Rubrik des „Auslandsbezogenen Extremismus“, wie etwa die PFLP oder die PKK, die an antikolonialen Kämpfen in Palästina und Kurdistan beteiligt sind. Die Berichte des Verfassungsschutzes auf Bundes- oder Landesebene sind eine sehr selektive politische Kommunikation.

    Es wird nur ein Bruchteil dessen mitgeteilt, was die Behörden wissen, mit dem Ziel der Einschüchterung und Denunziation. Man sollte die Berichte also vielleicht nicht allzu ernst nehmen. Klar muss aber für alle aufrichtigen Antifaschist:innen sein: Wenn es um die Bekämpfung des Faschismus geht, kann langfristig keine staatliche Institution wie der Verfassungsschutz ein Partner sein.

    • Muslimischer Sozialist aus Berlin und Perspektive-Autor seit 2023. Fördert gern revolutionären Optimismus und Desillusionierung über den bürgerlichen Staat. Student der Sprachwissenschaften und Palästinenser.

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