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Samstag, April 27, 2024
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    FDP vs. Grüne? – Bürgerliche Machtkämpfe um unsere Steuern

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    Familienministerin Lisa Paus (Grüne) blockiert Finanzminister Lindners (FDP) “Wachstumschancengesetz”, das Steuererleichterungen für Unternehmen vorsieht, um damit Zugeständnisse für ihre „Kindergrundsicherung“ zu erreichen. Beides dient dem Wirtschaftswachstum. Die beiden liberalen Lager ringen im Grunde darum, wer die Macht besitzt, die Milliarden an Steuergeldern der Arbeiter:innenklasse zu verteilen – und an wen. – Ein Kommentar von Ahmad Al-Balah.

    Anders als geplant verabschiedete das Kabinett am Mittwoch das sogenannte „Wachstumschancengesetz“ von Finanzminister Christian Lindner (FDP) nicht. Rund 6,5 Milliarden Euro unserer Steuergelder sollten im Zuge dessen an Unternehmen fließen.

    Familienministerin Paus blockiere das Vorhaben aus „sachfremden Gründen“, wie es daraufhin vom Finanzministerium hieß. Allen Beteiligten ist klar, dass die Familienministerin damit mehr Geld für das „wichtigste Projekt ihrer Amtszeit“ herausschlagen wollte. Hinter dem mit viel Tamtam angekündigten Projekt verbirgt sich bei näherem Hinsehen, dass Kindergeld und Bürgergeld (früher Hartz IV) für arme Kinder einfach zusammengelegt werden.

    Die Minister:innen Lindner und Paus liefern sich seit Monaten einen Streit über das Budget der Kindergrundsicherung, die 2025 in Kraft treten soll. Die Familienministerin hatte dafür ursprünglich zwölf Milliarden Euro veranschlagt, Lindner aber nur zwei Milliarden eingeplant.

    Existenzminimum für Kinder: FDP blockiert Maßnahme gegen Kinderarmut

    Die „Kindergrundsicherung“ – eine Farce?

    Paus habe nach eigenen Angaben grundsätzlich kein Problem mit den 6,5 Milliarden Euro Steuergeschenken an Unternehmen im Rahmen des „Wachstumschancengesetzes“. Der Finanzminister solle jedoch mehr Geld für das ihr so wichtige Projekt bewilligen, das inzwischen auch nur noch maximal sieben Milliarden Euro koste.

    Damit rückt Paus bereits um fünf Milliarden Euro von ihrer ursprünglichen Berechnung ab. Bedenkt man, dass der Sozialverband “VdK” 24 Milliarden Euro für eine funktionierende Kindergrundsicherung berechnet hat, erscheint das gesamte „Projekt“ von Anfang an scheinheilig.

    Paus verweist auch auf Haushaltskürzungen für die Familienpolitik durch den FDP-Finanzminister von 500 Millionen Euro pro Jahr. Wenn gespart werden müsse, sei die Prioritätensetzung eine „besondere Herausforderung“. Gerade in schwierigen Zeiten sei es wichtig, in den „sozialen Zusammenhalt zu investieren“, so Paus. In diesem Punkt scheinen sich die bürgerlichen Parteien einig: Einen Hauch Soziales zur Befriedung der Arbeiter:innen, milliardenschwere Subventionen für Großkonzerne und das Militär.

    Derweil nehmen die Armut unter Arbeiter:innen und speziell die Kinderarmut enorm zu. Laut aktuellem Bericht der “Bertelsmann-Stiftung” wächst mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut auf – insgesamt 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Gerade für Alleinerziehende bedeutet dies eine extreme Belastung. Doch unsere bürgerlichen Parteien und Minister:innen haben offensichtlich ganz andere Interessen im Blick.

    Paus „halte nichts davon, wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen oder höhere Verteidigungsausgaben gegen mehr Mittel für armutsbedrohte Familien auszuspielen”. Warum sie dies trotzdem tut, ist wohl den machtpolitischen Umständen geschuldet: Die gesamte FDP, der Kanzler sowie der realpolitische Flügel rund um Wirtschaftsminister Habeck sind für die Subventionen.

    Welche Rolle spielen die Kürzungen bei der Kindergrundsicherung für die Arbeiter:innenklasse?

    Umverteilung von unten nach oben

    Das „Wachstumschancengesetz“ sieht die Verteilung von 6,5 Milliarden Euro aus Steuergeldern in Form von Prämien für Unternehmen vor, die in klimafreundliche Technologien und Produktionsweisen investieren. Durch den ökoliberalen Touch wird klar, wie die Einigung mit dem Grünen-Wirtschaftsminister Habeck zustande kam. Hinzu kommen diverse Steuererleichterungen, etwa durch eine bessere Verrechnung von Gewinnen mit Verlusten und eine großzügigere Forschungsförderung. 

    Auch die Kindergrundsicherung wird maßgeblich aus den Steuern von uns Arbeiter:innen finanziert. Denn käme sie dann wirklich den Kindern anderer Arbeiter:innen zugute, entspräche sie einfach nur einer Umverteilung innerhalb der Arbeiter:innenklasse – die Reichen werden hier nicht gesondert zur Kasse gebeten. Was die bürgerliche Politik jetzt jedoch faktisch vorschlägt, würde sogar bedeuten, den für die Kindersicherung reservierten Betrag zu kürzen, um die Gelder kapitalistischen Großunternehmen oder dem Militär zur Kriegsführung in die Hände zu spielen.

    Zudem muss uns bewusst werden: Egal, ob der staatliche Zuschuss nun “Kinder-Hartz-IV”, “Kindergeld” oder “Kindergrundsicherung” heißen wird – es sind letztlich alles Ersatzleistungen für die zu geringen Löhne der Unternehmen. Sie dienen dazu, Arbeiter:innenfamilien gerade so über Wasser zu halten (damit diese weiter arbeiten gehen können) und Unternehmen damit einen Teil der Lohnzahlung abzunehmen. Auch in dieser Hinsicht werden die Steuergelder der Arbeiter:innenklasse nicht verwendet, um deren Leben zu verbessern, sondern die Profite der Kapitalist:innen zu sichern – durch die Hand bürgerlicher Parteien.

    Derselbe Kapitalismus, verschiedene Parteien

    Daher sei es auch so „absurd“, dass die Familienministerin ein Gesetz blockiere, das die Wirtschaft dringend erwartet und dem ihr eigener Wirtschaftsminister intern bereits zugestimmt habe, verlautete ein Regierungsvertreter gegenüber dem Handelsblatt. Ein anderer Regierungsvertreter meinte empört, man dürfe doch „nicht Geld für Soziales gegen Mittel aufrechnen, die unsere Wirtschaftskraft erhalten“.

    Laut FDP-Parlamentsgeschäftsführer Johannes Vogel habe Frau Paus nämlich den „Kern jeder Sozialstaatlichkeit“ nicht verstanden: die Wirtschaft. Das Wachstumschancen-Gesetz könne hier (im Sinne der Umverteilung) „nur der Auftakt sein.“ Weitere Angriffe auf unsere Klasse sind also zu erwarten.

    Letztlich handelt es sich um einen politischen Machtkampf zwischen zwei bürgerlichen Lagern – der aggressiv-neoliberalen FDP und den ökoliberalen Grünen – um die Verfügungsgewalt über staatliche Mittel, also über die Steuern aus unserer Arbeit.

    Dieser spiegelt sich nun auch innerhalb der grünen Partei wieder, wo der herrschende “realpolitische” Flügel um Wirtschaftsminister Habeck und Außenministerin Baerbock unüberhörbar vom linksliberalen Flügel, dem auch Familienministerin Paus angehört, für seine Politik angegangen wird – zuletzt wegen der Zustimmung zur Verschärfung der Asylpolitik.

    Während klar wird, dass dieser Meinungsstreit nicht im Interesse von uns Arbeiter:innen geführt wird, schaut sich die SPD um Bundeskanzler Olaf Scholz das Ganze in Ruhe an. Sie kann dabei nur gewinnen: Die Kindergrundsicherung kommt als soziale Maßnahme bei der Wählerschaft gut an. Wie viel am Ende dabei rumspringt, ist zweitrangig, und bei Kritik kann leicht auf die Grünen oder die FDP verwiesen werden.  Derweil fließt mit dem “Wachstumschancengesetz” Geld in große Unternehmen und unterstützt das deutsche Wirtschaftswachstum – beides Vorhaben, welche die SPD-Politiker:innen an der Macht halten.

    • Ahmad Al-Balah ist Perspektive-Autor seit 2022. Er lebt und schreibt von Berlin aus. Dort arbeitet Ahmad bei einer NGO, hier schreibt er zu Antifaschismus, den Hintergründen von Imperialismus und dem Klassenkampf in Deutschland. Ahmad gilt in Berlin als Fußballtalent - über die Kreisliga ging’s jedoch nie hinaus.

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