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Samstag, April 27, 2024
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    Wirtschaftskrise: Chemieindustrie kündigt Sparprogramme an

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    Deutschlands Chemiekonzerne beklagen Absatzeinbrüche und rechnen in diesem Jahr nicht mehr mit einer Erholung der Weltwirtschaft. Damit dürften auch andere Industriezweige von der Überproduktionskrise betroffen sein — denn die Chemieindustrie beliefert auch die Auto-, Elektro-, Bau- und Konsumgüterbranche.

    Die deutschen Chemiekonzerne kämpfen mit den Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Am Donnerstag verkündete das Essener Unternehmen Evonik einen Gewinneinbruch um 38% im zweiten Quartal: „Derart schwache Absatzmengen haben wir lange nicht erlebt, über solch einen langen Zeitraum vielleicht noch nie“, so CEO Christian Kullmann. Zuvor hatten unter anderem Lanxess (- 58%), Covestro (-30%) und BASF (- 44%) ähnlich schlechte Gewinnergebnisse präsentiert.

    Die schlechten Wirtschaftszahlen aus der Chemieindustrie lassen darauf schließen, dass auch andere Zweige des deutschen Kapitals von einer Überproduktionskrise betroffen sind. Schließlich beliefert die Branche fast alle verarbeitenden Industrien wie die Auto-, Elektronik, Bau- und Konsumgüterindustrie mit Chemikalien und Kunststoffen. Umsatz- und Gewinneinbrüche sowie dürftige Auftragszahlen in der Chemiebranche gelten daher als Frühindikator kapitalistischer Überproduktionskrisen.

    Die Chemiekonzerne verweisen aktuell zudem auf enttäuschende Zahlen aus China. Von dort hatte man sich nach dem Ende des jahrelangen Corona-Lockdowns ein Durchstarten der Wirtschaft erhofft. Schon das letzte Jahr hatte für die Chemiebranche in Deutschland nicht rosig ausgesehen, als sie im Zuge der Energiekrise immer wieder mit Produktionsausfällen zu kämpfen hatte.

    Auf die Krise reagieren die Konzerne nun mit Sparprogrammen. BASF etwa will seine Kosten in diesem Jahr um 300 Millionen Euro senken und mehrere energieintensive Anlagen stilllegen. Evonik plant, seine Investitionsausgaben auf 850 Millionen Euro zu begrenzen und hat einen Einstellungsstopp verhängt. Der Konzern Brenntag wiederum will 20 Standorte weltweit schließen und 300 Stellen im Zuge der üblichen Mitarbeiterfluktuation nicht neu besetzen.

    Lanxess hat angekündigt, in diesem Jahr 100 Millionen Euro einzusparen und ebenfalls einen europaweiten Einstellungsstopp verhängt. Zudem will der Kölner Konzern energieintensive Produktionsbereiche wie etwa am Standort Krefeld-Uerdingen in den nächsten Jahren schließen. Lanxess-Chef Matthias Zachert sprach davon, dass damit die „Deindustrialisierung in Deutschland“ begonnen habe.

    Von der Wirtschaftskrise zur Kriegswirtschaft

    Für das laufende Jahr sehen die Vorstände der Chemiekonzerne noch keine Anzeichen für eine wirtschaftliche Erholung. Evonik etwa geht davon aus, dass sich die Schwäche der weltweiten Konjunktur bis weit ins erste Quartal 2024 ziehen könnte.

    Die aktuelle Überproduktionskrise hatte sich zunächst zum Jahreswechsel 2022/2023 in der Tech-Industrie gezeigt, als Amazon, Microsoft, Zoom und andere Konzerne nach ihrem jahrelangen Corona-Boom Überkapazitäten abgebaut und zehntausende Jobs gestrichen haben. Zum Jahresbeginn folgte eine Reihe von spektakulären Bankenpleiten (u.a. Silicon Valley Bank, Credit Suisse), die zum Teil eng mit der Tech-Krise in Verbindung standen.

    Auch die weltweiten Immobilienmärkte zeigten da schon deutliche Krisenanzeichen. Die weiter schlechten Geschäftszahlen der Chemiebranche bekräftigen nun, dass auch die Kernbereiche der kapitalistischen Industrien von einer Überproduktionskrise betroffen sind. Die deutsche Industrieproduktion hatte dabei ihr Vorkrisenniveau von 2017 noch nicht wieder erreicht: Wie das Statistik-Portal Statista zutreffend beschreibt, stottert „der Motor der deutschen Wirtschaft seit Jahren“.

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