`
Sonntag, April 28, 2024
More

    Innere Aufrüstung: Veteranenkultur in Deutschland?!

    Teilen

    Spätestens seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs versucht der deutsche Staat, die Begeisterung für die Bundeswehr zu steigern. Nun flammen Diskussionen über eine deutsche Veteranenkultur auf. Was steckt dahinter ? – Ein Kommentar von Herbert Scholle

    Vom 9. bis zum 16. September fanden in Düsseldorf die “Invictus Games” statt, eine Sportveranstaltung für verwundete oder erkrankte Soldat:innen und ehemalige Streitkräfte. Im Rahmen dieses Events sprach sich der Deutsche Bundeswehrverband (DBwV), als Interessensvertretung des deutschen Militärs, und allen voran sein Vorsitzender, Oberst André Wüstner, für eine Veteranenkultur in Deutschland aus.

    „Wir brauchen endlich ein umfassendes Veteranenkonzept für die Bundeswehr“, fordert er und erachtet den jetzigen Zeitpunkt wegen der „Bedrohung Deutschlands und der freien Welt“ als richtig und notwendig für den Aufbau einer Veteranenkultur in Deutschland. Auch die CDU-/CSU-Fraktion im Bundestag schließt sich dieser Polemik an. So will sie dort bereits am 21. September eine Diskussion über einen nationalen “Veteranentag” fordern.

    Wem kommt eine Veteranenkultur zu Gute?

    Dass es dem DBwV und der Bundeswehr bei ihrer Vorstellung zu einer Veteranenkultur nicht unbedingt um das Wohl ehemaliger Soldat:innen geht, zeigt allein Wüstners Rhetorik: Obwohl er überschwänglich von Anerkennung, Wertschätzung und der „Bedrohung Deutschlands“ faselt, verliert er beispielsweise kein Wort über die medizinische Versorgung ehemaliger Soldat:innen. Diese ist hierzulande nämlich eher mangelhaft: Insbesondere Soldat:innen, die an posttraumatischen Belastungsstörungen leiden, haben oft Schwierigkeiten, diese anerkannt zu bekommen, geschweige denn eine angemessene Behandlung zu erhalten.

    So kann man rasch erkennen: bei der sogenannten „Veteranenkultur“ geht es überhaupt nicht um die Veteran:innen als Personen. Nachdem Soldat:innen im Interesse des deutschen Kapitals in den Krieg gezogen und dabei oft auch erheblich zu Schaden gekommen sind, sind sie für die Bundeswehr, wenn überhaupt, nur noch zu Image-Zwecken nützlich. In Wirklichkeit geht es dem Staat bei Fragen wie einer Veteranenkultur im Grunde darum, das Ansehen des eigenen Militärs zu erhöhen und so die Kriegsbereitschaft der eigenen Bevölkerung zu steigern.

    Kriegstreiberei im Namen unserer Freiheit? – Warum wir nichts von der Aufrüstung haben

    Das vielleicht beste Beispiel hierfür sind die USA. Dort gibt es zwar eine besonders ausgeprägte Veteranenkultur: Ehemalige Soldat:innen sollen respektiert werden und bekommen z.B. gewisse Vorzüge, wie zum Beispiel kleine Rabatte beim Einkauf. Dies hilft dem US-Militär, neue Mitglieder zu werben. Währenddessen ist die medizinische Versorgung ehemaliger Soldat:innen in den USA jedoch noch weitaus schlechter als in Deutschland. Immer wieder hört man zum Beispiel Geschichten von Auseinandersetzungen mit Behörden, weil diese gewisse Leistungen einfach nicht auszahlen wollen.

    Was genau feiert eine Veteranenkultur wirklich?

    Statt Veteran:innen als Alibi vorzuschieben, sollte man sich eher darüber Gedanken machen, was mit einem Veteranentag tatsächlich gefeiert würde – nämlich das deutsche Militär selbst. Feierte man den Dienst der Soldat:innen für das Land, würde das deutsche Militär automatisch in ein positives, wohlwollendes Licht gerückt.

    An dieser Stelle sollte man vielleicht auch bedenken, wann es in Deutschland das letzte Mal eine Veteranenkultur gab, nämlich zur Zeit des Hitlerfaschismus. Diese Erzählung ist auch keineswegs aus der Luft gegriffen: Schließlich wurde die Bundeswehr ja aus den Trümmern der ehemaligen Wehrmacht aufgebaut, und viele Nazi-Funktionäre fanden sich 1955 in hohen Positionen des „neuen“ deutschen Militärs wieder. Gerade deshalb ist es besonders schamlos, dass Oberst Wüstner den 12. November, den Gründungstag der Bundeswehr, als Veteranentag vorschlägt.

    Wir brauchen keine Veteranenkultur, welche die deutsche Kriegsmaschinerie ankurbelt. Ganz im Gegenteil: Wir brauchen eine nachdrücklich-militante Erinnerungs- und Widerstandskultur. Denn wenn der deutsche Staat auf Kriegskurs geht und eine Veteranenkultur etabliert, ist klar, dass dabei vor allem die jüngeren deutschen Kriegsverbrechen wie z.B. das Kundus-Massaker in Afghanistan unter den Teppich gekehrt würden. Es ist deshalb jetzt an uns, gegen solche Geschichtsvergessenheit und die Aufrüstung Widerstand zu leisten.

    Mehr lesen

    Perspektive Online
    direkt auf dein Handy!

    Weitere News