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Sonntag, April 28, 2024
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    Antifaschismus bei der IG-Metall?! – Wohl kaum

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    Die designierte  IG Metall-Chefin Christiane Benner will einen besonderen Fokus auf die Bekämpfung der AfD legen. Wie will sie das erreichen und was heißt das für uns Arbeiter:innen? – Ein Kommentar von Herbert Scholle.

    Am 23. Oktober soll ein neuer Vorstand der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) gewählt werden. Nachdem Jörg Hofmann die letzten acht Jahre das Amt des ersten Vorsitzenden innehatte, wird er nicht erneut zur Wahl antreten. Doch seine Nachfolge scheint schon in trockenen Tüchern zu sein: Bereits im Mai hatte der derzeitige Vorstand einen Vorschlag für die Wahl im Oktober vorgelegt. Nach diesem soll die bisherige zweite Vorsitzende, Christiane Benner, die Gewerkschaft künftig als erste Frau in diesem Amt führen.

    Aber schon vor ihrer Wahl sorgt sie für Schlagzeilen: In einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen wurde Benner nämlich unter anderem auf den Höhenflug der AfD angesprochen. Diese entgegnete, zwar entsetzt „über das Erstarken der rechtsextremen Partei“ zu sein, doch sie gibt sich optimistisch: „Gerade wir als Gewerkschaft haben enorme Möglichkeiten, gegen den weiteren Aufstieg der AfD zu wirken“.

    Dafür müsse man ihrer Meinung nach „mithilfe von Gewerkschaften und Betriebsräten Menschen Sicherheit vermitteln, etwa indem sie weiter qualifiziert werden und bei all den Veränderungen eine gute Perspektive für sich sehen“. Außerdem brauche man mehr Mitbestimmung von Arbeiter:innen in den Betrieben.

    Was steckt hinter Benners Aussagen?

    Mehr Mitbestimmung und höhere Sicherheit für Arbeiter:innen – das klingt ja fast so, als würde die IG Metall sich richtig für ihre Mitglieder ins Zeug schmeißen wollen, oder? Nun ja, umso genauer man sich mit den Aussagen der BMW-Aufsichtsrätin befasst, desto mehr schwindet die Zuversicht in die Ernsthaftigkeit dieses Unterfangens. Schauen wir uns zuerst einmal an, was genau Benner meint, wenn sie von Sicherheit spricht:

    Im ersten Moment mag man vielleicht glauben, dass es sich um Jobsicherheit handelt, doch davon ist im ganzen Interview nicht einmal die Rede. Ganz im Gegenteil, wenn Benner von Sicherheit spricht, erwähnt sie im gleichen Atemzug Weiterbildung und Perspektiven. Anstatt die Sorge von Arbeiter:innen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, einzudämmen, scheint für Benner Umschulung und Weiterbildung die Lösung zu sein. Besonders in der Automobilindustrie soll das helfen: Benner möchte „für Beschäftigte, deren Arbeit durch den Umstieg auf die E-Mobilität wegfällt, neue Stellen in ihren alten oder neuen Betrieben schaffen”.

    Später prahlt sie sogar mit einem „erfolgreichen“ Beispiel: 2027 soll im Niedersächsischen Gifhorn ein Werk des Autozulieferers Continental geschlossen werden. Laut eigener Aussage war sie selbst daran beteiligt, eine Lösung für dieses Problem auszuarbeiten. Die Lösung: der Elektrohersteller Stiebel Eltron soll das Werk inklusive 300 der rund 900 Angestellten übernehmen und dort in Zukunft Wärmepumpen herstellen.

    Den Wegfall von fast zwei Dritteln aller Arbeitsplätze als Erfolg zu verkaufen, zeigt ganz offensichtlich, was wirklich hinter „höherer Sicherheit“ steckt – denn Benner geht es nicht darum, genügend Arbeitsplätze zu schaffen. Viel eher sollen, unabhängig vom hergestellten Produkt, mit den übernommenen Fachkräften weiterhin gute Profite für das deutsche Kapital gesichert werden. Für die Beschäftigten bedeutet das, nach 30 Jahren Arbeit im Betrieb plötzlich einen völlig neuen Beruf zu erlernen. Und das nur, um überhaupt noch eine kleine Chance auf Arbeit zu haben – so viel zumindest zu Benners Definition von „Sicherheit“.

    Mehr Mitbestimmung – was heißt das?

    Auch Benners Forderung nach mehr Mitbestimmung sollte man nicht zu viel Glauben schenken. Was zunächst wie ein tatsächlich fortschrittliches Ziel wirkt, stellt sich schnell als hohle Phrase heraus. Denn was genau mit mehr Mitbestimmung gemeint ist, oder wie diese umgesetzt werden soll, wird überhaupt nicht erklärt. Selbst wenn sie im Interview explizit darauf angesprochen wird, hat Benner nicht wirklich etwas zu sagen. Dazu kann sie sich als vom Vorstand vorgeschlagene Nachfolgerin für Hofmann schon Monate vor der Wahl sicher sein, dieses Amt künftig zu besetzen. Fast schon ironisch faselt sie dann im selben Atemzug von Mitbestimmung und Demokratie.

    In Wirklichkeit haben die IG-Metall Mitglieder in ihrer Gewerkschaft genauso viel Recht auf Mitbestimmung wie Recht auf Arbeit, nämlich fast gar keins. Forderungen werden von der Tarifkommission aufgestellt und vom Vorstand mit den Betriebschefs verhandelt, so wie es eben gang und gäbe bei allen anderen DGB-Gewerkschaften ist. Wie wir es in diesem Jahr bereits mehrfach sehen konnten, ist das Resultat dessen nicht gerade vielversprechend. Vielmehr wird der Reallohn in der Realität ein ganzes Stück nach unten gedrückt.

    Fazit

    Fassen wir mal zusammen: Christiane Benner will die AfD bekämpfen, indem sie für mehr Sicherheit und Mitbestimmung der Arbeiter:innen sorgen möchte. Sicherheit darf man hier wohl eher als Flexibilität zu Gunsten der Kapitalist:innen verstehen. Und was sie mit mehr Mitbestimmung meint, weiß sie scheinbar nicht einmal selbst. Wenn das ihr großer Plan ist, um „Menschen, auch wenn sie nach rechts abgedriftet sind [zurückzugewinnen]”, muss man sich nicht wundern, wenn die AfD ihre Erfolge weiter ausbaut.

    Das alles zeigt einmal mehr: Sowohl bei Arbeitskämpfen als auch beim Antifaschismus dürfen wir uns nicht auf Parlamentsparteien und die DGB-Gewerkschaften verlassen. Beide handeln faktisch im Interesse der Bosse und helfen tatkräftig bei der derzeitigen Senkung unseres Lebensstandards. Wenn wir tatsächlich etwas erreichen wollen, müssen wir selbst für unsere Interessen eintreten, sowohl im Betrieb als auch auf der Straße.

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