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Montag, April 29, 2024
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    Wie ein israelischer Anarchist das rassistische Rechtssystem in Palästina entlarven will

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    In Israel und Palästina unterscheidet auch das Rechtssystem rassistisch zwischen Israelis und Palästinenser:innen. Ein israelischer Anarchist, der davon eigentlich profitieren würde, will dieses System mit einem ungewöhnlichen Schritt entlarven.

    Seit einigen Jahren wird in Bezug auf den Staat Israel vermehrt von Apartheid gegenüber den Paästinenser:innen gesprochen. Insbesondere in Deutschland löst diese Vokabel immer wieder Kontroversen aus. Bei aller Komplexität, die das koloniale System in Palästina ausmacht, sind seine rassistischen Merkmale unverkennbar.

    Ein Regime, zwei Rechtsprechungen

    Der Staat Israel regiert heute uneingeschränkt in dem Gebiet zwischen Jordan und Mittelmeer. Obwohl Israel den Anspruch hat, eine bürgerliche Demokratie mit einem Rechtsstaat zu sein, finden wir zwei separate Rechtssysteme vor, die Menschen abhängig von Ethnie und Religion fundamental anders behandeln.

    Im Westjordanland, wo Israel eine Militärbesatzung aufrechterhält, kann der Unterschied besonders klar aufgezeigt werden. Hier zeigt sich: Für palästinensische Personen, die unter die Zuständigkeit der Militärverwaltung fallen, bestehen ein separates Gesetzbuch und Militärgerichte. Jüdische Personen mit israelischer Staatsbürgerschaft fallen unter die Zuständigkeit des normalen israelischen Zivilrechts.

    Ganz praktisch heißt dieser Unterschied zum Beispiel, dass ein Palästinenser oder eine Palästinenserin willkürlich und ohne Verurteilung verhaftet werden kann. Sie haben keinen Anspruch auf Rechtsbeistand und werden vor den Militärgerichten in nahezu 100% der Fälle verurteilt. Dass hier auch rassistische und nicht bloß bürokratisch-administrative Kategorien eine Rolle spielen, wird deutlich, wenn man sich die Details der zwei Rechtssysteme anschaut. So können auch Palästinenser:innen mit israelischer Staatsbürgerschaft leicht einem Militärgericht überstellt werden, wenn ihr Vergehen mit dem Westjordanland in Verbindung gebracht wird. Jüdische israelische Staatsbürger:innen hingegen werden auch dann als Zivilist:innen behandelt, wenn sie als Siedler:inne im vom Militär verwalteten Westjordanland leben. So kommt es dazu, dass die oftmals aggressiv auftretenden Siedler:innen wenig juristische Konsequenzen fürchten müssen, wenn sie etwa palästinensische Personen auf der Straße angreifen oder ihre Felder abbrennen. Hingegen sind Palästineser:innen in praktisch allen Lebensbereichen stark eingeschränkt und bleiben ohne Möglichkeit, legalen Widerstand gegen Angriffe zu leisten.

    Ein Israeli beantragt formell, vor ein Militärgericht gestellt zu werden

    Ein Fall, der aktuell dieses Missverhältnis erneut aufzeigt, ist der des anarchistischen Aktivisten Jonathan Pollak. Pollak engagiert sich schon seit vielen Jahren bei Protesten gegen die Militärbesatzung und wurde dabei auch mehrere Male verhaftet. Als jüdischer Israeli kam er aber vor die zivilen Gerichte, auch wenn er etwa in Dörfern im Westjordanland an Demonstrationen mitwirkte. Bei seiner jüngsten Festnahme Anfang diesen Jahres wurde von der israelischen Grenzpolizei eine Aussage gegen ihn fabriziert. Er kam zwar in Untersuchungshaft, aufgrund des institutionellen Privilegs im getrennten Rechtssystem steht Pollak aber ein ziviles Verfahren mit Anhörung zu.

    Anstatt das Verfahren aber einfach nur zu boykottieren, wurde von Jonathan Pollak und seinem Anwalt eine Kampagne gestartet, in der er formell beantragte, vor ein Militärgericht gestellt zu werden. Das wäre nämlich das übliche Vorgehen, wenn der verurteilte Pollak Palästinenser wäre mit dem Status eines rechtlosen Subjekts der Militärverwaltung. Die Kampagne zielt auf die Entlarvung der ungleichen kolonialen Rechtsprechung ab.

     

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