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Mittwoch, Oktober 16, 2024
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    Glasgow: Studierende protestieren nach Tod von ehemaliger Studentin in Gaza

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    Die israelische Armee hat bei einem Bombenangriff im Süden Gazas eine ehemalige Studentin aus Glasgow getötet. Die Universität Glasgow investiert dabei selbst Millionen in Rüstungsforschung, die Israel zugute kommt. Studierende protestieren nun für einen Stopp dieser Investitionen.

    Dima Abdullatif Mohammed Alhaj, eine ehemalige Masterstudentin der Universität Glasgow, wurde zusammen mit ihrem sechs Monate alten Baby, ihrem Ehemann und ihren beiden Brüdern im Gazastreifen ermordet. Dies teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Dienstag, dem 21. November 2023, auf Twitter/X mit.

    Die 29-Jährige starb, nachdem das Haus ihrer Eltern im südlichen Gazastreifen – wohin sie aus der Stadt Gaza evakuiert worden war – Ziel eines Bombenangriffs wurde. Berichten zufolge wurden bei dem Anschlag über 50 weitere Familien- und Gemeindemitglieder getötet, die im selben Haus Zuflucht gesucht hatten.

    Dima Alhaj arbeitete als Patientenverwalterin im Zentrum für den Wiederaufbau von Gliedmaßen, einem wichtigen Teil des Trauma- und Notfallteams der WHO. Von 2018 bis 2019 war sie im Rahmen des Erasmus-Austauschprogramms Masterstudentin an der Universität Glasgow in Schottland.

    Die Universität Glasgow reagierte auf den Post der WHO mit einem gebrochenen Herz-Emoji. Anton Muscatelli, der Rektor der Universität, äußerte sich Dienstagabend via Twitter: „Dies ist eine äußerst tragische Nachricht inmitten von Tausenden ähnlicher Geschichten von Trauer und Verzweiflung. Dima war vor ein paar Jahren Erasmus-Studentin an der Universität Glasgow – die Nachricht der WHO [Generaldirektorin] sagt alles. Wir teilen ihre Trauer um eine der Unsrigen. Waffenstillstand und sofortige Freilassung der Geiseln!“.

    Universität ist mitschuldig

    Muscatelli’s Ausdruck persönlichen Mitgefühls kann nicht davon ablenken, dass Appelle der Studierenden, welche die sofortige Desinvestition von Rüstungsindustrien fordern, seit Jahren unbeantwortet bleiben. Allein im Jahr 2022/23 investierte die Universität Glasgow mehr als 6,8 Millionen Pfund – umgerechnet etwa 7,8 Millionen Euro – in den Waffenhandel. Die Universität hat somit ihre Anteile an Rüstungsunternehmen seit 2020/21 mehr als verdoppelt.

    Hinzu kommt, dass die Universität Unternehmen wie beispielsweise Leonardo, BP und Shell auf Berufsmessen einlädt, wohlwissend, dass diese Unternehmen viel Geld in den Erhalt der israelischen Besatzungs- und Vertreibungspolitik gegen Palästinenser:innen investieren. Auch pflegt die Universität enge Beziehungen mit Rüstungsherstellern wie BAE Systems und Rolls Royce, von denen sie seit 2017 rund 700.000 Euro an Forschungsgeldern erhalten hat.

    Erst vor Kurzem machte eine Investigation des “Instituts für das Studium der Zivilgesellschaft” (Civitas) auf die engen Verbindungen zwischen einem Seniorprofessor der Universität Glasgow und dem chinesischen Militärforschungszentrum “CARDC” aufmerksam. Das “Forschungs- und Entwicklungszentrum für Aerodynamik in China” (CARDC) ist bekannt für seine Erforschung von Hyperschallraketen und AI-trainierten Kampfdrohnen.

    Studierende wehren sich

    Aufgrund der fehlenden Bereitschaft der Universität, Veränderungen herbeizuführen, kam es am Mittwoch auf dem Campus der Universität zu heftigen Protesten. Mitglieder des Student:innenkollektivs “Glasgow Against Arms and Fossil Fuels” (GAAF) besetzten das Bürogebäude der Universitätsleitung und störten eine Sitzung des Leitungsgremiums.

    Bereits am Montag adressierte GAAF einen offenen Brief an die Universitätsleitung: Darin forderte das Kollektiv den sofortigen Stopp aller Investitionen in Waffen- und Rüstungsindustrien, die Bereitstellung kostenloser Studiengebühren für vertriebene palästinensische Studierende und die Einführung von Stipendien aus humanitären Gründen im Zusammenhang mit dem andauernden Krieg.

    Debatte über Zivilklausel in Deutschland

    Das deutsche Verteidigungsministerium steckt jährlich über 50 Millionen Euro in die militärische Forschung an deutschen Hochschulen. Daher wird schon länger über eine flächendeckende Einführung einer sogenannten “Zivil- und Transparenzklausel” diskutiert. Mit einer “Zivilklausel” verpflichtet sich eine Hochschule zu einer friedlichen Forschung für rein zivile Zwecke und müsste somit eine Drittmittelfinanzierung von Konzernen oder Ministerien, die zu militärischen Zwecken forschen, ablehnen.

    Die “Transparenzklausel” erfordert die Offenlegung der Drittmittelfinanzierung im Allgemeinen und im Besonderen in den Bereichen Rüstungs- und Sicherheitsforschung. Die Einführung beider Klauseln soll dafür sorgen, dass die Wissenschaft nicht mehr so einfach für die Aufrüstungspolitik der deutschen Bundesregierung missbraucht werden kann. Bundesweit bestehen Zivilklauseln derzeit nur an etwa 70 Bildungseinrichtungen.

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