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Sonntag, April 28, 2024
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    Streikaktion in Potsdam: Kämpferisch in den Reallohnverlust

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    Miese Löhne, massive Belastungen – Beschäftigte berichten bei einer Streikkundgebung in Potsdam teils unter Tränen von ihren Arbeitsbedingungen. Die Gewerkschaften verhandeln seit Ende Oktober über einen neuen Tarifvertrag der Länder (TV-L). In der ersten Verhandlungsrunde gab es kein Angebot. Donnerstag gab es deshalb einen ersten Warnstreik von Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst Berlins. Auf einen Reallohnausgleich dürfen sie jedoch nicht hoffen.

    Am Donnerstag fand in Potsdam eine Streikkundgebung von Beschäftigten statt, die nach den Tarifverträgen TV-L- und TV Stud bezahlt werden. Die bundesweite Streikkundgebung startete um 11:00 Uhr am Kongresshotel und zählte rund 2.000 Teilnehmer:innen. Größtenteils waren Erzieher:innen von Kitas und Schulen aus mehreren Bundesländern angereist. Außerdem prägten Forst-Beschäftigte die Veranstaltung mit lauten Kettensägen und kämpferischen Redebeiträgen.

    Auch die studentischen Angestellten, die nach TV Stud-Vertrag bezahlt werden, waren in knallig pinken Westen zahlreich vertreten. Einen solchen Vertrag gibt es allerdings nur für Beschäftigte in Berlin. Alle anderen studentischen Beschäftigten versuchen derzeit, dies deutschlandweit zu erkämpfen. Die Gewerkschaft der Polizei nahm ebenfalls an der Kundgebung teil, auch Beschäftigte der Jugendämter waren vertreten.

    Alarmierende Eindrücke aus Reden der Beschäftigten

    In vielen Redebeiträgen beklagten die Arbeiter:innen die prekären Arbeitsbedingungen und berichteten von persönlichen Erfahrungen.

    In der Rede einer der Kitaerzieher:innen wurde ein Einblick in die schockierenden Verhältnisse gegeben: Permanenter Personalmangel stehe auf der Tagesordnung, sodass man ständig unter dem ohnehin schon zu knapp bemessenen Personalschlüssel bleibe. Ein Kollege schilderte, dass man so wenig Geld verdiene, dass manche ihr Gehalt mit Wohngeld aufstocken müssten.

    Von einer weiteren Erzieherin wurde in ihrer Rede appelliert, dass auch Eltern von Kita-Kindern sich solidarisieren sollten und sie selbst Mutter sei. Während ihres Vortrags begann sie zu weinen, als sie von den schockierenden Arbeitsbedingungen erzählte.

    „Der Reallohnverlust wird in Granit gemeißelt“

    Kettensägen und Forstarbeiter

    Die kämpferische Stimmung der Forstarbeiter:innen spiegelte sich nicht nur im lauten Brummen von laufenden Kettensägen wider, sondern auch in ihrem Redebeitrag. Unter anderem wurde angeprangert, dass die Förster:innen in die Gehaltsklasse “E5” eingruppiert sind, was für die Angestellten einen sehr niedrigen Lohn bedeute – und das bei den extremen Gefahren von Arbeitsunfällen, denen sie in ihrem Beruf permanent ausgesetzt seien. Ein Arbeiter, der sich beim “Stammtisch Landwirtschaft” der Organisation “Betriebskampf” engagiert, erzählte uns von Perspektive beispielsweise von seinem gestrigen Arbeitsunfall, bei dem sein Unterarm so schwer verletzt wurde, dass er nun für mehrere Wochen nicht arbeitsfähig sein wird.

    Auch ein Angestellter im Jugendamt verwies auf die mangelhaften Zustände im Sozialen Bereich. Sozialarbeiter:innen sind die Berufsgruppe, die unter dem größten Fachkräftemangel leidet  – lediglich bessere Arbeitsbedingungen könnten dem entgegenwirken.

    Eine Aktive der Gruppe Betriebskampf berichtete außerdem, dass die meisten Beschäftigten im Sozialen Bereich sich am Streik nicht einmal beteiligen könnten, da sie bei freien oder kirchlichen Trägern angestellt sind. Einen Arbeitsvertrag mit Tarifbindung gibt es für diese nicht. Trotzdem empfindet es die Organisation als sehr wichtig, Solidarität zu zeigen und die Streikenden zu unterstützen.

    “Mehr ist für uns nicht drin”?

    In der aktuellen TV-L-Runde fordert ver.di eine Lohnerhöhung von 10,5% auf 12 Monate. Während die Kollegin sich einen Teller Kartoffelsuppe abholt, kommentiert sie diese Forderung ironisch: „Mehr ist für uns eben nicht drin!“.

    Damit ist auch gemeint, dass die Forderungen von ver.di, mit denen sie in die Verhandlung gegangen sind, allein nicht für Lohnerhöhungen sorgen werden. Stattdessen wird der neue Tarifvertrag – selbst bei Erfüllung aller Forderungen – wieder eine Reallohnsenkung bedeuten, im Klartext: eine zu geringe Lohnerhöhung, um wenigstens die steigenden Lebenshaltungskosten auszugleichen.

    Deshalb betonte die Arbeiterin, wie notwendig es sei, sich auch selbst politisch zu organisieren und gemeinsam als Kolleg:innen im Betrieb und auf der Straße direkt für die eigenen Interessen zu kämpfen.

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