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Sonntag, April 28, 2024
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    Wohnungsnot: Wirtschaftskrise lässt Bautätigkeit einbrechen

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    Im Zuge der Wirtschaftskrise ist auch die Zahl der Baugenehmigungen in Deutschland dramatisch eingebrochen. Im September sank diese im Vergleich zum Vorjahr um knapp 30 Prozent. Diese Entwicklung dürfte zu einer weiteren Verschärfung der Krise auf dem Wohnungsmarkt beitragen.

    Die kapitalistische Wirtschaftskrise erfasst auch den deutschen Wohnungsmarkt: Die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen ist im September zum wiederholten Male eingebrochen, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Demnach ging die Zahl genehmigter Wohnungen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 29,7% zurück.

    Insgesamt sank die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen zwischen Januar und September um 28,3 Prozent: 195.100 Wohnungen wurden dieses Jahr bisher genehmigt, das sind 76.900 weniger als im selben Zeitraum 2022. Besonders stark fiel der Rückgang bei Zweifamilienhäusern (- 51,9%) und Einfamilienhäusern (-38,4%) aus. Bei Mehrfamilienhäusern betrug das Minus 27,2%. Einen leichten Zuwachs gab es lediglich bei Wohnheimen (+ 8,4%).

    Rekordinflation und steigende Zinsen

    Das Statistische Bundesamt führt den Rückgang bei Bauvorhaben vor allem auf die gestiegenen Baukosten und schlechte Finanzierungsbedingungen zurück. „Viele Bauprojekte liegen mit höheren Zinsen und Materialkosten auf Eis — mit sichtbaren Folgen für Projektentwickler, Bauunternehmen und vor allem den Wohnungsmarkt“, fügt der CEO des Kreditversicherers Allianz Trade, Milo Bogaerts, gegenüber dem Handelsblatt hinzu.

    Steigende Materialkosten, drohende Kurzarbeit und soziale Prekarität – Wie der kapitalistische Normalzustand den Wohnungsbau bedroht

    Die negative Entwicklung im Bau- und Immobilienmarkt zeigte sich bereits deutlich Anfang des Jahres, als nach einigen spektakulären Bankenpleiten in den USA der europäische Immobilienmarkt ins Visier von Spekulant:innen geriet . Der Hintergrund: Die zurückliegende jahrelange Phase niedriger Zinsen hatte einen riesigen Immobilienboom verursacht. Nicht nur gewerbliche Investor:innen kauften massiv Immobilien und finanzierten diese mit günstigen Krediten. Auch Privatpersonen konnten sich mit garantierten Niedrigzinsen ihren Traum vom Eigenheim ermöglichen.

    Der Boom führte dazu, dass die Immobilienpreise immer mehr in die Höhe schossen. Dann kamen die Wirtschaftskrise 2018/19, die Corona-Pandemie, die Energiekrise und die Rekordinflation — und die Notenbanken fingen schließlich an, die Zinsen stark zu erhöhen. Die Europäische Zentralbank (EZB) etwa hob den Leitzins in mehreren Schritten auf das höchste Niveau seit Bestehen des Euro an: Aktuell liegt er bei 4,5%.

    Überproduktionskrise auf dem Häusermarkt

    In der Folge zeigte sich die schon lange schwelende Überproduktion auf dem Häusermarkt: Die Nachfrage brach ein und die Immobilienpreise fielen in kurzer Zeit, während die Kreditkosten durch die Zinserhöhungen zugleich in die Höhe schossen. Und das, während auch alle anderen Preise nach oben gingen und Privatpersonen wie Unternehmen schnell an den Rand ihrer finanziellen Möglichkeiten brachten. „Schnell steigende Hypothekenzinsen in Kombination mit einer hohen Inflation und sinkende Immobilienpreise bringen quer über den Kontinent immer mehr Immobilienbesitzer in Not“, schrieb das Handelsblatt Finance Briefing am 3. April.

    Auch in Deutschland schlug die Immobilienkrise mit Wucht zu: Das Neugeschäft mit privaten Immobilienkrediten brach im Februar um 50% ein. Im August gingen innerhalb von einer Woche gleich drei Projektentwicklungsfirmen pleite. Die Insolvenzen im deutschen Bau- und Immobiliengewerbe sind zwischen Januar und August um 20% nach oben gegangen. Bedroht sind hierdurch auch Banken und Sparkassen, die ihr Geld zu über 40% mit Immobiliendarlehen verdienen.

    Ampel verfehlt ihre Ziele

    Ein Ende der Baukrise dürfte erst dann eintreten, wenn Preisniveau und Zinsen wieder sinken. Bis dahin verhagelt die Immobilienkrise auch die politische Bilanz der Ampelkoalition. Die Regierung von Olaf Scholz hatte bei ihrem Antritt versprochen, dass jährlich 400.000 neue Wohnungen gebaut werden sollten, um den wachsenden Bedarf vor allem in den Großstädten zu decken. Im vergangenen Jahr wurden deutschlandweit jedoch gerade einmal 295.000 Wohnungen fertiggestellt — und die Zahl in diesem Jahr dürfte angesichts der aktuellen Entwicklung noch niedriger ausfallen. Damit verschärft sich aber auch die Krise auf dem Wohnungsmarkt.

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