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Sonntag, April 28, 2024
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    Südafrika: Ex-Sprinter Oscar Pistorius aus der Haft entlassen

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    Im Juni 2013 erschoss der ehemalige Sprint-Star seine Freundin in der südafrikanischen Stadt Pretoria. Doch nun wurde Pistorius vorzeitig auf Bewährung entlassen. Kritiker:innen prangern diese Entscheidung an, denn es sei einer von vielen Fällen, in denen patriarchale Gewalttäter nur kurze Haftstrafen verbüßen müssen.

    Nachdem der ehemalige Paralympics-Sprinter in der Nacht zum 14. Februar seine damalige Freundin Reeva Steenkamp in seinem Haus durch die Badezimmertür erschoss, war das Medienspektakel für einige Zeit groß. Schließlich war Pistorius weltberühmt. Gefeiert als „Fastest man on no legs“ oder „Blade Runner“ konnte er zahlreiche Siege erringen.

    Monatelang beherrschte der Prozess um den Femizid die Medien. Dreimal stand der Ex-Sprinter vor Gericht. Dreimal wurde das Strafmaß erhöht. Doch nicht nur in diesem besonderen Fall, sondern im gesamten Land müssen Frauen um ihre Sicherheit fürchten – die Zahl der Frauenmorde in Südafrika ist extrem hoch.

    Alle drei Stunden: Femizid-Rate in Südafrika fünfmal so hoch wie der weltweite Durchschnitt

    Im gesamten Land sind Frauen massiven Bedrohungen ausgesetzt. Nicht nur in Südafrika ist es so, dass Täter und Tatopfer sich zumeist gut kennen. Statistisch sind es besonders häufig Partner und Ex-Partner, die Frauen gegenüber gefährlich werden. So war es auch im Fall von Steenkamp und Pistorius.

    Es gebe viele Gesetze, die das Recht der Frauen schützen – damit sie in ihren Häusern, in ihrer Gemeinschaft sicher sind. Aber in der Realität sei das nicht der Fall, erklärte Dr. Nachema Brodie, Professorin für Journalismus an der Universität von Johannesburg gegenüber dem ZDF. Daran habe auch der Prozess gegen Pistorius nichts geändert.

    Dass die Femizid-Rate in Südafrika so hoch ist, liegt nicht zuletzt an der immensen Armut im Land. Durch die jahrzehntelange Apartheid im Land lebt ein Großteil der Bevölkerung in den prekärsten Verhältnissen. In diesen Bevölkerungsgruppen sei Gewalt gegen Frauen besonders verbreitet, erklärte die Expertin Naeemah Abrahams schon 2020 gegenüber dem Spiegel. Arbeitslosigkeit und Alkoholmissbrauch seinen dort deutlich stärker verbreitet. Beides kann oftmals Auslöser für gewalttätiges Verhalten sein.

    Die Berichterstattung der meisten Medien ist nach Fällen von Femiziden häufig sehr problematisch.  Auch im Prozess um Pistorius haben viele Medien den Fokus allein auf ihn als Einzeltäter gelegt – und Reeva Steenkamp als Opfer nicht viel Beachtung geschenkt. Dies ist jedoch kein Einzelfall, auch nicht in der deutschen Medienlandschaft. Zu häufig werden die Hintergründe zu den Femiziden verzerrt. Zu oft werden sie als „Tragödie“ abgetan, obwohl die Tatmotive oftmals eindeutig sind.

    Femizide – keine „Familientragödien“

    In den etablierten Medien werden Femizide häufig als „Dramen“ in einem familiären Umfeld heruntergespielt. Dabei werden sie nicht nur in ihrem Ausmaß an Brutalität und ihrer Bedeutung verharmlost, sondern schlicht nicht als das benannt, was sie eigentlich sind- nämlich die Spitze patriarchaler Gewalt.

    Die antikapitalistische Frauenorganisation Frauenkollektiv arbeitet seit geraumer Zeit zum Thema Femizide in Deutschland: “Angesichts dieser Zahlen kann man nicht, wie es in der bürgerlichen Presse nur zu oft dargestellt wird, von einem „Einzelfall“, einem „Familiendrama“ oder einer „Beziehungstat“ sprechen. Frauenmorde, also Femizide und Gewalt an Frauen, sind ein allgegenwärtiges Thema. Sie sind nicht privat, sondern politisch. Und genau so werden wir damit umgehen. Wir müssen die gesellschaftlich-patriarchalen Zusammenhänge aufzeigen, die diesen Taten zugrunde liegen.”

    Der Fall von Oscar Pistorius war kein Einzelfall, der von den Medien nur aufgrund seiner Tragweite heruntergespielt wurde. Er steht exemplarisch für das Ausblenden der strukturellen Gewalt – und für eine Berichterstattung, in der der Fokus der Medien auf dem einzelnen Täter liegt und die Opfer vergessen werden.

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