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Freitag, Oktober 4, 2024
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    Flink vor Gericht: Arbeiter:innen klagen gegen Betriebsschließung kurz vor Betriebsratswahl

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    Im Oktober 2023 kündigte das Lieferunternehmen Flink – drei Tage vor einer geplanten Betriebsratswahl in Freiburg – allen Beschäftigten. Am Dienstag standen zwei Arbeiter:innen, die wegen Kündigungsschutz geklagt hatten, vor dem Arbeitsgericht Freiburg. Thema war dabei auch die undurchsichtige Sub-Unternehmensstruktur von Flink, dessen Betriebe in 36 voneinander unabhängigen GmbHs gegliedert sind. Perspektive Online war vor Ort.

    Am Dienstag, den 19. März 2024, traten zwei der über 50 im Oktober spontan von Flink gekündigten Arbeiter:innen vor Gericht, darunter eine der Organisatorinnen der geplanten Betriebsratswahl. Mehrere der Arbeiter:innen hatten eine Kündigungsschutzklage gegen das Lieferunternehmen wegen der aus ihrer Sicht unbegründeten Kündigung vor Gericht eingelegt.

    Am 13. Oktober 2023 wurden damals die Arbeitsverhältnisse von ca. 60 Arbeiter:innen, darunter überwiegend geringfügig Beschäftigte des Betriebs, in Freiburg gekündigt. Einige Arbeiter:innen im Betrieb mutmaßten damals, die Schließung stünde im Zusammenhang mit einer anstehenden Betriebsratswahl, über die das Unternehmen informiert war.

    Betriebswahl mit Folgen

    Ab August 2023 wurde durch eine Gruppe von Beschäftigten des Unternehmens in Freiburg eine Betriebsratswahl vorbereitet. Mitte September folgte dann die Einladung zur Wahlversammlung und am 6. Oktober 2023 wurde der Wahlvorstand gewählt – insgesamt 36 Arbeiter:innen nahmen an der Wahl teil.

    Kurz darauf – drei Tage vor der geplanten Betriebsratswahl am 13. Oktober – kam dann der Schock für die Beschäftigten von Flink in Freiburg: Allen Arbeiter:innen inklusive dem lokalen Management wurde gekündigt (bzw. zum Teil Aufhebungsverträge vereinbart) und der Betrieb in Freiburg wurde von einem Tag auf den anderen geschlossen. Als Grund gab die Unternehmensleitung von Flink eine mangelnde Wirtschaftlichkeit des Standorts Freiburg und die Höhe der Miete an.

    Seitdem stehe die Immobilie leer, so die Anwältin von Flink – und das, obwohl der Mietvertrag noch bis 2026 läuft. Bemühungen, das Lager (auch „Hub” genannt) weiterzuvermieten, seien bisher gescheitert. Die Immobilie werde auf der Online-Plattform ImmoScout angeboten und die Anzeige regelmäßig aktualisiert.

    Die Anwältin der Kläger:innen hingegen bezweifelt, dass diese Bemühungen ausreichten, um die Räumlichkeiten tatsächlich weiterzuvermieten, und hinterfragt, warum ein Gewerbemietvertrag über fünf Jahre geschlossen wurde. Auch hätten ehemalige Beschäftigte berichtet, dass die Räumlichkeiten von innen noch aussehen würden wie zu Zeiten, als der Betrieb noch lief. Von einer möglichen Weiternutzung des Betriebsstandortes war seitens des Unternehmens Flink bislang keine Rede.

    Interview: Flink-Filiale schließt drei Tage vor Betriebsratswahl

    Dem Unternehmen waren die Bemühungen, einen Betriebsrat zu gründen, schon vor der geplanten Betriebsratswahl bekannt. Der Arbeiterin in dem Interview zufolge habe die lokale Hub-Managerin (Betriebsleiterin) in der Woche vor der Betriebsversammlung mit vielen Beschäftigten verstärkt über die negativen Auswirkungen eines Betriebsrats gesprochen. Als dann die Schließung kam, soll die ebenfalls suspendierte Hub-Managerin einem Arbeiter gegenüber jedoch geäußert haben, dass auch sie bis zum Abend zuvor nichts davon gewusst habe. Am Ende sei auch sie einer der „Einweg-Kaffeebecher“ gewesen, die man „benutzt und dann wegwirft“, folgert der andere Arbeiter im Interview.

    Arbeiter:innen vermuten unlautere  Motiv hinter der Betriebsschließung

    In der mündlichen Verhandlung am Dienstag berief sich Flink erneut auf die negative Geschäftsentwicklung des Standorts Freiburg, die zu der Entscheidung geführt haben soll, den Betrieb dauerhaft zu schließen. Der Betrieb hätte im Vergleich zum Vorjahr nicht genug Steigerung verzeichnet, so die Anwältin von Flink. Zudem habe es Probleme mit der Nutzungsgenehmigung der Baubehörde gegeben, auf die man schon seit Aufnahme des Betriebes im Jahr 2021 warte.

    Warum das gerade in den drei Tagen vor der Betriebsratswahl zum Problem wurde und nicht schon in den zwei Jahren vorher, wurde nicht weiter erörtert. Der Betrieb in Passau wurde angeblich aus wirtschaftlichen Gründen am selben Tag wie der in Freiburg geschlossen.

    Umbau des Betriebs und Einstellung neuen Personals noch im September

    Für die Beschäftigten, die vor Gericht gegen ihre Kündigungen klagten, waren diese Erklärungen nicht ausreichend: Noch im September wurde der Betrieb in Freiburg umgebaut, es wurden sogar neue Arbeitskräfte eingestellt und Änderungsverträge mit Arbeiter:innen vereinbart, die zum Teil erst Anfang November (und damit erst nach der Schließung des Standorts) Wirkung entfaltet hätten.

    Zudem wurde den Arbeiter:innen gegenüber wiederholt vom Management des Standorts versichert, dass der Betrieb in Freiburg einer der besten deutschlandweit sei und sich als einer von wenigen überhaupt rechne. Flink wandte vor Gericht hiergegen ein, dass die lokale Managerin keinen Einblick in die Zahlen von Flink gehabt hätte und somit gar nicht gewusst haben könnte, wie gut oder schlecht ein Betrieb liefe – eine Aussage, die von der Anwältin der Kläger:innen stark angezweifelt wurde.

    Anna F.*, die als Zuschauerin im Gericht anwesend war, stellte nach dem Ende der Verhandlung gegenüber Perspektive in Frage, ob der Betrieb wirklich dauerhaft geschlossen wurde oder nur so lange, bis Gras über das „Problem” Betriebsrat gewachsen sei. Sie vermutete auch, dass Flink den Betrieb in Passau vielleicht nicht nur zufällig am selben Tag geschlossen hätte, sondern absichtlich, um die Schließung in Freiburg zu kaschieren. Dass Flink konsequent versuche, Betriebsräte zu verhindern, habe man ja bereits in Berlin gesehen, so Anna F.

    Massenentlassung bei Flink vor Betriebsratswahl – wie Unternehmen Klassenkämpfe durch Betriebsräte verhindern

    In der Verhandlung wurde außerdem die Unternehmensstruktur bei Flink thematisiert: Der Freiburger Betrieb von Flink ist tatsächlich eine eigene GmbH mit dem Namen „Flink 35 GmbH“ oder „Flink Expansion 35 GmbH“. Insgesamt sind momentan 36 verschiedene „Flink Expansion GmbH“ im Unternehmensregister eingetragen. Nach Auskünften der Webseite North-Data bestehe beispielsweise bei der „Flink 35 GmbH“ ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der „Flink SE“, die im Impressum der Flink-Webseite als Unternehmen angegeben ist.

    Aber was nutzt es einem Unternehmen, viele kleinere GmbHs zu unterhalten, die vom eigentlichen Unternehmen unabhängig sind? Die Antwort: Sollte ein Standort beispielsweise geschlossen und den Arbeiter:innen gekündigt werden, haben diese so keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung an einem anderen Standort. Das Unternehmen ist dadurch also flexibler und schneller. Das müssten Start-Ups auch sein, meinte die Flink-Anwältin in der mündlichen Verhandlung.

    Chefetage trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht anwesend

    Senior Project Manager Vincent Dohse, der als Zeuge geladen war, und Geschäftsführer Fabian Dietrich Cuno Graf von Hardenberg, dessen persönliches Erscheinen sogar vom Gericht angeordnet worden war, waren am Dienstag verhindert. Das Gericht traf am Mittwoch – trotz fehlender Zeugenaussage aus der Chefetage – dennoch eine Entscheidung: Die Klagen der ehemaligen Flink-Beschäftigten wurden abgewiesen.

    Es sei nicht auszuschließen, dass die wirtschaftlichen Gründe auch eine Rolle gespielt haben, so das Gericht. Die gekündigten Arbeiter:innen zeigten Unverständnis gegenüber der Entscheidung. Sie bezweifeln weiterhin die Zufälligkeit der Betriebsschließung drei Tage vor der Betriebsratswahl.

    * Name geändert.

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