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Sonntag, April 28, 2024
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    Ukraine-Krieg: EU soll auf „Kriegswirtschaft” umgestellt werden

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    Am Dienstag stellte die EU-Kommission Pläne vor, welche die europäische Rüstungsindustrie massiv stärken sollen. Der französische EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton spricht sogar davon, eine „Kriegswirtschaft” aufzubauen zu wollen. Was hat es mit der neuen Strategie auf sich, und was meint Breton mit Kriegswirtschaft?

    Mehr Geld für Rüstung, mehr zentrale Kontrolle und weniger Abhängigkeit von den USA – so könnte man stark vereinfacht die EU-Rüstungsstrategie zusammenfassen, die Thierry Breton gestern enthüllte. Mithilfe der European Defense Industry Strategy (Edis) und dem European Defense Industry Programme (Edip) möchte die EU-Kommission die europäische Rüstungsindustrie stärken und künftig in der Lage sein, schneller auf erhöhte Nachfrage zu reagieren. Grundsätzlich geht es der EU also darum, wie man schneller und effizienter Waffen und Munition herstellen kann.

    Was beinhaltet die neue Strategie?

    Konkret möchte man dies mit verschiedenen Maßnahmen umsetzen: Zum einen sollen bis 2027 rund 1,5 Milliarden Euro in Form von Subventionen ausgegeben werden – doch das ist gerade erst der Anfang. Die im Kontext von Rüstungsausgaben eher kleine Summe spielt in der neuen Strategie nämlich nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es um eine umfassende Umstrukturierung der europäischen Rüstungsausgaben.

    Was die EU-Kommission vor allem erreichen möchte ist, dass die EU-Mitgliedsstaaten größere Teile ihrer Verteidigungsbudgets innerhalb Europas und in Zusammenarbeit mit anderen EU-Staaten ausgeben. Ziel ist, dass die EU bis 2030 mindestens 40% des gekauften Militär-Equipments „auf kollaborative Weise“ erwerben soll. Außerdem sollen 50% der Budgets für solches Equipment innerhalb der EU – also an europäische Rüstungskonzerne – ausgegeben werden. Zum Vergleich: Seit Beginn des Ukraine-Kriegs haben EU-Staaten über 100 Milliarden Euro für Rüstung ausgegeben. 80% der Ausgaben wurden außerhalb der EU getätigt, über 60% in den USA.

    Breton betonte auch, dass die EU im Angesicht einer möglichen weiteren Trump-Präsidentschaft mehr Eigenverantwortung für ihre Sicherheit übernehmen müsse. Trump hatte immer wieder klargemacht, Europa nicht auf Kosten der USA unterstützen zu wollen. Darüber hinaus möchte die EU-Kommission die Ukraine so eng wie möglich in die Planungen einbeziehen, obwohl die Ukraine kein EU-Mitgliedsstaat ist.

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    Kriegswirtschaft? – Nur teilweise

    Am Montag sprach Breton auch davon, dass die EU sich hin zu einer “Kriegswirtschaft” bewegen müsse. Dies ist nicht das erste Mal, dass er solche Aussagen tätigt: Bereits vor einem Jahr sprach er sich für eine Kriegswirtschaft aus, damals stieß er damit aber auf deutlich größeren Widerstand. Sowohl vor einem Jahr als auch heute ist jedoch unklar, was genau der Kommissar mit seiner Forderung meint. „Kriegswirtschaft” bedeutet im Allgemeinen nämlich, nicht lediglich die Rüstungsindustrie zu stärken oder mehr Waffen zu produzieren, sondern eine völlige Umstellung des gesamten Wirtschaftssystems.

    Davon ist in der neuen Strategie allerdings nicht die Rede, vielmehr sei die Strategie ein klarer Schritt hin zu einem deutlich zentralisierteren europäischen Militärapparat. In dieser Hinsicht bleibt es fraglich, ob alle 27 Mitgliedsstaaten dem Vorschlag zustimmen werden.

    „Es ist das Pulver, woran es uns derzeit wirklich fehlt“

    Durch die immer schneller werdende Eskalation des Kriegs um die Ukraine, zu der die EU selbst erheblich beiträgt, haben die EU-Staaten ohnehin ein Interesse daran, die Rüstungsausgaben zu erhöhen. Ein weiterer Hintergrund für die neue Strategie dürfte jedoch auch sein, dass man es nicht geschafft hat, die Ukraine mit ausreichend Artilleriegeschossen zu versorgen. Bereits im März letzten Jahres hatte die Europäische Gemeinschaft versprochen, eine Million 155-Millimeter Geschosse zu liefern, doch dies erwies sich einfacher gesagt als getan.

    Ein Grund für die Probleme in der Herstellung dieser Geschosse ist der Mangel an Schießpulver. Viele EU-Staaten wollen dieses nun im Inland herstellen, um mehr Kontrolle über die Produktion zu erlangen. Für die Herstellung braucht man jedoch eine gewisse Art von Baumwolle, die primär von China exportiert wird. Angesichts der geopolitischen Bündnisse ist es dann wenig überraschend, dass China den Export dieser Baumwolle an EU-Staaten vor einigen Monaten einstellte. Für die Baumwoll-Sorte gibt es allerdings Ersatzstoffe, deren Herstellung künftig subventioniert werden soll.

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