Nach aktuellen Zahlen des “Handelsblatt Research Institute” geht das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr zurück. Der Tiefpunkt dürfte im zweiten Halbjahr zwar überschritten sein. Die Wirtschaftsleistung liegt jedoch noch immer unter dem Niveau vor Corona – ebenso wie die Industrieproduktion.
Der deutsche Kapitalismus steckt in der Krise. Das Handelsblatt Research Institute (HRI) hat in der vergangenen Woche neue Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland vorgelegt und dabei seine bisherige Prognose für 2023 und 2024 nach unten korrigiert. Für das laufende Jahr erwarten die Statistiker:innen demnach einen Rückgang des deutschen Bruttoinlandsprodukts um 0,7% – ein klares Indiz für eine kapitalistische Überproduktionskrise.
Erst im nächsten Jahr soll die Wirtschaftsleistung hierzulande wieder leicht ins Plus gehen und um 0,6% wachsen. Zuvor hatte das HRI nur mit einem Minus von 0,2% für 2023 und einem Plus von 0,9% für 2024 gerechnet. In keinem Land der Euro-Zone wären die Wachstumsraten damit in diesem Jahr so gering wie in Deutschland.
Laut HRI-Präsident Bert Rurüp wird sich an die Krise zudem keine Aufschwungphase, sondern eine schwankende Stagnation anschließen. Dies war bereits im letzten Krisenzyklus seit 2018/19 der Fall. Nach der Überproduktionskrise und dem Einbruch der wirtschaftlichen Entwicklung infolge der Corona-Pandemie ist eine Boom-Phase ausgeblieben — und zwar vor allem, weil sie durch andauernde Störungen in den weltweiten industriellen Lieferketten abgewürgt wurde. Ab Februar 2022 kamen dann noch die Auswirkungen des russisch-ukranischen Kriegs und des anschließenden Wirtschaftskriegs hinzu.
Die Stagnation äußert sich darin, dass die wirtschaftliche Gesamtleistung in Deutschland im ersten Quartal 2023 immer noch deutlich niedriger lag als Ende 2019, also vor Beginn der Pandemie. Dasselbe gilt für die deutsche Industrieproduktion. Glaubt man den Zahlen des HRI, dürfte das Vor-Corona-Niveau der deutschen Wirtschaft erst Ende 2024 gerade einmal so wieder erreicht werden. Eine fünfjährige gesamtwirtschaftliche Stagnationsphase hat es in Deutschland seit 1945 nicht mehr gegeben.
Die kapitalistische Wirtschaftskrise in Deutschland hat begonnen
Bezahlt hat die Folgen von Krise und Stagnation vor allem die Arbeiter:innenklasse in Deutschland, was insbesondere eine Folge der historischen Explosion der Warenpreise in den letzten Jahren ist. Das Reallohnniveau lag nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes Ende 2022 sogar unter dem Niveau von 2015. Für 2023 wird mit weiteren Reallohnverlusten gerechnet.
