Ein junger Kurde wird in der Türkei gefoltert, flieht nach Deutschland, beantragt Asyl und soll nach Ablehnungsbescheid des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) wieder in die Türkei abgeschoben werden – trotz der Gefahr, abermals gefoltert zu werden.
Diesen Fall veröffentlichte der Referent für Migration und Flucht von “medico international”, Kerem Schamberger, auf seinem Blog.
Wie ist eine Abschiebung trotz Folter oder drohender Folter möglich?
Es handelt sich um einen 1993 geborenen Kurden, und er stammt aus einer Familie, in der viele Mitglieder wegen ihres Eintretens für demokratische Verhältnisse in der Türkei und die Rechte des kurdischen Volkes Opfer von Repressionsmaßnahmen wurden und immer noch sind. Allein sein Vater war wegen angeblicher Mitgliedschaft in der PKK [Anm. d. Red.: Arbeiterpartei Kurdistans] 12 Jahre inhaftiert.
Nachdem der Vater selbst in seiner Jugend bereits stark verfolgt wurde, entschied er, sich der kurdischen Freiheitsbewegung anzuschließen. Er hielt sich somit auch längere Zeit in Südkurdistan (Nordirak) und Rojava (Syrien) auf, kehrte allerdings 2016 zurück in die Türkei, wo er festgenommen wurde und sich bis 2019 in Haft befand. Dabei soll er massiv gefoltert worden sein, wofür es Belege gibt. Er wurde auch von einem türkischen Gericht verurteilt unter anderem wegen des Vorwurfs, er sei Kommandant einer PKK-Einheit gewesen, die 2014 in Shengal (Irak) das ezidische Volk vor dem Genozid der IS-Terrormiliz geschützt hat.
Laut dem Ablehnungsbescheid des BAMF geht das Bundesamt zwar ebenfalls davon aus, dass der Antragsteller gefoltert wurde. Allerdings sei nicht begründet, dass die Folter „aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe des Antragstellers erfolgte“. Weiter heißt es: „Da die PKK sowohl in der Türkei als auch in Deutschland als terroristische Vereinigung eingestuft ist, dient die strafrechtliche Verfolgung tatsächlich der Terrorbekämpfung“. Zudem wurde gegen den 30-Jährigen hier in Deutschland wegen Erkenntnissen aus dem Asylverfahren ein Verfahren nach Paragraph 129b eingeleitet. Im Zuge dessen wurde seine Flüchtlingsunterkunft ohne Gerichtsbeschluss von Polizeibeamten durchsucht.
Dabei ist dieser Fall kein Einzelfall. In den letzten Jahren häufen sich die Fälle von kurdischen Geflüchteten, die aus politischen Gründen Länder wie die Türkei verlassen mussten, aber ihnen hier die Abschiebung droht unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung. Dies ist auch möglich, solange Gerichtsurteile in der Türkei als rechtsstaatlich angesehen werden. Laut Schamberger sei das jedoch absurd, denn „die türkische Justiz ist nicht unabhängig und wird von der AKP-Partei kontrolliert. Das BAMF macht sich so zum Handlanger des Erdogan-Regimes.“