Am Morgen des 2. August 1980 starben bei einem Bombenanschlag am Hauptbahnhof der italienischen Stadt Bologna 85 Menschen. Über 200 weitere wurden verletzt. In den Ermittlungen stellte sich heraus: Die Täter waren verwickelt in ein Knäuel aus Militär, Geheimdiensten und faschistischen Organisationen.
Am späten Vormittag des 2. August 1980 explodierte im Hauptbahnhof Bolognas eine Bombe, die 85 Menschen aus dem Leben riss und mindestens 200 weitere verletzte. Der Anschlag erschüttert ganz Italien und ging als „Bologna-Massaker“ in die Geschichte des Landes ein. Historiker:innen sprechen auch von der schwersten Gewalttat, die Italien seit dem Ende des 2. Weltkriegs erlebt hat.
Neben trauernden Hinterbliebenen blieben vor allem offene Fragen: Wer ist verantwortlich für das Massaker? Wer wusste davon? Hätte es verhindert werden können? Beim Versuch diese Fragen zu beantworten, offenbart sich ein Netz an Verstrickungen, das vom italienischen Präsidenten, über NATO-Generäle, Militärgeheimdienste und andere Institutionen, bis hin zu faschistischen Terrorbanden reicht.
Faschistische Terrorbanden
Als Schuldige machte die italienische Justiz Mitglieder der faschistischen Gruppe „Nuclei Armati Rivoluzionari“ (NAR), zu Deutsch „Bewaffnete Revolutionäre Zellen“, aus. Die Gruppe bestand zwischen 1977 und 1981 und verübte in diesen vier Jahren über 100 Morde. Sie planten und verübten Anschläge auf verschiedene italienische Politiker:innen.
Mit Waffen, Sprengstoff, Logistik und allem weiterem, was es für den faschistischen Terror brauchte, war die NAR gut versorgt. Sie hatte Verbindungen zur „Banda della Magliana“, zu Deutsch „Bande Maglianas“, einer mafiösen Organisation, die von Rom aus Morde und Überfälle verübte, Waffen schmuggelte und selbst in Verbindung mit dem italienischen Militärgeheimdienst SISMI stand.
Das geheime Netz des Faschismus
Es hört sich an wie ein schlechter Krimi: Hinter der faschistischen Bande NAR, der Bande Maglianas und deren Verstrickungen mit dem Geheimdienst SISMI stand ein als Freimaurerloge getarntes geheimes Netz aus über 2000 Personen.
Darunter befanden sich unter anderem: der Sohn des letzten italienischen Königs, alle Geheimdienstchefs, 195 Offiziere, 53 Generäle, 44 Abgeordnete des italienischen Parlaments, drei Minister, ein Parteisekretär, Bankiers, Journalist:innen und verschiedenste Beamte. Auch der spätere italienische Premierminister Silvio Berlusconi war Mitglied der sogenannten „Propaganda Due“ (P2). Es wäre nicht übertrieben, hier von einem tiefen Staat oder einer Schattenregierung zu reden.
Oberhaupt des Geheimbundes war der Unternehmer Licio Gelli. Gelli trat schon mit 17 Jahren als Freiwilliger auf der Seite des faschistischen Franco-Regimes in den spanischen Bürgerkrieg ein und wurde dort als jüngstes Mitglied seines Kontingents von Franco höchst persönlich ausgezeichnet. Im 2. Weltkrieg war er Mitglied der faschistischen Partei Italiens und Funktionär des faschistischen Staates. Angesichts dieses Werdegangs ist es wohl wenig verwunderlich, dass die politische Linke zu den erklärten Hauptfeinden der Verschwörer zählte.
Auch im Ausland hatte P2 Einfluss. Vor allem in Argentinien, Venezuela, Uruguay, Brasilien und Chile arbeiteten die Faschist:innen mit Militärjuntas, Konterguerrillas und anderen Rechten zusammen. Zu den argentinischen Mitgliedern zählten Botschafter, Minister und Generäle verschiedener Militärdiktaturen.
1981, ein Jahr nach dem Anschlag von Bologna, kam die Existenz von P2 ans Licht. Nach dem Zusammenbruch des Finanzimperiums des Bankiers Michele Sindona, der Mitglied des Geheimbundes war und auch in Verbindung mit der sizilianischen Mafia stand, begannen die Ermittlungen gegen P2 und Gelli. Der Geheimbund bestand offiziell nicht weiter, Gelli wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt und lebt heute in einer toskanischen Villa.
Operation Gladio, die NATO und die Rolle der CIA
Von der NAR, über den SISMI, die P2 und Licio Gelli führt die Blutspur des Bologna-Massakers letztendlich zur CIA und der NATO-Geheimoperation „Gladio“. Ihr Zweck war es, ein europaweites Netzwerk von paramilitärischen Geheimarmeen aufzubauen, die im Falle einer sowjetischen Invasion hinter feindlichen Linien operieren sollten oder auch zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt werden konnten. Und wer eignet sich dafür mehr als die Faschisten?
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Aufgebaut, versorgt und finanziert wurden diese Netzwerke, zu denen auch P2 zählt, maßgeblich von der CIA. Dabei setzten sie auf kriminelle, mafiöse Strukturen, Nazi-Kollaborateure und andere faschistische Elemente. Nachdem es in Italien bei verschiedenen Attentaten und Anschlägen (wie dem Bologna-Massaker) zu Ungereimtheiten, wie der Verwendung von Sprengstoff, der bis dahin nur der NATO und CIA zur Verfügung stand, kam, drohten die italienischen Gladio-Strukturen aufgedeckt zu werden.
Premierminister Giulo Andreotti kam dieser drohenden Aufdeckung zuvor und bestätigte 1984 die Existenz der Gladio-Operation. Weiterhin wurde aufgedeckt, dass die CIA die italienischen Gladio-Strukturen dazu ermutigte, eine „Strategie der Spannung“ gegen italienische Revolutionär:innen, wie die Roten Brigaden (BR), entfalten und das Land mit Terror überziehen. Das Bologna-Massaker zeigt, dass sich dieser Rat zu Herzen genommen wurde. So wurde dieses anfänglich versucht, den BR in die Schuhe zu schieben.
Nach der Aufdeckung der Gladio-Operation wurden in ganz Europa Parallelstrukturen aufgedeckt. Offiziell wurden die geheimen Waffendepots, Schattenarmeen und Geheimbünde nach 1984 aufgelöst.
Staat und Nazis Hand in Hand
Das Bologna-Massaker dient beispielhaft für die Verstrickungen von Staat und Faschismus. Es ist ein Beweis dafür, dass die faschistische Bewegung nicht einfach aus gewaltbereiten Fußballfans und Rowdies besteht, sondern schwer bewaffneten und gewaltbereiten Netzwerk von Faschist:innen, das von Geheimdiensten, Militärs, Politiker:innen, Unternehmer:innen, kurz einem Staat im Staat Staat, unterstützt werden.
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Die Verstrickungen der NATO und CIA in den faschistischen Terror Italiens werfen auch ein neues Licht auf den Faschismus in Deutschland. Terrorbanden, die mit Politik und Geheimdiensten verstrickt sind, kennt man auch hier. So hat es ebenfalls 1980 mit dem Oktoberfest-Attentat einen faschistischen Anschlag in Deutschland gegeben, dessen Aufklärung von staatlichen Stellen anch Kräften behindert wurde. Ein Vorgehen, welches sich seitdem unzählige Male wiederholt hat – egal ob NSU, Hanau oder Halle.