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Sonntag, April 28, 2024
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    Die AfD will im Bund regieren – mit Politik für die Reichen

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    Mit steigenden Umfragewerten will die AfD ihren Höhenflug ausbauen. Deshalb hat sie nun vorgestellt, welche Positionen sie als Regierungspartei zu aktuellen Streitfragen einnehmen würde. Ihr Papier macht deutlich, in wessen Interesse die AfD Politik macht: Die Unternehmen sollen profitieren, während Arbeiter:innen, Frauen und Geflüchtete stärker ausgebeutet werden. – Ein Kommentar von Gillian Norman.

    Während ihrer Klausurtagung in Thüringen veröffentlichte die Bundestagsfraktion der Alternative für Deutschland (AfD) am 1. September ein „Sofortprogramm einer AfD-geführten Bundesregierung“. In 10 Punkten listet die Partei auf, welche Änderungen sie an der aktuellen Regierungspolitik vornehmen würde.

    In den letzten Monaten konnte die faschistische Partei, die in einigen Bundesländern bereits stärkste Oppositionskraft im Landtag ist, starke Gewinne in den Umfragen erzielen. Laut der Umfrage von INSA für die Bild am Sonntag vom 2. September kommt die Ampelregierung zusammen derzeit nur noch auf 38 Prozent, die AfD dagegen allein auf ganze 21 Prozent und steht damit auch bundesweit hinter der CDU als zweitstärkste Kraft.

    Als Oppositionspartei wettert die AfD täglich gegen die Politik der Grünen, SPD und FDP, die Deutschland “deindustrialisieren“ und mit Absicht „gegen die Wand“ fahren würden. Aber welche Vorschläge hat die AfD, um die Preisexplosionen und die imperialistischen Kriegsvorbereitungen zu stoppen?

    Wirtschaftspolitik für Unternehmen – nicht für Arbeiter:innen

    Ökonomisch will sie deutsche Konzerne, insbesondere die Kapitalisten der “alten Industrie” unterstützen, indem laut ihrem Sofortprogramm die „CO2-Steuer“ abgeschafft und andere Energiesteuern gestrichen werden sollen. Damit sollen deutsche Konzerne im Konkurrenzkampf besser dastehen.

    Auch wenn die AfD diese Steuern streichen will, um Unternehmen zu entlasten, könnte die Abschaffung der CO2-Steuer unter Umständen auch erst einmal Arbeiter:innen entlasten – natürlich vorausgesetzt, die Unternehmen gäben ihre Einsparungen weiter. Dazu zwingen will die AfD sie aber nicht.

    Daneben will die AfD das Lieferkettengesetz und Verbrenner-Verbot abschaffen. Beide Gesetze sind allerdings auf EU-Ebene beschlossen und wären somit gar nicht als „Sofortprogramm“ umsetzbar, sondern müssten gemeinsam mit den europäischen Bündnispartner:innen umgesetzt werden.

    AfD will sich doch zur EU bekennen – macht sie sich fit fürs Regieren wie in Italien?

    Um die Energieversorgung sicherzustellen, soll zudem die “Nordstream”-Pipeline repariert und im Zuge der Abschaffung der Sanktionen gegen Russland wieder in Betrieb genommen werden. Die AfD steht somit politisch für den “Plan B” des deutschen Kapitals, sich tendenziell Russland anzunähern um damit Deutschland aus der Rolle des Juniorpartners der USA heraus zu manövrieren. Dieses Ziel verfolgt auch die aktuelle Regierung, jedoch mit einer anderen Agitation.

    In der Energiepolitik will die AfD noch an einer anderen Stelle die alte Politik fortführen: Die kürzlich abgeschalteten Atomkraftwerke sollen sofort wieder angeschaltet werden und neue gebaut werden. Doch auch für Atomkraftwerke benötigt es viele Rohstoffe, vor allem den radioaktiven Brennstoff Uran. Auch das Nachbarland Frankreich setzt in seiner Energiepolitik zu einem großen Teil auf Atomkraftwerke, aber sieht sich derzeit – speziell nach dem Militärputsch in Niger – in Bedrängnis, da ein Großteil des Urans dort abgebaut und nach Frankreih exportiert wird. In einer sich zuspitzenden Weltlage stellt also auch die Kernenergie keine “sichere” Energiequelle dar.

    Daher setzen die großen Unternehmen in Deutschland zurzeit auch auf die „grüne“ Regierung, die mithilfe des „Klima- und Transformationsfonds“ – übrigens auf Kosten der Arbeiter:innen – den Umbau auf erneuerbare Energien vorantreibt, um die fossile Abhängigkeit von anderen Ländern zu begrenzen. Allerdings gibt es auch in deren Reihen starke Konkurrenz, sodass die Idee der AfD, „für Technologieoffenheit zu sorgen und Subventionen nicht-fossiler Technologien sowie Verbote fossiler Technologien abzuschaffen“, sicherlich besonders bei Konzernen wie RWE auf offene Ohren stößt.

    Wie der AfD-Fraktionsvorsitzende Chrupalla in der Pressekonferenz zur Vorstellung des Papiers ganz offen sagt, sind es zuvorderst die „mittelständischen Unternehmer, Bauunternehmer und Handwerker“, die die AfD mit ihrer Politik ansprechen und unterstützen will. Denn diese hätten ja mittlerweile erfahren, dass „die FDP als alte Mittelstands- und Industriepartei nicht mehr in der Lage ist, die Interessen dieser Klientel abzudecken”.

    Politik für die „einfachen Leute“ macht die AfD also erklärtermaßen nicht, denn die Profite deutscher Unternehmen führen – entgegen der bürgerlichen Ideologie der sogenannten „Trickle-Down-Economics“ – nicht zu einem höheren Lebensstandard von uns Arbeiter:innen. Das konnten wir in den letzten Jahren eindrucksvoll und schmerzlich spüren, als Unternehmen Rekordgewinne machten und die Preise für Essen, Kleidung und Miete in die Höhe schossen.

    Die AfD will weiter aufrüsten für imperialistische Kriege

    Um diese Wirtschaftspolitik umsetzen und wieder mehr auf Gas aus Russland und Uran aus Afrika bauen zu können, benötigt es aber einen aggressiv nach vorne preschenden deutscher Imperialismus. Wie die restlichen Parteien von CDU bis Linke hat deshalb auch die AfD auch keinen Plan, wie Frieden geschaffen werden soll. Ganz im Gegenteil will auch die AfD Deutschland wieder zu einer militärischen Führungsmacht machen.

    Hier werden die widersprüchlichen Positionen der AfD sehr deutlich. Einerseits versucht sie sich als „Friedenspartei“ auszugeben und lobt in dieser Hinsicht den Kriegstreiber Erdogan wegen seiner Initiative für Friedensgespräche mit Russland. Andererseits will sie „eine Außenpolitik durchsetzen, die in einer multipolaren Weltordnung deutsche Interessen vertritt“.

    Dazu soll „die Bundeswehr finanziell, materiell und personell so ausgestattet werden, dass sie zum verfassungsgemäßen Auftrag der Landesverteidigung ertüchtigt wird – als starke Streitkraft eines souveränen Deutschlands in einem wehrhaften Europa“. So gegensätzlich, wie sich die Partei gegenüber der aktuellen Regierungspolitik selbst darstellt, ist sie also nicht.

    Denn auch wenn sie zurzeit Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnt, sind es nicht imperialistische Kriege, die sie grundlegend ablehnt. Wenn es den Profiten der eigenen Unterstützer:innen nützt, würde die AfD wohl am lautesten für den Einmarsch in Osteuropa trommeln.

    Flucht verursachen und Grenzen dicht machen

    Mit einer solchen imperialistischen Außenpolitik sowie der Zerstörung der Umwelt durch die Förderung von Atomkraft und anderen fossiler Energien werden unzählige Menschen in die Flucht getrieben. Doch diese will die AfD nicht in Deutschland haben und kritisiert allen voran die CDU für ihre Einwanderungspolitik in den Jahren vor der Ampel.

    Die CDU sei darüber hinaus unglaubwürdig, da sie jetzt Wahlkampf mit Forderungen der AfD machen würde. Die AfD betont, dass sie die einzige Partei ist, die das Einbürgerungsgesetz stoppen und Geflüchtete konsequent abschieben würde. Trotzdem sei die CDU die erste Anlaufstelle für mögliche Koalitionen in den kommenden Jahren.

    Die oberste Priorität für die AfD ist hier, Geldleistungen für Geflüchtete abzuschaffen und nur noch Sachleistungen bereitzustellen. Denn Geflüchtete würden die deutschen Sozialsysteme unterwandern. Um das Ganze von vornherein zu verhindern, will die AfD auch die Rechte der Bundespolizei stärken und einen „effektiven“ Grenzschutz einführen. Wie Beatrix von Storch vor einigen Jahren schon erklärte, gehört dazu auch, auf Frauen und Kinder zu schießen. Wie Fluchtursachen grundsätzlich bekämpft werden sollen – dazu sagt die AfD nichts. Sie will es auch nicht, sondern wird diese letztendlich durch ihre Wirtschafts- und Klimapolitik noch verschärfen.

    Die Aufgabe für Frauen: Kinder gebären und Alte pflegen

    Auch in der Familienpolitik hätten die beiden Parteien CDU und AfD zumindest eine starke gemeinsame ideologische Grundlage: Die bürgerliche Kleinfamilie aus Vater, Mutter und möglichst vielen Kindern und die klassische Rollenverteilung sollen gestärkt werden.

    In der Regierung will die AfD ein „Betreuungsgeld“ für Eltern bzw. Großeltern einführen, um „echte Wahlfreiheit herzustellen und die Erziehungsarbeit zu honorieren”. In der Praxis würde das allerdings nur bedeuten, dass Frauen, die diese Arbeit sowieso schon als unbezahlte Reproduktionsarbeit machen, noch mehr in diese Rolle gedrängt würden. Auch ein Familiensplitting, das „kinderreiche Familien erheblich entlastet“, würde dies verstärken.

    Müttererwerbstätigkeit nimmt weiter zu – meist in Teilzeitjobs

    Daneben sollen auch die kleinen Fortschritte des “Selbstbestimmungsgesetzes” wieder rückgängig gemacht und die “Gender-Ideologie zurückgedrängt werden”.

    Für Bildung, Pflege und Soziales gibt es nur heiße Luft

    Auf drängende Fragen, wie die gravierende Unterfinanzierung der Bildung, des Gesundheitswesens und der sozialen Einrichtungen gibt die AfD keine einzige Antwort. Neben dem Verbot der „Gender-Sprache“ bleibt beispielsweise im Bereich der Bildung nicht viel übrig. Aber das ist neben den übrigen Positionen der AfD auch kein Zufall, steht sie doch offen für die Interessen der Unternehmen ein.

    “Wenn die Industrie, wenn der Mittelstand verschwindet, dann werden wir uns diesen Sozialstaat, der sowieso ausgeufert ist, nicht mehr leisten können”, sagt Chrupalla. Der in Wirklichkeit eher magere Sozialstaat, in dem beispielsweise das Bürgergeld kaum zum Überleben reicht, soll – wenn es nach der AfD ginge – also noch weiter abgebaut werden. Stattdessen soll die Mär der AfD von einem sozialen Aufstieg, den man sich hart erarbeiten könne und müsse, noch tiefer in der Gesellschaft verankert werden.

    Die immer weiter sinkenden Reallöhne oder schlechten Arbeitsbedingungen in Branchen wie der Pflege können nicht, wie die AfD behauptet, durch eine geringere Steuerlast und damit höhere Nettolöhne ausgeglichen werden. Denn was es dafür braucht, sind konsequente Lohnerhöhungen und ein Ende der Umverteilung von unten nach oben durch den Bundeshaushalt.

    • Schreibt seit 2022 für Perspektive und ist seit Ende 2023 Teil der Redaktion. Studiert Grundschullehramt in Baden-Württemberg und geht früh morgens gerne eine Runde laufen.

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