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Montag, April 29, 2024
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    Trotz Wirtschaftskrise: Arbeitskräftemangel hält an

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    Trotz Wirtschaftskrise finden deutsche Unternehmen weiterhin zu wenig Arbeitskräfte. Laut einer neuen Studie konnten im Juni über eine halbe Million Stellen in Deutschland nicht besetzt werden. Der Fachkräftemangel ist in der Überproduktionskrise offenbar nur leicht zurückgegangen. Bei An- und Ungelernten bestehe dagegen ein Arbeitslosenüberhang.

    Der deutsche Kapitalismus befindet sich in einer Wirtschaftskrise, die Produktion geht in allen wichtigen Industriebereichen zurück – und Unternehmen suchen zum Teil weiter händeringend nach Arbeitskräften. Was sich paradox anhört, ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des “Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung” (Kofa) des kapitalnahen “Instituts der deutschen Wirtschaft” (IW).

    Dieser Untersuchung zufolge habe die schlechte Konjunkturentwicklung zwar zu einem leichten Rückgang des Arbeitskräftemangels geführt. Dennoch hätten im Juni saisonbereinigt knapp 528.000 offene Stellen nicht mit passend qualifizierten Arbeitskräften besetzt werden können. Dies entspräche rechnerisch gut vier von zehn offenen Stellen. Im Jahr zuvor hatte diese Zahl mit 612.000 Stellen noch um 13,8% höher gelegen. Die Zahl der qualifizierten Arbeitslosen sei im selben Zeitraum um 10% gestiegen.

    Wirtschaftskrise: Industrieproduktion geht weiter zurück

    Ministerium: Stabiler Arbeitsmarkt trotz Krise

    Die Zahlen des IW weisen in dieselbe Richtung wie ein kürzlich erschienener Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums, der für August zwar einen saisonbereinigten Anstieg der Arbeitslosigkeit um 18.000 Personen feststellte, den Arbeitsmarkt aber „weiter weitgehend stabil“ sah. Dies liege insbesondere daran, dass Unternehmen an ihren Fachkräften festhalten würden.

    Die derzeitige Wirtschaftskrise trifft in Deutschland auf eine Industrie, die ihr Produktionsniveau aus der Zeit vor der letzten Überproduktionskrise 2018/19 noch nicht wieder erreicht hat. Grund dafür ist vor allem, dass der Aufschwung ab 2020 infolge der Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges weitgehend abgewürgt wurde. Eine Folge hiervon ist die Rekord-Inflation, die in Deutschland immer noch besonders hoch liegt, und die auch die Unternehmen belastet. Viele Firmen wollen angesichts von Krise und Inflation Kosten sparen und haben Einstellungsstopps verhängt, wie etwa die Chemieindustrie.

    Die kapitalistische Wirtschaftskrise in Deutschland hat begonnen

    Differenziertes Krisenbild

    Der gleichzeitige Fortbestand des Arbeitskräftemangels, mit dem die deutsche Wirtschaft schon seit Jahren kämpft, führt jedoch zu einem differenzierteren Gesamtbild: Während die einen Firmen Einstellungsstopps verhängen, suchen die anderen händeringend nach Fachkräften und finden keine. Besonders schwierig sei die Lage der Kofa-Studie zufolge im Bereich „Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung“, wo etwa sechs von zehn offenen Stellen nicht besetzt werden konnten. In den Bereichen „Bau, Architektur, Vermessung und Gebäudetechnik“ sowie „Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung“ fehlten immer noch für mehr als die Hälfte der ausgeschriebenen Stellen qualifizierte Arbeitskräfte.

    Besonders stark sei die Zahl der offenen Stellen in Berufen gestiegen, die im Zusammenhang mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien stehen. Dazu gehört etwa regenerative Energietechnik sowie Leitungsinstallation und -wartung. Auf 100 offene Stellen kamen dort nur 35 bzw. 20 geeignete Kandidat:innen.

    Anders sehe die Lage dagegen bei an- und ungelernten Arbeitskräften aus. Hier gebe es mit über 1,1 Millionen einen deutlichen Arbeitslosenüberhang, und zwar insbesondere bei Helfer:innen in der Lagerwirtschaft und im Verkauf. Besonders stark war der Rückgang offener Stellen darüber hinaus im Bereich „Literatur-, Geistes-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medien, Kunst, Kultur und Gestaltung“.

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