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Donnerstag, Mai 2, 2024
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    Deutsch-französische Kabinettsklausur im Schatten tiefer Gegensätze

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    Mit Fischbrötchen und Phrasen über ein ‘einiges Europa’ endete das kürzliche Treffen der deutsch-französischen Staatschefs. Es wurde überschattet von tiefen Gegensätzen in der Außen- und Industriepolitik sowie bei Militärprojekten.

    Deutsch-französische Kabinettssitzungen gibt es schon seit vielen Jahren. Regelmäßig treffen sich die Minister:innen und Staatschefs der beiden Staaten, um grundlegende Fragen ihrer aktuellen Politik zu diskutieren. So spielten bei der zweitägigen Kabinettsklausur am Montag verschiedene Fragen eine Rolle: Von Fragen der Außenpolitik, des EU-Strommarkts, bis hin zu KI und gemeinsamen Waffenprojekten. Schnell zeichnete sich aber auch ab, dass in vielen Punkten keine Einigung erwartet werden kann.

    Gemeinsame Rüstungsprojekte

    Beide Staaten betonten, dass die EU sich militärisch aufrüsten müsse, um langfristig eine „strategische Autonomie“ herzustellen. Damit ist gemeint, dass sie ihre eigenen modernen Waffensysteme braucht, um bei einem großen neuen Krieg oder sogar einem Weltkrieg nicht auf andere Mächte angewiesen zu sein. Um also freie Hand bei einem nächsten großen Krieg haben zu können, hatten Deutschland und Frankreich bereits im Jahr 2017 sechs Rüstungsprojekte beschlossen, die maßgeblich von deutschen und französischen Rüstungsherstellern durchgeführt werden sollen.

    Es soll ein gemeinsames Luftkampfsystem (“Future Combat Air System”, FCAS) entwickelt werden, womit die modernsten Kampfjets ausgerüstet werden sollen. Zusätzlich soll eine neue Drohne („Eurodrohne“) entwickelt werden, die allerdings zu groß und zu langsam ist, um gegen aktuelle Luftverteidigungssysteme anzukommen. Ein weiteres Projekt war die Modernisierung des Kampfhubschraubers “Tiger”, zu dem das Deutsche Verteidigungsministerium im Mai diesen Jahres bereits verkündet hatte, dass man ihn ausmustern wolle.

    Darüber hinaus ist noch ein neues Bodenkampfsystem (“Main Ground Combat System”, MGCS) geplant, mit dem moderne Panzer ausgerüstet werden sollen, außerdem ein neues Artilleriesystem. Das sechste gemeinsame Projekt sollte die Entwicklung eines Seefernaufklärers sein. Dies ist aber auch bereits hinfällig, da Berlin im Juni 2021 angekündigt hatte, US-Modelle vom Typ P-8A Poseidon 2 einzukaufen. Alles in allem laufen die gemeinsamen Rüstungsprojekte also schleppend oder sind schon gestorben.

    Große Differenzen beim Umgang mit Aserbaidschan und Armenien

    Auch bei der Frage der Beziehungen zu Aserbaidschan gehen die Meinungen auseinander, allerdings nicht nur zwischen Frankreich und Deutschland. Während Frankreich enge Beziehungen zu Armenien aufbauen möchte und dafür auch die ersten Waffenlieferungen bestätigte, verkündet Italien eine enge Zusammenarbeit mit Aserbaidschan.

    Es werden bald vom italienischen Waffenhersteller militärische Mehrzwecktransporter geliefert, Sturmgewehre, Flugabwehrbatterien und Mini-U-Boote sind auch im Gespräch. Bisher konnten wegen eines OSZE-Waffenembargos aus dem Frühjahr 1992 Waffen nicht direkt an Aserbaidschan verkauft werden, sondern ausschließlich indirekt über Israel, was sich nun ändert.

    Deutschland versucht dieses Thema mehr oder weniger zu umschiffen. Erst kürzlich hatte Berlin mit Baku eine engere Kooperation beschlossen, um mit Erdgas aus Aserbaidschan die Lücke zu füllen, die sich nach der Abkehr von Russland auftat.

    Kampf um den Markt in der EU

    Auch wenn es um wirtschaftliche Fragen geht, geraten sich die beiden Staaten Deutschland und Frankreich an vielen Stellen in die Haare. Besonders die EU-Strommarktreform ist einer dieser Punkte: Frankreich möchte seiner Industrie künstlich niedrige Strompreise bieten, womit sie einen klaren Vorteil gegenüber der deutschen hätte. Eine Einigung konnte nicht erzielt werden, aber sie sei „in Sichtreichweite“.

    Klar wurde nach der Kabinettsklausur, dass Deutschland und Frankreich nicht nur Verbündete sind, sondern im wesentlichen auch Kontrahenten – selbst Wirtschaftsminister Habeck konstatierte erst vergangenen September, dass sich Berlin und Paris zur Zeit „in nichts einig“ seien . Dass die beiden Länder nun auch mit härteren Bandagen gegeneinander kämpfen werden, zeigte sich bereits kürzlich in der Kürzung der Gelder einiger Goethe-Institute in Frankreich. – Über diese Widersprüche können auch keine Fischfrikadellen an der Elbe hinwegtäuschen.

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