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Montag, April 29, 2024
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    Imperialismus: Zehn Jahre „Neue Seidenstraße“

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    Vor zehn Jahren startete China mit der „Belt-and-Road-Initiative“ sein geostrategisches Projekt zur wirtschaftlichen Durchdringung Europas und Asiens. Eine Billion Dollar hat Peking bislang für die Infrastruktur- und Handelsprogramme ausgegeben. Die Initiative hat die inter-imperialistischen Auseinandersetzungen vor allem zwischen China und den USA auf ein neues Niveau gehoben.

    Wladimir Putin ist persönlich zur großen Jubiläumsfeier angereist, dazu kommen weitere hochrangige Vertreter aus 130 Ländern. Beim 10. Geburtstag seines Projekts „Neue Seidenstraße“ scheut Chinas Regierung weder Kosten noch Mühen. Xi Jinping, der zum Jubiläum eine Grundsatzrede halten wird, hatte das Projekt vor 10 Jahren selbst ausgerufen.

    Die „Belt-and-Road-Initiative“ ist ein gigantisches Kapital-Exportprogramm des chinesischen Imperialismus zur wirtschaftlichen Durchdringung Eurasiens und weiterer Regionen. Es beinhaltet den Bau und Erwerb von Straßen, Hochgeschwindigkeitszugstrecken, Häfen, Staudämmen und Pipelines in inzwischen 150 Ländern. Die Finanzierung läuft vor allem über chinesische Kredite.

    2017 sprach das Handelsblatt noch von geplanten Investitionen Pekings in Höhe von 70 Milliarden Euro. Inzwischen werden die Ausgaben Chinas sogar auf 1 Billion Dollar geschätzt.

    China plant wirtschaftliches Mammutprojekt in Eurasien

    Geostrategisches Projekt

    Das Projekt soll nicht nur Profite für chinesische Banken und Unternehmen bringen, sondern ist vor allem geostrategisch angelegt: „China versucht ganz gezielt, Staaten an sich zu binden, die nicht im Orbit der USA sind. Mikronesien zum Beispiel, aber auch die Philippinen und Sri Lanka, Länder in Afrika und Lateinamerika“, schätzt die Geoökonomin Katrin Kamin das Projekt gegenüber dem Manager-Magazin ein: „Ein gutes Beispiel ist die Maputo-Katembe-Hängebrücke in Mosambik. Für China sind solche Projekte auf mehreren Ebenen interessant: Es werden international neue Partnerschaften geknüpft und Handelswege besser erschlossen. China exportiert Dienstleistungen und schickt Bauunternehmen. Chinesische Banken stellen dafür das Kapital zur Verfügung.“ Auch die Erschließung von Rohstoffvorkommen wie Kobalt-Minen in Afrika oder Lithium-Quellen in Lateinamerika ist Bestandteil des Programms.

    Was von China bisweilen als „neue Form der Globalisierung“ bezeichnet worden ist, ist nichts als klassischer Neokolonialismus. Das zeigte sich ganz offen in Sri Lanka, wo die Regierung ihre Kredite für ein Tiefseehafen-Projekt nicht mehr bedienen konnte. China hat den Hafen danach selbst für 99 Jahre gepachtet.

    Pekings Griff nach Osteuropa

    Auch in Europa konnte die Volksrepublik ihren Einfluss im Zuge der Seidenstraßen-Initiative ausbauen, vor allem auf dem Balkan und in Belarus. Mit der „14+1“-Kooperation Chinas mit 14 Staaten Osteuropas wurde sogar ein eigenes politisches Format für die Förderung wirtschaftlicher Aktivitäten Pekings in der Region geschaffen. In Serbien etwa baut China Autobahnen, Brücken, Zugstrecken und Kraftwerke und hat sich unter anderem eine Kupfermine in Bor gesichert. Vor wenigen Tagen unterzeichneten China und Serbien sogar ein gemeinsames Freihandelsabkommen.

    Anti-Seidenstraße von Europa nach Indien?

    Für die Vorherrschaft des US-Imperialismus, aber auch anderer westlicher Staaten wie Deutschland, Frankreich und  Vereinigtes Königreich ist Chinas Projekt von Anfang an eine Kampfansage gewesen. Die G7-Staaten beraten deshalb jährlich auf ihren Gipfeltreffen über geeignete Gegenmaßnahmen. Bis jetzt haben sie eigene Infrastruktur-Investitionen in Höhe von 600 Milliarden Dollar beschlossen, um Chinas wachsendem Einfluss entgegenzutreten. Beim diesjährigen G20-Gipfel im indischen Dehli legten die USA noch einmal nach und verkündeten den „India-Middle East Economic Corridor“.

    Gemeinsam mit Indien, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Staaten, Israel und der EU wollen sie mit ihm eigene Straßen-, Schienen- und Schifffahrtswege eröffnen, um Süd- und Westasien enger mit Europa zu verbinden und den Handel dort zu verstärken. Kritiker:innen bemängeln jedoch, dass die „Anti-Seidenstraße“ noch völlig unausgereift sei und in Europa in Piräus enden soll — ausgerechnet dem Hafen in Griechenland, der bereits seit Jahren der chinesischen Firma COSCO gehört.

    Chinas Initiative „Neue Seidenstraße“ bildet nicht weniger als den ökonomischen Hintergrund der Verschärfung zwischen-imperialistischer Widersprüche in Eurasien — oder zumindest einen zentralen Bestandteil davon. Die Auseinandersetzungen um Taiwan und das Südchinesische Meer stehen genauso in einer Verbindung mit der Belt-and-Road-Initiative wie der Krieg in der Ukraine (China verhandelte mit dem Land über eine mögliche Rolle als Landbrücke zwischen Europa und Asien). Ebenso lässt sich die diplomatische Annäherung zwischen Israel und einigen arabischen Staaten (als Voraussetzung für eine mögliche „Anti-Seidenstraße“ unter US-Führung) vor dem Hintergrund der chinesischen Initiative besser erklären.

    Die 10-Jahres-Feierlichkeiten sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit der Verschärfung der zwischen-imperialistischen Widersprüche auch die Kriegsgefahr in Eurasien deutlich zugenommen hat — und sich an vielen Stellen bereits entlädt.

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