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Montag, April 29, 2024
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    Spaltung der Linkspartei – neue Wagenknecht-Partei in Gründung

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    Am Montagmorgen stellte Sahra Wagenknecht mit anderen ehemaligen Politiker:innen der Linken und einem Unternehmer in der Bundespressekonferenz den Verein “Bündnis Sahra Wagenknecht” vor. Dieser will in den kommenden Monaten eine Parteigründung vorbereiten. Was ist die Ausrichtung der neuen Partei? Womit wollen sie Stimmen gewinnen? Und wie geht es weiter? Eine Einschätzung von Quentin Klaas.

    Die Bundespressekonferenz begann zumindest mit einem kleinen Knall. Sahra Wagenknecht ist aus der Linkspartei ausgetreten, der Partei, mit der sie bekannt geworden ist.

    Zugleich trat Wagenknecht gemeinsam mit der Ex-Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion, Amira Mohammed Ali, den ehemaligen Linken-Politikern Christian Leye und Lukas Schön und dem Unternehmer Ralph Suikat vor die Presse. Sie wollte ihren Verein „BSW – für Vernunft und Gerechtigkeit e. V.“ vorstellen, aus dem sich zum Beginn 2024 eine neue Partei formen soll.

    Ihrem Projekt schließen sich insgesamt 10 Abgeordnete der Linksfraktion im Bundestag an, darunter etwa Klaus Ernst, Sevim Dağdelen oder Andrej Hunko. Die Linkspartei erlebt damit die größten Abspaltungen ihrer Geschichte. Der Bundesvorstand der Linkspartei hat bereits einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit BSW getroffen: alle, die sich dem neuen Verein anschließen, sollen ausgeschlossen werden.

    Von Aufbruchstimmung war bei der Vorstellung des neuen Wagenknecht-Projekts jedoch wenig zu merken. Die Pressekonferenz wirkte undynamisch und zeigte auch nicht die gewohnte rhetorische Stärke von Wagenknecht. Das hängt auch damit zusammen, dass das Programm vor allem Positionen der bisherigen pro-kapitalistischen Parteien verschiedener Lager in einem Topf zusammenwirft und umrührt.

    Partei im Interesse des  kleinen und mittleren Kapital

    In der Pressekonferenz sagte der Linken-Abgeordnete Christian Leye, man wolle eine „neue Partei aufbauen, die den Rücken gerade macht, für die arbeitenden Menschen in diesem Land“. Aber stimmt diese Behauptung?

    Wenn man sich die Aussagen auf der Pressekonferenz anhört, dann wird klar, dass diese Partei keine Politik für die Arbeitenden machen will, sondern für das kleine und mittlere Kapital. Der Unternehmer Ralph Suikat erklärte ganz offen, dass wieder „Vernunft” in die Wirtschaft einziehen solle. Man wolle auch etwa gegen Großunternehmen vorgehen, aber “davon sollen vor allem die kleinen und mittelständischen Unternehmer in Deutschland profitieren“, so der Millionär.

    Wagenknecht selber erklärte, sie wolle „gute Rahmenbedingungen für einen innovativen Mittelstand“, eine “faire Leistungsgesellschaft mit mehr Wettbewerb und starkem Mittelstand”. Damit bleibt die Partei auf der Linie des “Ordoliberalismus” eines Ludwig Erhard (CDU), den Wagenknecht feiert. Das hat zwar viel mit kapitalistischer Ausbeutung, aber wenig mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.

    Mögliche Wagenknecht-Partei: Links? Rechts? Und in wessen Interesse?

    Stimmenfang im Kleinbürgertum

    Die Themen, die neben der Wirtschaftspolitik angesprochen werden, sollen anscheinend dazu dienen, die notwendigen Stimmen im Kleinbürgertum und unter den Arbeitenden zu organisieren. Hierbei wurden Themen wie die Entspannungs-/Friedenspolitik, soziale Gerechtigkeit und Migration genannt.

    Bemerkenswert ist es, dass zum Thema soziale Gerechtigkeit fast nichts in der Bundespressekonferenz gesagt wurde. Mit der mickrigen Forderung nach einer Erhöhung des Mindestlohns, der Kritik am Mangel tarifgebundener Arbeit und sozialem Ausgleich bleibt die neuen Partei auf dem Niveau einer SPD stehen.

    Wie von Wagenknecht gewohnt, sprach sie sich zudem für eine “Entspannungspolitik” aus, die Konflikte “diplomatisch” statt militärisch lösen will. Hierbei ist es wichtig zu erkennen, dass dies weniger der Wunsch nach einer wahren Friedenspolitik ist, sondern eher der Wunsch nach Ruhe für den deutschen Imperialismus, um sich wirtschaftlich weiter zu entwickeln und die Beziehungen zu Russland wieder aufnehmen zu können.

    Wagenknecht und Schwarzer: Ein Manifest für den kapitalistischen Frieden

    Beim Thema Migration schlagen Wagenknecht und ihre Mitstreitenden Töne an, die mittlerweile denen des weiter nach rechts gerückten Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) ähneln. Es gehe darum, „die unkontrollierte Zuwanderung zu stoppen, weil sie uns überfordert“, so Wagenknecht, das Asylrecht müsse allerdings weiterhin gelten. Damit bedient sie die Narrative der derzeitig herrschenden sozialdemokratischen Politik mit einer restriktiven und immer rechtsgerichteteren Geflüchtetenpolitik.

    Wagenknecht setzt ihre Positionen aus Versatzstücken mit Haltungen von Linkspartei, SPD, FDP, CDU und AfD zusammen. Damit will sie die nötigen Stimmen organisieren und eine Politik verfolgen, die “links” und “rechts” die Menschen in das parlamentarische System integriert. Vereinsvorsitzende Ali erklärte deshalb auch ganz offen, man wolle “nicht zusehen, dass sich Menschen von der Demokratie abwenden und nicht mehr wählen gehen”.

    Damit ist die Partei erklärtermaßen ungefährlich für den Kapitalismus und die herrschenden Millionäre und Milliardäre – sie will sogar dazu beitragen, arbeitende Menschen abzuholen und sie gleichzeitig den Interessen des kleinen und mittleren Kapitals unterzuordnen. 

    Wie geht es weiter?

    Zum Jahresbeginn 2024 sollen die neuen Parteistrukturen und Landesverbände gebildet werden. Zudem wolle man zur Europawahl anzutreten.

    Christian Leye erklärte, dass man “langsam und kontrolliert wachsen“ wolle. Auch Wagenknecht meinte, man werde „ein Auge drauf haben werden, dass das nicht die falschen Leute sind“, die sich der Partei anschließen. Den Gründerinnen und Gründern der neuen Partei ist offenbar bewusst, dass sie mit ihrer Querfront-Politik auch Klientel anziehen, die ihnen gerade in der Anfangszeit Probleme machen möchten. Dem scheinen sie vorbeugen zu wollen. 

    Es bleibt abzuwarten, welche Erfolge die neue Partei erzielen kann, welche Menschen in ihr noch aktiv werden und wie sich das auf die gesamte Parteienlandschaft auswirkt. Klar wird: eine solche Partei kommt dem Kapital gerade recht, da sie Menschen von ihrer Aktivität auf der Straße wegholen und eher in das System einbinden will, anstatt offensiv für eine wirkliche Alternative zu stehen.

    • Auszubildender im öffentlichen Dienst aus Hessen. Schreibt über Klassenkämpfe und innenpolitische Entwicklungen in der BRD. Er wurde über den Umweltaktivismus politisiert und schreibt seit 2023 für Perspektive.

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