Schon seit längerem plant die Bundesregierung die Schaffung eines Archivs zu rechter Gewalt. Dieses soll zu einem erheblichen Teil durch Hilfe von zivilgesellschaftlichen Projekten zustande kommen. Ein Verbund verschiedener antifaschistischer Archive gibt nun bekannt, sich nicht an dem Projekt beteiligen zu wollen.
Heute vor knapp zwei Jahren veröffentlichten die Ampel-Parteien ihren gemeinsam Koalitionsvertrag. Diesem ist unter anderem auch ein Kapitel mit dem Namen „Kampf gegen Extremismus“ gewidmet. Darin heißt es, die Bundesregierung werde „ein Archiv zu Rechtsterrorismus in Zusammenarbeit mit betroffenen Bundesländern auf den Weg“ bringen.
Die dahingehenden Planungen verlaufen jedoch schleppend – für das unter der Federführung des Bundesarchivs stehende Projekt sind im kommenden Bundeshaushaltsplan keinerlei Gelder vorgesehen. Als zentrale Voraussetzung für die Realisierung des Archivs werden darüber hinaus zivilgesellschaftliche Akteur:innen gesehen. Auch antifaschistische Archive wurden dabei vom Bundesarchiv kontaktiert.
Keine Aufklärung in Sachen staatlicher Mittäterschaft
So auch das antifaschistische pressearchiv und bildungszentrum e.V. (apabiz) aus Berlin. Gemeinsam mit ähnlichen Sammelstellen bilden sie den Bibliotheks-Verbundkatalog antifaschistischer Archive – zusammen gaben sie jedoch vor einigen Tagen bekannt, dass sie an dem Projekt der Bundesregierung nicht mitwirken werden.
Grund dafür sei unter anderem die staatliche Aufarbeitung des NSU-Komplexes, die antifaschistische Kräfte immer wieder scharf verurteilen. Viele der bislang unveröffentlichten Akten zu dem Fall bleiben in den Händen der Geheimdienste und befinden sich größtenteils unter jahrzehntelangem Verschluss . Zentrale Aspekte rund um die Mordserie bleiben der Öffentlichkeit also verwehrt, so zum Beispiel auch die Frage nach weiteren Mitwissenden sowie Unterstützenden im Umfeld der Täter:innen.
Veröffentlichte NSU-Akten: Der Verfassungsschutz hat nicht “versagt”, er hat seine Arbeit gemacht
In dem geplanten Archiv der Bundesregierung sieht der Verbund laut Statement die Gefahr, „dass das Themenportal letztlich keine neuen Erkenntnisse über das Wissen und die Verwicklung staatlicher Akteure in rechtsterroristische Netzwerke bringen wird“. Vielmehr fühlt sich die Initiative als „Lückenfüller“ missbraucht: Die bestehende Leerstelle im Bestand an zugänglichen Behördenakten könne von staatlicher Seite durch das Miteinbeziehen von zivilgesellschaftlichen Projekten „verschleiert“ werden.
Wertschätzung einerseits, Kriminalisierung andererseits
Nicht zuletzt betont der Verbund, dass mit solch einem Vorhaben die Deutungshoheit über rechte Gewalt „auf der Seite des Staates“ verbleibe. Und dieser teilte Antifaschist:innen in der Vergangenheit immer wieder in „gut“ und „böse“.
So werden den Antifa-Recherchegruppen in jüngsten Verfassungsschutzberichten gleich ganze Unterkapitel gewidmet, sie werden teils als „linksextremistisch“ betitelt. Auffällig ist dabei die Unterscheidung in Recherchegruppen mit „linksextremistischer Bestrebung“ auf der einen und „zivilgesellschaftliche Vereinigungen“ auf der anderen Seite – für den Verband ein klarer Widerspruch. Mit seiner Entscheidung zieht er nun schlussendlich die Konsequenz daraus, „dass antifaschistische Recherchen … kriminalisiert werden“.