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Anreiz zu Mehrarbeit – FDP fordert steuerfreie Überstunden

Am Wochenende veröffentlichte die FDP einen Fünf-Punkte-Plan zur „Stärkung der deutschen Wirtschaft“. Er beinhaltet mehrere kontroverse Punkte, allen voran die Forderung, Überstunden in einem gewissen Rahmen steuerfrei zu machen. Der Vorschlag steht bereits unter heftiger Kritik von Expert:innen und Gewerkschaftler:innen.

„Leistung und Arbeit müssen sich wieder lohnen“ lautet der Titel des Fünf-Punkte-Plans, mit dem die FDP vorhat, die deutsche Wirtschaft wieder anzukurbeln. Inhaltlich folgt er völlig dem Markenkern der Liberalen, denn gefordert werden letztendlich Mehrarbeit durch Arbeiter:innen, Steuererleichterungen und Einschnitte bei Rente und Bürgergeld.

Überstunden steuerfrei

Der Plan enthält mehrere Maßnahmen, die das Ziel haben, den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Eine Lösung sieht die FDP scheinbar darin, dass Arbeiter:innen einfach mehr arbeiten. In diesem Sinne steht in jedem Fall ihre erste Forderung: Die FDP sieht vor, „eine begrenzte Zahl von Überstunden und ausbezahlte Überstundenzuschläge steuerfrei“ zu machen. So möchten sie „Lust machen auf die Überstunde, weil sich die vielleicht steuerlich lohnt, weil man nicht alles abgibt beim Staat“.

Insbesondere dieser Vorschlag trifft auf heftige Kritik aus verschiedenen Lagern. Yasmin Fahimi, die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), nennt den Vorschlag eine „verrückte Idee“ und warnt vor der Verdrängung der Vollzeitarbeit und einer Beförderung von geschlechterungleicher Verteilung der Arbeit. In Deutschland befinden sich weit mehr Frauen als Männer in atypischen Arbeitsverhältnissen. Auch Politiker:innen der Koalitionspartner haben den Vorschlag bereits kritisiert.

Hinzu kommt, dass es in Deutschland keinesfalls einen Mangel an geleisteten Überstunden gibt. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung wurden im letzten Jahr ca. 1,3 Milliarden Überstunden geleistet, also hat jeder Beschäftigte durchschnittlich 31 Stunden mehr gearbeitet als vertraglich vereinbart. Rund 40% dieser Überstunden blieben dabei unbezahlt. Expert:innen warnen außerdem vor den gesundheitlichen Risiken, die mit Mehrarbeit einhergehen.

Späterer Renteneintritt und Einschnitte beim Bürgergeld

Eine Forderung, die bisher noch wenig Aufmerksamkeit erregt, allerdings deutlich fatalere Folgen haben könnte als steuerfreie Überstunden, ist der Vorschlag zur Reform des Rentensystems: Die FDP möchte nach dem Vorbild Schwedens eine „Aktienrente” einführen – das hatte sie so bereits in ihrem Wahlprogramm geschrieben. Bürger:innen sollen monatlich einen Teil ihres Gehalts in Fonds investieren, ihr Geld also am Markt anlegen, wo es sich dann vermehren soll.

Damit geht die FDP noch einmal über die aktuellen Pläne der Regierung hinaus, die mit dem „Generationenkapital“ bereits eine Form der Aktienrente plant. Doch es gibt entscheidende Unterschiede. Während man in Schweden das Risiko individuell trägt, liegt es bei den aktuellen Ampel-Pänen beim Bund. Einen möglich Verlust am Aktienmarkt gleicht die Staatskasse aus. Die Zahlungen bei der schwedischen Aktienrente richten sich zudem nach den individuellen Einzahlungen. Beim deutschen Modell fließen sie zusammen in die Staatskasse.

Was die FDP verschweigt: in Schweden wird das Rentensystem anders abgesichert. Hier haben 90 Prozent der Schweden eine betriebliche Altersvorsorge – in Deutschland ist das nur bei etwa der Hälfte der Menschen der Fall.

Außerdem soll es nach dem Willen der FDP nicht mehr einfach möglich sein, nach 45 Jahren eine abschlagsfreie Rente zu beziehen. Die FDP schlägt stattdessen ein „flexibles“ Modell vor, bei dem man im Alter zwischen 61 und 67 Jahren in Rente gehen kann und dementsprechend weniger oder mehr Geld erhält. In der Praxis werden damit vor allem Betroffene körperlicher Arbeit, welche häufig früher in Rente gehen müssen, benachteiligt.

Außerdem möchte die FDP das Bürgergeld so anpassen, dass „Hinzuverdienste” einfacher werden und sogenannte „Totalverweigerer“ härter bestraft werden. Damit wird ein in letzter Zeit häufig im Brennpunkt stehendes Thema angesprochen. Welchen großen Effekt diese Maßnahme allerdings haben soll, bleibt unklar. Laut der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurden im letzten Jahr nämlich gerade einmal 0,3% aller Bürgergeldbezieher:innen wegen einer „Verweigerung“ die Hilfen gekürzt. Bei wie vielen davon dies mehrfach geschah ist, nicht bekannt.

Steuerreformen sollen helfen

Um den Fachkräftemangel zu bekämpfen möchte die FDP auch Anreize für ausländische Fachkräfte schaffen: Sie schlägt vor, dass diese in den ersten drei Jahren einen Teil des Bruttogehalts steuerfrei bekommen sollen. Sascha Müller, Obmann der Grünen im Bundestag-Finanzausschuss kritisierte diesen Vorschlag: „Wir sehen es kritisch, wenn Menschen, die die gleiche Arbeit machen, je nach Herkunft unterschiedlich besteuert werden“.

Auch muss man beachten, dass diese Regelung bei weitem nicht allen ausländischen Arbeiter:innen zugute käme. Ein großer Teil migrantischer Arbeitskräfte wird in Deutschland nämlich in denjenigen besonders schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen ausgebeutet, für die Unternehmer:innen Schwierigkeiten haben, deutsche Bewerber:innen zu finden. In solchen Fällen bewegt sich das Einkommen meist ohnehin unter oder nahe dem steuerlichen Grundfreibetrag.

Auch bei der Einkommenssteuer möchte die FDP erhebliche Änderungen vornehmen: Die Forderung beinhaltet eine Anpassung der Lohn- und Einkommenssteuer an die Inflation. Erhält man nämlich aufgrund der allgemeinen Inflation mehr Lohn, kann man schnell in eine höhere Steuerklasse rutschen und muss dementsprechend eine Senkung des Netto-Reallohns hinnehmen. Gerade bei den Freibeträgen herrschen hier teils Jahrzehnte alte Standards – das möchte die FDP bekämpfen. Wie genau das umgesetzt werden soll, wurde zunächst nicht erklärt. Ebenso unklar bleibt, warum die FDP dann nicht auch konsequent eine Anpassung der Löhne an die Inflation fordert.

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