Seit Einführung des Bürgergeldes wird seitens bürgerlicher Parteien, allen voran Union, AfD und FDP, intensiv gegen Bezieher:innen des Arbeitslosengeldes gehetzt. Diese werden als arbeitsscheu und als Belastung für das Allgemeinwohl dargestellt. Nun zeigen Statistiken der Agentur für Arbeit, dass es gar nicht so viele sogenannte „Totalverweigerer“ gibt. Weshalb wird dieses Thema trotzdem regelmäßig in den Vordergrund gerückt? – Ein Kommentar von Marius Becker.
Am 18.03.2024 hat der Bundesvorstand der CDU einen Beschluss zum Bürgergeld angenommen. Dieses soll in seiner jetzigen Form abgeschafft und durch eine „Neue Grundsicherung“ ersetzt werden. Dieses Konzept soll ermöglichen, sogenannten „Totalverweigerern“ die Leistungen vollständig und dauerhaft zu kürzen. Mit „Totalverweigerern“ sind Empfänger:innen des Bürgergeldes gemeint, die angeblich zumutbare Arbeit ablehnen. Doch auf wie viele Menschen trifft das überhaupt zu?
Statistiken der Agentur für Arbeit
Gerade hat die Agentur für Arbeit Daten veröffentlicht, die einen Einblick in die tatsächlichen Zahlen des Bürgergelds ermöglichen. In den ersten 11 Monaten des letzten Jahres hatten 5,5 Millionen Menschen Anspruch auf das Bürgergeld, 1,6 Millionen davon waren arbeitsfähig. In diesem Zeitraum gab es laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit in 201.465 Fällen eine Kürzung der Leistungen.
Von diesen Fällen haben nur 13.838 Menschen deshalb weniger Bürgergeld erhalten, weil sie eine Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung, Qualifikation oder eine Maßnahme der Agentur nicht aufnehmen oder fortsetzen wollten. Das teilte die Arbeitsagentur auf Anfrage der Tagesschau mit. Im Vergleich zu den 1,6 Millionen arbeitsfähigen Bürgergeld-Empfänger:innen sind das also nur weniger als 1 Prozent, die Arbeit oder Ausbildungen ablehnen.
Zumutbare Arbeit?
Es handelt sich also einen vergleichsweise verschwindend geringen Anteil an Menschen, die beim Bürgergeld zumutbare Arbeit ablehnen. Was das Bürgergeld als „zumutbar“ definiert, ist für die Betroffenen zugleich oft entwürdigend. Beispielsweise muss eine vermittelte Arbeit nicht fair entlohnt werden. Erst wenn die Bezahlung als „sittenwidrig“ gilt, also 30 Prozent unter dem ortsüblichen Lohn liegt, darf die Stelle abgelehnt werden.
Darüber hinaus darf ein solcher Job auch weiter entfernt sein, als die vorherige Arbeitsstätte der Arbeitslosen. Es sollen sogar sehr lange Pendelzeiten von bis zu zweieinhalb Stunden in Kauf genommen werden. Auch muss die vermittelte Tätigkeit nicht mit dem gelernten Berufsbild bzw. der Ausbildung der Bürgergeld-Empfänger:innen übereinstimmen.
Warum wird dieses Thema trotzdem ständig diskutiert?
Es gibt nur wenige „Totalverweigerer“ und gleichzeitig nachvollziehbare Gründe, weshalb man sich einer vom Jobcenter vermittelten Arbeit verweigern könnte. Warum wird in Politik und Medien dennoch andauernd darüber gesprochen? Die Debatte um die angeblich vielen „Schmarotzer“, die uns um unser Steuergeld bringen würden, dient der bürgerlichen Politik eher als Ablenkung – zum Beispiel von der ungerechten Wohlstandsverteilung und den Milliarden-Ausgaben für die Militarisierung.
Die reichsten fünf Familien in Deutschland besitzen mehr Vermögen als die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung. Dies hat sich mit der aktuellen Wirtschaftskrise und im Zuge der Corona-Pandemie weiter verschärft. Die Hetze gegen Arbeitslose zieht die gesamte Aufmerksamkeit auf sich, und viel zu wenige Menschen berücksichtigen dabei die extrem ungerechten Verteilungsverhältnisse.
Denn die „Schmarotzer“, die die Steuergelder der Arbeiter:innenklasse tatsächlich rauben, sind die Großkonzerne, die jährlich mit Millarden-Summen subventioniert werden – trotz riesiger eigener Gewinne. 2024 werden vom deutschen Staat zudem insgesamt 71 Milliarden Euro für die Aufrüstung des Militärs ausgegeben. Doch auch hiervon haben die Arbeiter:innen und Erwerbslosen nichts, außer dass sie früher oder später an die Front geschickt werden.
„Kanonen und Butter, das ist Schlaraffenland“ – Aufrüstung auf dem Rücken der Arbeiter:innen