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Montag, April 29, 2024
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    15.000 € Strafe für ein Transparent? – “Wir werden keine Strafe akzeptieren!”

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    Interview mit AktivistInnen der Initiative “Rheinmetall entwaffnen Rheinmain” zur Repression wegen ihres Protests gegen den Waffenhersteller Rheinmetall.

    Zwei Aktivisten aus Frankfurt sollen wegen einer antimilitaristischen Aktion eine gigantische Strafe von 15.000 Euro zahlen. Was wird ihnen konkret vorgeworfen?

    Konkret wird uns Widerstand gegen PolizeibeamtInnen vorgeworfen. Wir waren an diesem Tag aber ein gutes Dutzend von AktivistInnen, die gemeinsam mittels eines Transparentes gegen das mörderische Geschäft von Rheinmetall vor deren Jahreshauptversammlung demonstriert haben. Zwar wurden von allen von uns die Personalien aufgenommen, aber nur wir zwei wurden zusätzlich in einen Gefangenentransporter gebracht und nur gegen uns wurde ein Verfahren wegen Widerstands eingeleitet. Wir alle wollten uns von der Polizei nicht daran hindern lassen, direkt vor dem Eingang der Aktionärsversammlung zu protestieren. Niemand von uns ist der Aufforderung der Polizei, das Transparent loszulassen, gefolgt.

    Wogegen richtete sich euer Protest?

    Wir haben am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, den der Rüstungskonzern Rheinmetall zynischerweise für seine Aktionärsversammlung in Berlin genutzt hat, dort ein Transparent zeigen wollen, mit der Aufschrift: 8. Mai 1945 – damals wie heute: war starts here – let’s stop it here! Ein X war über das Logo der Waffenschmiede gemalt. Das Transparent haben wir bewusst in den Farben der kurdischen Bewegung gehalten, aktuell zu dem Zeitpunkt gab es die menschenverachtende Annektierung von Afrin durch die türkische Armee. Wir wollten uns damit positiv auf den kurdischen Befreiungskampf und Rojava beziehen und Druck ausüben, dass das faschistische türkische Regime keine weiteren Waffen aus deutscher Produktion für ihren völkerrechtswidrigen Krieg erhält.

    Wir wollten die vorhandene Öffentlichkeit der Aktionärsversammlung nutzen, um die Verflechtung von Politik, Rüstung und die daraus resultierende Verantwortung für Krieg und Flucht zu brandmarken. Dafür, dass der Konzern für seine Jahreshauptversammlung das Maritim Hotel in Berlin direkt gegenüber dem Verteidigungsministerium gewählt hat, gibt es gute Gründe. Die Rüstungsindustrie ist in großer Abhängigkeit von der Regierung, sei es bei den Waffenkäufen für die Bundeswehr oder bei den Exportgenehmigungen von Rüstungsgütern. Anderseits ist die Rüstungsindustrie für die Bundesregierung von strategischer Bedeutung. Diese enge Verflechtung findet sich dann auch ganz direkt in der personellen Aufstellung des Vorstandes von Rheinmetall wieder. Mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Jung oder dem ehemaligen Entwicklungsminister Niebel wurden gleich zwei wichtige Lobbyisten mit Posten versorgt.

    Werden die zwei den Strafbefehl akzeptieren?

    Nein, auf keinen Fall! Wir hätten keine auch noch so niedrigen Strafbefehle akzeptiert und sind uns einig, einen politischen Prozess zu führen, in dem es um die Notwendigkeit und Legitimität von Protest und Widerstand gegen Waffenproduktion und -export gehen wird. Rheinmetall und nicht wir werden die Angeklagten sein!

    Demonstrationen gegen Rheinmetall

    Wie bewertet ihr als Initiative diese Repression?

    Ehrlicherweise waren wir erstaunt, dass es überhaupt zu Strafbefehlen gekommen ist. Nachdem wir polizeiliche Vorladungen als Beschuldigte erhalten hatten, beantragten wir über RechtsanwältInnen Akteneinsicht. Nach dem Studieren der Akten waren wir uns sicher, dass die Verfahren gegen uns sang- und klanglos eingestellt werden müssten. Zwei dicke Akten, die nichts weiter belegten, als dass wir von einer Übermacht an PolizistInnen mit Gewalt daran gehindert wurden, von unserem Recht auf freie Meinungsäußerung – mittels eines Transparentes – Gebrauch zu machen. Das Transparent war zu keiner Zeit lesbar entrollt. Die PolizeizeugInnen dokumentieren, wie und mit welchen polizeilichen Hebel und Würgegriffen sie uns am Öffnen des Transparentes gehindert und abgeführt haben. Was uns als Widerstandshandlung vorgeworfen wird, ist einzig und allein, dass wir ihrer Aufforderung, das Transparent loszulassen, nicht nachgekommen sind. Die Höhe der Strafbefehle ist vor diesem Hintergrund gerade zu absurd. Gleichzeitig zeigt sie aber auch, dass es staatlicherseits ein Interesse an einem Gerichtsverfahren gegen uns gibt, da sie davon ausgehen müssen, dass wir die Strafbefehle nicht akzeptieren können.

    Die polizeiliche Repression folgte dem Diktat, den antimilitaristischen Protest aus dem unmittelbaren Sichtbereich der AktionärInnen zu verbannen. Bei der Einschätzung, ob die juristische Nachbereitung dazu dient, mögliche Proteste gegen Waffenschmieden und ihre Hauptversammlungen einzuschüchtern, oder ob die Strafandrohung der Inszenierung der Repressionskräfte als Opfer und des sich ständig verschärfenden Widerstands-Paragrafen dient, tun wir uns schwer.

    Klar, Strafbefehle in einer solchen Höhe für einfachstes widerständiges Handeln, eben nicht auf Aufforderung der Polizei ein Transparent fallen gelassen zu haben, das ist schon ein Hammer. Aber auch gängige Praxis: Wenn die Polizei entscheidet, keinen Protest sehen zu wollen, wird über die Festnahme der Grund der Festnahme – Widerstand – kreiert.

    Eure Initiative hat den Namen „Rheinmetall entwaffnen“. Ist das euer Ziel?

    Wenn wir es als antimilitaristische Linke schaffen könnten, dass Rheinmetall keine Waffen mehr produziert, hätten wir tatsächlich viel erreicht, zumal der Konzern die größte deutsche Waffenschmiede ist und sich aktuell auch die Leopard-Produktion von Kraus-Maffei-Wegmann einverleiben will. Das zu erreichen, würde bedeuten, es dürfte keine deutsche Waffenproduktion und keine Waffenexporte mehr geben. Rheinmetall entwaffnen meint also: Stopp der Waffenproduktion und derer Exporte.

    Tatsächlich hat sich diese Kampagne inhaltlich nie auf Proteste gegen Rheinmetall allein beschränkt. Konkret für uns – die wir uns zum Protest gegen die Aktionärsversammlung entschlossen hatten – ist die Solidarität mit dem basisdemokratischen Gesellschaftsprojekt Rojava der Ausgangsmoment gewesen. Es sind deutsche Waffen – nicht zuletzt von Rheinmetall – mit denen der Nato-Partner Türkei seinen Krieg gegen die kurdische Freiheitsbewegung in Syrien, im Irak und im eigenen Land führt.

    Rheinmetalls Bomben für die Welt

    Was sind denn eure konkreten Kritikpunkte an Rheinmetall?

    Seit 130 Jahren verdient Rheinmetall sein Geld mit der Produktion von Waffen. Im ersten Weltkrieg war Rheinmetall der größte Waffenlieferant der Reichswehr. Nach der Niederlage Deutschlands wurde von den Alliierten ein Verbot der Waffenproduktion verfügt. Rheinmetall produzierte heimlich und in Absprache mit der Reichswehr weiter Waffen. In der Zeit des NS-Diktatur beutete Rheinmetall tausende ZwangsarbeiterInnen und KZ-InsassInnen aus.

    Heute ist Rheinmetall wieder die größte Rüstungsschmiede Deutschlands. Deutsche Waffen und deren Exporte befeuern die Kriege dieser Welt. Die vermeintlich strengen Exportauflagen für den Export von Waffen und Rüstungsgütern sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stehen. Allein im Krieg in Jemen beliefert Rheinmetall mit Saudi Arabien, den Arabischen Emiraten und Katar nahezu alle Kriegsbeteiligten und ist somit direkt für eine der größten humanitären Katastrophen der heutigen Zeit mit verantwortlich.

    Rheinmetall ist breit aufgestellt beim Geschäftsfeld der Aufstandsbekämpfung. Ganze schlüsselfertige Gefechtsübungszentren, in denen etwa der Häuserkampf geübt werden kann, wie in Schnöggersburg, werden exportiert oder aktuell Fuchspanzer an Algerien, in dem seit Jahrzehnten ein Bürgerkrieg tobt. Auch die sogenannte Grenzsicherung, also der Krieg gegen Geflüchtete, gehört zu dem Geschäftsfeld von Rheinmetall. Rheinmetall verfügt zwar auch über eine zivile Sparte mit nahezu identischer Anzahl an Beschäftigten, die Gewinnzuwächse verbuchen aber die militärischen Sparten wie Rheinmetall-Defence oder Rheinmetall-Munition.

    Führend ist der Konzern auch bei der Umgehung von möglichen Exportbeschränkungen. Dafür hat man sich mit Tochterunternehmen etwa in Italien (Sardinien) mit der RWM Italia S.p.A oder dem südafrikanischen Denel Konzern international aufgestellt. Von hier werden die Geschäfte abgewickelt, mit denen man weder in der Konzern-Zentrale in Düsseldorf noch die Bundesregierung in Berlin in Verbindung gebracht werden will.

    Wo seht ihr die Perspektiven des antimilitaristischen Widerstandes? Wie setzt sich antimilitaristischer Widerstand 2019 fort?

    Na, bei der Aktionärsversammlung am 28.05.2019 kann sich Rheinmetall auf was gefasst machen. Das wird ein Mobilisierungsschwerpunkt werden. Auch das antimilitaristische Camp in Unterlüß wird dieses Jahr wieder rund um den Antikriegstag am 1. September stattfinden. Es geht darum, den Protesten Kontinuität zu verleihen und sich bundesweit und international zu vernetzen. Wir werden von Jahr zu Jahr mehr. Wir sind hartnäckig!

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