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Montag, April 29, 2024
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    “Hammerskins”-Verbot – Was steckt dahinter?

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    Vergangene Woche verbot das Innenministerium die faschistische Organisation ‘’’Hammerskins Nation’’. Hartes Vorgehen gegen Rechts oder nur symbolische Geste? Was steckt hinter dem Verbot? – Ein Kommentar von Rudolf Routhier.

    Auf den ersten Blick wirken gerade langjährige Hammerskins wie aus der Zeit gefallen. Wo moderne Faschist:innen alles von Jogginghosen bis Anzug tragen, stehen sie immer noch im obligatorischen Aufzug der Nazi-Skins der 90er Jahre da und gehören fast schon zum Inventar auf jedem Rechtsrock-Konzert.

    Gegründet wurden die Hammerskins 1986 in den Vereinigten Staaten. Als internationales faschistisches Netzwerk sind sie weltweit in über zehn Ländern aktiv. In Deutschland gibt es 13 “Chapters”. Die Organisation versteht sich dabei als selbsternannte Elite der faschistischen Bewegung. Von ihren Mitgliedern wird absoluter Einsatz und Gehorsam erwartet. Bevor man Vollmitglied werden kann, müssen Anwärter (die Hammerskins sind ausschließlich Männer) oft jahrelang in der Vorfeldorganisation “Crew 38” aktiv gewesen sein.

    Auch deswegen gehören die Hammerskins zahlenmäßig zu den kleineren faschistischen Organisationen. Um die 140 Vollmitglieder sollen in Deutschland aktiv sein. Aufgrund der klandestinen Struktur der Organisation ist dies jedoch eher eine Vermutung als ein Fakt. Doch ihr Einfluss in der faschistischen Bewegung übersteigt ihre zahlenmäßige Stärke bei weitem.

    Rechtsrock und rechter Terror

    Besonders als Organisatoren kultureller Veranstaltungen sind sie bekannt. Zu ihrem Umfeld gehören mehrere bekannte Rechtsrock-Bands, die u.a. über organisationseigene Labels vertrieben werden. Auch das Kampfsportturnier “Kampf der Nibelungen” wurde von ihnen ins Leben gerufen.

    Doch nicht nur als Kulturkämpfer genießen die Hammerskins in der Szene Respekt. Auch wegen ihrer Verbindungen zum rechten Terror bewundern viele jüngere Faschist:innen die traditionalistische Organisation. So ermordete ein US-amerikanisches Mitglied 2012 sechs Menschen bei einem Anschlag auf einen Sikh-Tempel. Unzählige weitere Personen aus dem Umfeld der Hammerskins tauchen als Kontaktpersonen und Unterstützer:innen des NSU auf, oft mit engen Verbindungen zu dem Trio.

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    Staat mittendrin

    Wie so oft beim NSU fehlen auch hier natürlich nicht die Verbindungen zum Staat. Unter anderem Mirko H. war nicht nur Hammerskins Mitglied und Kontaktperson des NSU, sondern auch langjähriger V-Mann des Verfassungsschutzes. Er war nicht der einzige. Auch Thomas R., ein V-Mann , der bereits 2005 im Besitz einer CD mit der Aufschrift “NSU/NSDAP” war und auf einer Liste des NSU-Trios als enge Kontaktperson auftaucht, war ein Hammerskin. Wenige Tage vor seiner Vernehmung im Zuge der NSU-Ermittlungen starb er an vorher unbekanntem und nicht diagnostizierten Diabetes.

    Ein weiterer wichtiger Kontakt des NSU war Steffen K., Sicherheitschef des Hammerskin Chapters Sachsen und – wie zu erwarten – ebenfalls ein V-Mann. Abseits des NSU war neben anderen außerdem Roland S., einer der Köpfe hinter dem ”Kampf der Nibelungen”, als V-Mann tätig.

    Doch gerade diese für die faschistische Bewegung allzu bekannten Verbindungen zu Geheimdienst und Staat werfen natürlich die Frage auf: Was bringt jetzt – nach dreißig Jahren Toleranz und gar Unterstützung – noch ein Verbot?

    Hammerskins Verbot: Fataler Schlag oder PR-Move?

    Vor einer Woche geschah das, was Beobachter:innen der faschistischen Bewegung seit Jahrzehnten gefordert hatten. Das Innenministerium verbot die Hammerskins und ihre Vorfeldorganisation Crew 38 bundesweit. Der Name und das Zeigen ihres Symbols – zwei gekreuzte Zimmermannshämmer in den Farben des Deutschen Reichs – sind künftig strafbar.

    Bei 28 Mitgliedern in zehn Bundesländern fanden jetzt zudem Razzien statt. Bargeld der Organisation sowie Fahnen, Bücher (darunter “Mein Kampf”), Tonträger und Waffen – unter anderem Dolche, Schusswaffen, eine Armbrust und eine Granate – wurden beschlagnahmt.

    Doch was auf den ersten Blick wie ein finaler Schlag gegen die Hammerskins wirkt, kratzt bei näherer Betrachtung kaum an der Oberfläche: Alle Personen, bei denen Razzien stattfanden, waren erst wenige Jahre bei den Hammerskins organisiert und gehören so kaum zum wirklich führenden Kern. Auch das Vertriebsnetzwerk ihrer Plattenlabel, über das sich die Gruppe größtenteils finanziert, blieb unangetastet.

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    Verbot – und dann?

    Zudem konnte man in der Vergangenheit schon sehen, wie selbst das Verbot einer Organisation, beispielsweise bei “Blood and Honour” oder “Combat 18”, zu einer nicht mehr als symbolischen Geste verkommt, wenn man ihr vorher nur genug Zeit lässt, tiefgreifende und beständige Netzwerke aufzubauen.

    30 Jahre lang hatten die Hammerskins zeit, um genau solche Netzwerke aufzubauen. Der Verlust einiger Fahnen, Waffen und Tonträger wird diese ebenso wenig zerstören wie die Razzien bei wichtigen, aber mutmaßlich nicht führenden Mitgliedern. Nach einem Verbot werden alte Strukturen einfach unter neuem Namen weitergeführt oder wiederbelebt. Das Verbot kann sogar öffentlichkeitswirksam genutzt werden, um die vornehmliche Radikalität und Gefährlichkeit der eigenen Organisation zu unterstreichen.

    Zudem waren schon in den letzten Jahren öffentliche Veranstaltungen der Hammerskins zunehmend verdeckt organisiert worden, beispielsweise indem Rechtsrock-Konzerte zwar von bekannten Hammerskins organisiert und geleitet wurden, jedoch nicht als offizielle Hammerskins-Veranstaltung beworben wurden. Das Netzwerk hatte also Zeit, sich auf die Illegalität vorzubereiten und vermutlich sogar mit ihr gerechnet.

    Umgekehrt dürfte es kein Zufall sein, dass das Verbot gerade jetzt, kurz vor den Landtagswahlen in Hessen und Bayern kommt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser tritt in Hessen als SPD-Spitzenkandidatin auf. In den letzten Wochen versucht sie vor allem mit Anti-Geflüchteten-Politik auf sich aufmerksam zu machen. Mit dem Verbot einer Nazi-Gruppe will sie sich nun wiederum als “Starke gegen rechts” aufzuspielen.

    Es bleibt abzuwarten, wie die Zukunft der Hammerskins aussieht, doch es ist unwahrscheinlich, dass das Verbot ihr Ende sein wird. Der Analyse des antifaschistischen Recherche-Kollektivs “Exif” zufolge ”wird auch dieses Verbot letztlich als PR-Show im Wahlkampf verpuffen”. Die Erfahrungen der Vergangenheit machen es schwer, diese Annahme zu widerlegen.

    • Perspektive-Autor seit Sommer 2022. Schwerpunkte sind rechter Terror und die Revolution in Rojava. Kommt aus dem Ruhrpott und ließt gerne über die Geschichte der internationalen Arbeiter:innenbewegung.

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