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Dienstag, April 30, 2024
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    Gute Opfer, schlechte Opfer: Kriegsberichterstattung im Hause Springer

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    Medienberichten zufolge soll es beim Medienkonzern Springer interne Anweisungen gegeben haben, im aktuellen Krieg in Westasien vor allem über israelische zivile Opfer zu berichten und Verluste auf der palästinensischen Seite herunter zu spielen. – Warum das ins Bild passt, verfolgt Alex Lehmann in diesem Kommentar

    Tote Zivilist:innen in Gaza herunterspielen, die Opfer der israelischen Seite besonders hervorheben, keine Schlagzeilen bringen, die pro-palästinensisch gedeutet werden können – diese Anweisungen sollen nach Informationen von The Intercept von der App “upday” an Redakteure herausgegeben worden sein.

    Bei upday handelt es sich um eine App, die europaweit in 30 Ländern von Million Menschen als Nachrichten-Quelle genutzt wird und die Teil des Axel-Springer Konzerns ist – z.T. auf Samsung-Handys vorinstalliert. Zum Axel-Springer-Konzern gehören unter anderem auch Bild und Die Welt, sowie die polnische Boulevard-Zeitung Fakt.

    Zwar verneint das Unternehmen die Vorwürfe. Doch in der Berichterstattung der letzten Tage und Wochen zum Krieg in Israel und Palästina lässt sich ein klarer Trend erkennen: So berichtete die Bild beispielsweise über pro-palästinensische Proteste in Deutschland mit Formulierungen wie „Juden-Hass-Demo eskaliert“, „Terror-Anhänger bejubeln Morde in Israel“ oder auch „500 Judenhasser wollen gegen Israel demonstrieren“.

    Ihren Höhepunkt fand die rassistische Hetze in der Bild zuletzt mit dem Kommentar: „In meinem Deutschland ist kein Platz für gottlose Barbaren!“, von Linna Nickel, einem Mitglied der Bild-Chefredaktion. Der Inhalt? Rassismus, Kriegspropaganda und Stimmungsmache gegen Muslime in Deutschland. Z.B. werden darin alle, die Palästina-Fahnen schwenken, zu Hamas-Unterstützer:innen, „Juden-Hassern“ und „geistigen Erben Adolf Hitlers“ erklärt. Es wird nicht differenziert zwischen einer Ablehnung der israelischen Kriegsführung und Besatzung und einer Unterstützung von Massakern an israelischen Zivilist:innen.

    Eine klare Kante etwa gegen den israelischen Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, vermisst man jedoch. Dabei hatte dieser am Wochenende vor dem Brandenburger Tor angekündigt: „Wir müssen jetzt im Gazastreifen die gesamte Infrastruktur des Terrors beseitigen. Und wenn wir das tun, möchte ich kein ‘ja, aber’ hören! Denn dieses Mal müssen wir bis zum Ende gehen! Wir werden alle Tunnel und alle Raketen zerstören.“ Dabei wissen er und die Bild genau, dass dieses Kriegsziel nicht ohne den Tod tausender unschuldiger Zivilist:innen zu erreichen ist. Dennoch kann er sich zu solchen Äußerungen versteigen, ohne als „Massaker-Bejubler“ in den Schlagzeilen zu landen.

    Medien auf der Seite der Unterdrücker

    Die Medien des Axel-Springer-Konzerns berichten also nicht neutral, sondern stellen sich klar auf die Seite des israelischen Staats und der deutschen Außenpolitik. Unter dem Deckmantel des Journalismus verschleiern sie damit zum einen die tatsächliche Realität der jahrzehntelangen Besatzung in Israel und Palästina und schließen zum anderen an die seit Monaten zunehmende rassistische Hetze in Politik und Medien an.

    Durch die vielen Artikel, Kommentare und Videos wird der Eindruck erzeugt, von Muslimen gehe eine Gefahr aus und das Land würde von Migrant:innen überschwemmt werden, die dazu noch Anhänger der Hamas seien. Darüber hinaus seien sie dann der Auslöser für die zunehmende Armut im Land, weil das ganze Geld zu ihnen fließen würde.

    So entsteht ein Feindbild, dass vom wahren Auslöser der aktuellen Verarmung ablenkt: der Umverteilung von unten nach oben durch Reallohnsenkungen, Preissteigerungen, Unternehmenssubventionen und Aufrüstungspakete.

    Und auch der Apartheid-Staat Israel wird so aus der Verantwortung genommen. Die Gewalt im Nahen Osten sei ein Resultat eines quasi „natürlichen“ Antisemitismus der arabischen Bevölkerung. Vom Rassismus und der Gewalt Israel gegen die Palästinenser:innen ist natürlich keine Rede.
    Die Hetze der Medien dient sogar zur Legitimation in der Politik. Versammlungs- und Meinungsverbote werden mit der Gefahr begründet, sie könnten zu Antisemitismus führen. Eine Begründung, die all jenen folgerichtig erscheint, die in der Zeitung schon die ganze Zeit über etwas von durch und durch emotionalen und antisemitischen Araber:innen lesen.

    Dabei kommt es vielen nicht einmal seltsam vor, wenn den Menschen aufgetischt wird, der Antisemitismus in der Bundesrepublik, dem Nachfolgestaat Nazi-Deutschlands, sei ein importiertes Problem.

    Ein ähnliches Muster findet man – wenn auch rhetorisch weniger radikal und durchschaubar – bei anderen Medienhäusern, Zeitungen und Fernsehsendern: Tagesschau, Frankfurter Allgemeine, selbst die Taz … eigentlich alle bürgerlichen Medien stimmen auf die eine oder andere Art mit ein.

    Genau deshalb bleibt es wichtig, eigene Medien-Kanäle aufzubauen und eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Denn was Staats- und Konzernpresse gerade betreiben, ist kein Kampf gegen Antisemitismus. Sie versuchen, die Unterdrückten zum Schweigen zu bringen – und sie werden nicht bei der Solidaritätsbewegung für Palästina stehen bleiben.

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