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Montag, April 29, 2024
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    Verfahren gegen „Roter Aufbau Hamburg“ wegen Bildung einer “kriminellen Vereinigung” eingestellt

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    Seit 2019 lief ein Verfahren gegen die Gruppe “Roter Aufbau Hamburg” wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129. Nun hat sich die Staatsanwaltschaft entschieden doch keine Anklage zu erheben. Bis heute haben die Betroffenen keine Akteneinsicht erhalten und es bleibt im Unklaren welche massiven Mittel zu ihrer Überwachung eingesetzt wurden.

    Am Mittwoch teilte der Rote Aufbau Hamburg auf Instagram mit, dass das Verfahren wegen Verdachts auf Bildung einer “kriminellen Vereinigung” (§129 StGB) gegen mutmaßliche Mitglieder der Organisation eingestellt wurde.

    Bereits seit dem Jahr 2019 lief das Ermittlungsverfahren gegen die kommunistische Gruppe aus Hamburg. Verfahren nach dem Paragraphen 129 ermöglichen der Polizei bereits bei einem Verdacht auf die Bildung einer kriminellen Gruppe verschiedene Befugnisse. Beispielsweise ist es Strafverfolgungsbehörden bei einem solchen Verfahren gestattet, Chatverläufe zu durchsuchen und Wohnungen mit Abhörgeräten zu versehen.

    Das Ermittlungsverfahren gegen den Roten Aufbau wurde nun eingestellt, doch während und sogar vor den Ermittlungen musste die Gruppe mit schweren Repressionen kämpfen.

    Schon lange vor den aufgenommenen Ermittlungen 2019 befand sich der Rote Aufbau im Radar des Inlandsgeheimdienstes “Verfassungsschutzes”. Eine Woche vor dem G20-Gipfel im Jahr 2017 wurden in Hamburg zwei Privatwohnungen durch die Polizei und das SEK, mit Maschinengewehren bewaffnet, durchsucht. Auch eine Vereinsräumlichkeit, in welcher die Gruppe sich traf, erhielt einen Durchsuchungsbeschluss.

    Razzien und Verwüstungen

    Am 31.08.2020 erfuhren die Verdächtigten von den aufgenommenen Ermittlungen gegen sie, als erneut Wohnungen gestürmt und durchsucht wurden. Dieses mal waren es 28 durchsuchte Objekte in insgesamt 3 Bundesländern, wobei Hamburg den Schwerpunkt darstellte. Unter den Objekten waren 22 Privatwohnungen von Beschuldigten und weitere Zeug:innen, sowie ein Hamburger Kulturladen.

    Dort erfuhren die Betroffenen auch, dass sie bereits seit 6 Monaten beobachtet worden waren, etwa durch eingebaute Kameras an Eingangstüren ihrer Wohnräume, oder Treffpunkte. Den durchsuchten Personen wurden sämtliche technische Geräte abgenommen, Eigentum wurde während des Einsatzes zerstört und die Räume stark verwüstet.

    Vorgeworfen wurden den Beschuldigten insgesamt 17 Tatkomplexe, welche sich von der Teilnahme an legalen Demonstrationen bis zum Zuschreiben von militanten Aktionen erstreckten. Hinzu kam der Vorwurf einer „klandestinen“, also einer verdeckten Arbeitsweise. Auf die Vorwürfe folgten kleinere Prozesse gegen Einzelaktionen. In diesen wurden sie beispielsweise wegen des Besitzes von Böllern verurteilt. Weiterhin wurde das einzig offen auftretende Mitglied des Roten Aufbaus für eine Gegenkampagne der Organisation zu einer Kampagne der Hamburger Polizei verurteilt.

    Noch vor einem halben Jahr kam es immer wieder zu Besuchen der Polizei am Arbeitsplatz einzelner Verdächtiger. Einem Mitarbeiter eines Krankenhauses wurde zum Beispiel der Handel mit Medikamenten vorgeworfen. Insgesamt kam es deshalb durch die Ermittlungsbehörden gegenüber den Betroffenen über einen langen Zeitraum immer wieder zu kleineren Repressalien.

    “Angriff auf die radikale Linke”

    Als im Jahr 2020 die Ermittlungen gegen den Roten Aufbau begannen, bezeichnete dieser sie als „die größten Angriffe der letzten Jahre auf die radikale Linke“. Dafür erhielt die Organisation viel Solidarität und Zuspruch aus der linken Bewegung. Auch vor einem halben Jahr sprach Halil Simsek, ein Mitglied des Roten Aufbau Hamburg, in einem Interview mit „99 zu eins“ von den Hausdurchsuchungen im Rahmen des G20-Gipfels als Durchsuchungen, die in ihrer „Größenordnung gegen die radikale Linke schon seit Jahrzehnten nicht so“ waren.

    In diesem Interview berichtete Simsek davon, dass den Beschuldigten auch drei Jahre später keine Akteneinsicht gewährt wird. Über eine Auswertung der ihnen abgenommenen technischen Mittel, wissen sie daher bis heute nichts. Zudem sei Verfahren sehr kostspielig für die Polizei gewesen. Beispielsweise seien beim Nachgehen eines vermuteten Codewortes über zehntausend Euro aufgewandt worden. Der nachverfolgte Hinweis erwies sich als Trugschluss.

    Insgesamt wird das Verfahren im Interview als typisches 129er Verfahren eingeschätzt. Simsek spricht von den Ermittlungen als politisch gezielt darauf ausgelegt, Personengruppen jahrelang zu durchleuchten. Es sei zudem sehr offen gehalten, zu welchen Dingen konkret gegen wen ermittelt wird und ob es jemals zu einem Gesamtprozess kommen werde.

    Nun, nach der Einstellung des Verfahrens, ist die Frage um einen Prozess wohl vorerst geklärt. Für die Zukunft sind weitere Ermittlungen jedoch nicht ausgeschlossen und auch neue Durchsuchungen und Beschattungen bleiben auch künftig möglich.

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