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Montag, April 29, 2024
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    Scholz und Co. wollen Fachkräfte aus abhängigen Ländern abwerben

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    Um die Probleme auf dem eigenen Arbeitsmarkt zu lösen, will Deutschland billige Fachkräfte aus ärmeren Ländern abwerben. Zuletzt versuchte man es in Ghana und Kirgisistan. – Ein Kommentar von Marlon Glaiß

    Die vergangen Wochen waren gefüllt von Treffen zwischen Politiker:innen aus Deutschland und zahlreichen anderen Ländern, bei denen es um die Frage der Migration und von Fachkräften für Deutschland ging. In Berlin wurde eine Absichtserklärung mit Kirgisistan unterzeichnet, die eine umfangreiche Zusammenarbeit in der Migrationspolitik vorsieht.

    Mit ähnlichen Vorstellungen reiste auch Bundeskanzler Olaf Scholz nach Ghana. Während sich im Innern die rassistische Hetze gegen Geflüchtete verstärkt, sucht Deutschland im Ausland nach billigen Fachkräften für den eigenen Arbeitsmarkt. Diese Logik deutscher Geflüchtetenpolitik zeigt sich momentan wieder sehr deutlich.

    Vereinbarungen mit Kirgisistan für gesteuerte Migration

    Im Rahmen des Gipfeltreffens Deutschlands mit den Staatschefs der zentralasiatischen Länder, das Ende September stattfand, wurden Einigungen mit Kirgisistan getroffen. Der Unterzeichner dieser Absichtserklärung für Deutschland, der Sonderbevollmächtige Joachim Stamp, äußerte sich folgendermaßen: „Davon könnten nicht nur die Staaten, sondern auch fleißige und qualifizierte junge Menschen profitieren. Auf der anderen Seite wird es uns aber auch immer um klare Regeln für die Rückübernahme von Menschen ohne Bleiberecht gehen.“

    Es wird also eine legale Migration angestrebt, die fähige Arbeitskräfte für Deutschland anziehen und „unqualifizierte Geflüchtete“ wieder unbarmherzig abschiebt oder zumindest ihren rechtlichen Status noch unsicherer gestalten soll. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser begrüßte das Abkommen und begründete, dass Deutschland auf die Einwanderung von Fachkräften angewiesen sei, um den Wohlstand im Land bewahren zu können.

    Ein Problem mit dem Heranziehen von Fachkräften hat Deutschland bekannterweise schon seit Längerem. Insbesondere die Industrie hat hier große Verluste einbüßen müssen. Deshalb ist interessant, dass im Juli Gespräche des bayerischen Wirtschaftssekretärs Roland Weigert mit Regierungsvertreter:innen der Maschinen- und Anlagebaubranche, der Rohstoff-, der Energie- und der Wasserstoffgewinnung aus Kirgisistan stattgefunden haben. Weigert formulierte hierbei das Ziel, neue Absatzmärkte durch bayerische Unternehmen erschließen und die wirtschaftlichen Beziehungen mit Zentralasien vertiefen zu wollen.

    Kein Erfolg für Scholz in Ghana

    Vor gut einem Monat reiste Bundeskanzler Olaf Scholz nach Ghana mit dem Ziel, auch dort junge Student:innen für die Arbeit in Deutschland zu gewinnen. Das gewünschte Ergebnis kam nicht zustande. „We need no Western savior“, übersetzt „Wir brauchen keinen Retter aus dem Westen“, entgegneten ghanaische Studierende Kanzler Scholz, als er mit ihnen über Jobperspektiven in Deutschland sprach.

    Wichtiger sei es laut ihnen, die Wirtschaft des eigenen Landes anzukurbeln und das vorhandene Potenzial zu nutzen. Am Thema Wirtschaft in Ghana ist Deutschland durchaus ebenfalls nicht uninteressiert, schließlich bietet das Land deutschen Unternehmen einen guten Zugang nach Westafrika. Aktuell werden deutsche Unternehmen vor Ort von China und den USA wirtschaftlich übertrumpft und das Land richtet sich zunehmend nach der Wirtschaft Chinas.

    Die Aussicht auf bessere Verbindungen der deutschen Industrie mit derjenigen in Ghana stand somit auch auf Scholz’ Tagesordnung. Denn wenn Deutschland seine Bindungen in Westafrika verstärken will, muss es sich gegen China und die USA behaupten. Scholz kündigte während seines Besuchs laut an, Ghana beim Kampf gegen die Dschihadisten Unterstützung leisten zu wollen. Und die Europäische Union steuerte wortwörtlich ein Geschenk für Ghana bei: 100 Militärfahrzeuge wurden dem Land für die Stärkung gegen die Dschihadisten „gespendet“. Tatsächlich jedoch wurden diese auf ihrer Seereise nach Libyen von der EU beschlagnahmt und dann an Ghana verschenkt.

    Es zeigt sich also, wie Deutschland intensiv bemüht ist, seine Beziehungen zu wirtschaftlich abhängigen Ländern zu stärken, um aus diesen nützliche Arbeitskräfte abzuziehen und wirtschaftliche Vorteile zu erhandeln. Diese Versuche gehen dabei Hand in Hand mit dem Aufbau neuer wirtschaftlicher Beziehungen, um den weltweiten Einfluss Deutschlands zu stärken und die Rückschläge etwa bei der Energieversorgung seit dem Ukraine-Krieg zu kompensieren.

    Diese Politik wird dabei auf Kosten der Arbeiter:innen nicht nur in Deutschland, sondern auch in ärmeren Ländern durchgeführt. Denn die deutschen Unternehmen werden sie zu noch schlechteren Bedingungen anstellen als deutsche Kolleg:innen und gleichzeitig etwa die Rohstoffe ihrer Herkunftsländer für die eigene Energieversorgung plündern.

    Und nicht zuletzt werden die Geflüchteten darunter leiden, die einer noch schärferen Asylpolitik Deutschlands ausgesetzt sein werden – obwohl die ihre Länder in den meisten Fällen aufgrund von Kriegen, Umweltkatastrophen und Armut verlassen müssen, die unter anderem erst durch die Großmachtpolitik Deutschlands und anderer Staaten herbeigeführt wurden und werden.

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