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Montag, Mai 20, 2024
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    Eritrea-Konflikt: Was steht hinter den gewaltsamen Auseinandersetzungen bei den „Eritrea-Festivals“?

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    Bei mehreren Veranstaltungen des Zentralrats der Eritreer kam es zu Auseinandersetzungen mit Gegendemonstrierenden. Der komplexe Konflikt in Äthiopien und Eritrea macht natürlicherweise nicht an Landesgrenzen halt. In Deutschland wird dies allerdings für Forderungen genutzt, grundsätzlich härter gegen Geflüchtete vorzugehen.

    Am Samstag, den 16. September, fand in Stuttgart ein sogenanntes „Eritrea-Festival“ statt. In den folgenden Tagen gab es etliche Medienberichte darüber, da es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen war – aber nicht das erste Mal. Bereits Anfang Juli war es zu einer ähnlichen Situation in Gießen gekommen.

    Das Festival in Stuttgart wie auch in Gießen war ein Treffen der Organisation mit dem Namen  “Zentralrat der Eritreer in Deutschland”, sie sind Unterstützer:innen der eritreischen Regierung. Solche Veranstaltungen stellen damit eine Stütze dar für die eritreische Regierung unter Führung der Partei “Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit”. Denn diese finanziert sich zu einem beachtlichen Teil durch Überweisungen aus dem Ausland, z.B über den Weg der sogenannten “Diasporasteuer”, mit der zwei Prozent des Einkommens eritreischer Migrant:innen zurück nach Eritrea gelangen. Zudem werden auf den Festivals Spenden für das Heimatland gesammelt.

    Auch viele Gegner:innen der Regierung überweisen die Abgabe weiterhin, weil sie fürchten, dass ihre Verwandten in Eritrea ansonsten darunter leiden können. Einige Gegner:innen der Regierung haben sich jedoch zwischenzeitlich zusammengetan, um in Deutschland – aber auch in anderen Ländern wie Schweden, Kanada, USA oder Israel – gegen die Anhänger:innen der Regierung zu demonstrieren. Unterstützer der Gegenproteste soll unter anderem auch der Gießener Stadtverordnete Klaus-Dieter Grothe vom Bündnis 90/Die Grünen sein.

    Ein weiteres Treffen wurde wegen der Zusammenstöße nun abgesagt. Der Zentralrat der Eritreer entschied sich nach eigenen Angaben für die Absage, um zur Deeskalation der Lage beizutragen. Unklar bleibt in der Berichterstattung allerdings weiterhin, welche politischen Ziele die verschiedenen Lager konkret verfolgen.

    Komplexer Konflikt in Eritrea und Äthiopien

    Eine interessante Wendung nahm die Beurteilung der Ereignisse allerdings durch einen Bericht des Innenministeriums Hessen. Darin wird festgestellt, dass die Anmelderin der Gegendemonstration aus Äthiopien stammt und die Demonstrierenden Anhänger:innen der „Brigade N’Hamedu“ aus der Region Tigray seien – dort, wo Äthiopien an Eritrea grenzt.

    Auf Videos in sozialen Medien sind diese mit Fahnen der „Eritreischen Befreiungsfront“ (ELF) zu sehen, die im eritreischen Unabhängigkeitskrieg ab den 60er Jahren gemeinsam mit der „Volksbefreiungsfront von Tigray“ (TPLF) kämpfte. Die TPLF war in den 70er Jahren noch eine marxistisch-leninistische Organisation, die ab 1985 eine zunehmend nationalistische Linie vertrat, in der sozialistische Vorstellungen immer weiter in den Hintergrund gerieten und heute keine Rolle mehr spielen.

    Ab November 2020 begann dann in Tigray ein neuer Bürgerkrieg, nachdem der äthiopische Präsident Abiy Ahmed – der ein Jahr zuvor vom Westen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde – die regionalen Wahlen verbot, um den Einfluss der TPLF zurückzudrängen.

    Sowohl der äthiopischen als auch der eritreischen Regierung wird in dem Konflikt jeweils vorgeworfen, die Tigray gewaltsam zu unterdrücken. Der Sonderberichterstatter der UN berichtet hier von Angriffen und Tötungen von Zivilist:innen, von Vergewaltigungen, willkürlichen Inhaftierungen, von Plünderungen, Entführungen und der Blockade humanitärer Hilfe.

    Rassistische Hetze in Deutschland

    „Ausländische Konflikte dürfen nicht in unserem Land ausgetragen werden“, sagte nun Bundesinnenministerin Nancy Faeser in Bezug auf die Auseinandersetzungen in Gießen und Stuttgart. Doch wie viele andere Konflikte macht auch dieser unter der Diaspora in Deutschland keinen Halt, da die Geflüchteten – natürlicherweise – nicht alle dieselben politischen Ansichten haben.

    So stehen beispielsweise die Konflikte zwischen Israel und Palästina oder der Türkei und Kurdistan auf der Tagesordnung im politischen Geschehen in Deutschland – auch wenn zumindest in der jüngsten Vergangenheit keine ähnlichen Fälle wie die in Stuttgart oder Gießen vorgekommen sind.

    Die Aussage von Faeser reiht sich allerdings ein in einen unverkennbaren Rechtsruck in der Debatte um die Aufnahme und den Umgang mit Geflüchteten. So forderten in den letzten Wochen Politiker:innen von der SPD und Grünen bis hin zur Linkspartei allesamt ein härteres Durchgreifen an den Grenzen und konsequentere Abschiebungen. Zwischenfälle wie in Gießen und Stuttgart dienten in vielen Zeitungen dafür, ein Narrativ von „unzivilisierten“ Migrant:innen, die sich in Deutschland nicht integrieren wollten, zu befeuern.

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