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Sonntag, Mai 19, 2024
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    Kassenärzt:innen warnen vor “Kollaps” der Praxen und schließen aus Protest

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    Einige Kassenärzt:innen schließen heute ihre Praxen. Grund dafür ist ein Protesttag unter dem Motto #PraxenKollaps, zu dem die Kassenärztliche Bundesvereinigung aufgerufen hatte. 

    Wegen einer Protestaktion haben einige Ärzt:innen ihre Praxen am heutigen Tag geschlossen gehalten. Die Protestaktion #PraxenKollaps, die durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ausgerufen wurde, richtet sich an die Bundesregierung und die Krankenkassen. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie Praxen “kaputtsparen” und ihr Versprechen, sie stärken zu wollen, brechen würden. KBV-Chef Andreas Gassen mahnte vor einer massive Unterfinanzierung der Praxen und sieht die Patientenversorgung als akut bedroht an.

    Am 18. August wurde anlässlich eines befürchteten Kollapses von Praxen von über 700 Kassenärzt:innen aus allen Bundesländern ein Forderungskatalog erarbeitet, der die Politik des Gesundheitsministers Lauterbach angreift.

    Eine Hauptforderung ist dabei, die Herstellung einer tragfähigen Finanzierung für den ambulanten Bereich zu gewährleisten, denn unter der Inflation und einer Änderung der Honorarregelung würden auch viele Kassenärzt:innen leiden.

    Honoraranstieg bei niedergelassenen Ärzten unter der Inflation

    Gegenüber der Nordsee-Zeitung erklärte etwa der Bremerhavener Hautarzt Dr. Volker Meyer: „Wir müssen alle sicher nicht verhungern, aber eine wertschätzende Vergütung ist nicht mehr gegeben“. Während die Krankenhausärzte 8,8% mehr Lohn bekämen, liege der Honoraranstieg für niedergelassene Ärzte seit 15 Jahren unter der Inflation.

    “Im Moment haben wir alle den Eindruck, dass es der Berliner Politik ganz lieb ist, wenn die Ärzteschaft zukünftig im Golf statt im Audi vorfährt. Der Porsche ist meist weit weg.”, so der Arzt. Durchschnittlich verfügen Praxisinhaber über 7.130 € im Monat. Davon müssten laut Meyer noch etwa Investitionen in die Praxis gezahlt werden. Zudem würde eine Ausbildung zum Facharzt 15 Jahre dauern.

    In der Vergangenheit hatte die KBV auch für Kritik von Sozialverbänden gesorgt, als sie die finanzielle Lage der Ärzt:innen durch die Patienten aufbessern lassen wollte – etwa durch “Ausfallgebühren”, wenn man einen Termin nicht wahrnimmt, oder der Forderung nach 50€ im Fall des “fälschlichen” Besuchs einer Notaufnahme.

    Bald 50€ für Besuch in der Notaufnahme?

    Der Sozialverband Arbeiterwohlfahrt (AWO) ging davon aus, dass arme Menschen besonders betroffen sein würden: “Wir brauchen einen einfachen Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle Menschen ohne zusätzliche Gebühren”. Nun scheint die KBV die Forderungen vor allem in Richtung Gesundheitsministerium zu richten.

    Weiteres Themen, welche die KBV umtreiben, sind der Mangel an Fachkräften wie auch notwendige Digitalisierungsmaßnahmen, die viele Praxen eher als Mehraufwand denn als Nutzen wahrnehmen.

    KBV warnt vor fatalen Folgen

    KBV-Chef Gassen befürchtet, dass es deshalb in der Zukunft immer weniger zu Neugründungen von Praxen kommen werde, während bestehende immer öfter schließen müssten.

    Gesundheitsminister Lauterbach hatte die Vorwürfe, seine Versprechen nicht zu halten, schon im August zurückgewiesen: Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkasse für die ambulante Versorgung seien seit 2013 von 14 Milliarden auf rund 46 Milliarden Euro gestiegen, was eine Erhöhung von etwa 44% bedeute.

    Mangel an Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen

    Dennoch hat spätestens die Corona-Pandemie gezeigt, dass nicht nur Kliniken in der Krise stecken, sondern auch Praxen und ihre ambulanten Patient:innen unter Personalmangel und Überlastung leiden. Patient:innen müssen immer länger auf Termine warten oder finden wegen Aufnahmestopps schon gar keine Ärzt:innen mehr, die sie behandeln. Zudem bräuchten laut KBV 10% aller Ärzt:innenpraxen in den nächsten zwei bis drei Jahren eine Nachfolge.

    Lauterbach hat recht: „Praxen müssen denen gehören, die dort arbeiten“ – aber anders als er denkt

    Das gleiche gilt für Psychotherapeut:innen: Laut Berechnungen von zdf.de steht in städtischen Regionen ein:e Psychotherapeut:in für rund 3.000 Menschen bereit, im ländlichen Raum kommen auf eine:n Psychotherapeut:in schon 6.000 Menschen. Die schwierige Versorgungslage im Bereich der Psychotherapie hängt jedoch auch damit zusammen, dass die Finanzierung der fünfjährigen Weiterbildung zur Fachpsychotherapeut:in nach dem Abschluss eines Psychologie-Studiums zumindest im ambulanten Bereich unklar ist. Die Weiterbildung ist für Absolvent:innen jedoch notwendig, um sich niederzulassen und Patient:innen ambulant behandeln zu dürfen.

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