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Montag, April 29, 2024
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    TV-Duell mit Voigt und Höcke – wer steht weiter rechts?

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    In einem TV-Duell begegneten sich am Donnerstagabend der Faschist Björn Höcke und Thüringens CDU-Chef Mario Voigt. Es bleibt die Frage: Wer ist hier eigentlich rechtsradikaler? – Ein Kommentar von Alex Lehmann.

    Es liest sich ziemlich unangenehm: Anfang des Jahres liefern sich Deutschlands bekanntester Faschist Björn Höcke (AfD) und der weitestgehend unbekannte CDU-Chef Thüringens, Mario Voigt, einen Schlagabtausch auf X. Es geht um den „Europabegriff“, um „dämliches Ost-West-Spaltungsgerede“, um „Wohlstandsgefährdung“ – eine Diskussion zwischen zwei Rechten eben.

    Da sowohl Voigt als auch Höcke im September zum Ministerpräsidenten gewählt werden wollen – und sicherlich auch im Blick auf die im Juni anstehenden Europawahlen – ist die politische Stimmung aufgeheizt. Und so lassen beide ihren Worten Taten folgen und stellten sich gestern Abend der Konfrontation, live auf WELT-TV.

    Immer wieder unterbrechen sich Voigt und Höcke gegenseitig oder werden von der Moderation unterbrochen. Teilweise gleiten die beiden auch ab und diskutieren statt über die deutsche Wirtschaft auf einmal darüber, ob es in Thüringen „Mettbrötchen“ oder „Gehacktes“ heißt. Im Raum schwebt die Frage, wer patriotischer, wer nationalistischer, wer mehr Stammtischparolen-Klopfer ist.

    Durch insgesamt sechs Themenblöcke kämpfen sich die beiden dann: Europäische Union, Wirtschaft, Migration, Gedenkkultur, Antisemitismus und Ukraine-Krieg. Um schon ein kleines Fazit vorab zu ziehen: Gewonnen hat dieses TV-Duell niemand. Dafür ist aber klar geworden, dass die Thüringer Wähler:innen zur Wahl im September zwischen rechts und rechts entscheiden sollen.

    Die EU: „Wirtschaftsvernichter“ oder Industriemotor?

    Als erstes Streitthema gibt die Moderation die „Europäische Union” vor – soll Deutschland ein Teil davon bleiben oder nicht? Für Voigt ist klar, dass Deutschland unbedingt in der EU bleiben muss. Sie hätte zwar viele Fehler, es gäbe Bürokratie und Korruption und gegen das Verbrenner-Verbot hätte die CDU auch gekämpft, aber letzten Endes sei die EU gleichzeitig das Rückgrat der Deutschen Wirtschaft und eine Friedensmacht in Europa.

    Für Höcke hingegen ist die EU ein „Wirtschaftsvernichter“, der schnellstens ersetzt werden müsse. Sie sei verantwortlich für die Deindustrialisierung Deutschlands, zwinge Deutschland eine rigide Klimapolitik auf und sei nur da für Unternehmen und Konzerne, nicht aber für die Menschen. Anstelle der EU wollen er und seine Partei einen losen Zusammenschluss, der vor allem für einen offenen Markt und sichere Grenzen sorgt.

    Hier findet sich der Hauptstreitpunkt des Duells und auch einer der mittlerweile wenigen Unterschiede zwischen der CDU und der AfD. Während die einen erkennen, dass Deutschland sich durch die EU einen großen Teil Europas wirtschaftlich unterordnen konnte und sich so seine Großmachtstellung in Europa erhält, wollen die anderen, dass Deutschland sich andere Länder ohne eine EU, also offener und aggressiver als zuvor, unterordnet und seine Außengrenzen abriegelt.

    Aber darüber verlieren sie natürlich kein Wort, sondern verhüllen ihre ehrlichen Positionen durch ihr Geschwafel von der Friedensmacht oder durch ihre berechtigte Kritik an Korruption und Bürokratie. Dafür, dass die EU ein Instrument der Unterdrückung und Ausbeutung der ärmeren Länder Europas zu Gunsten Deutschlands ist, kritisiert sie im TV-Duell natürlich niemand.

    Vier Lügen über die Europäische Union

    Wirtschaft und Migration: Die AfD ist der CDU nicht radikal genug

    Ähnlich sieht es bei der Wirtschaft aus: Diesmal sind Höcke und Voigt sich zwar einig, dass es Steuersenkungen braucht, aber nicht darüber, wie das so entstehende Loch im Haushalt zu füllen wäre. Voigt redet scheinbar ergriffen von der Kassiererin, die Vollzeit arbeitet, am Ende des Tages nichts in den Taschen hat und dann auch noch ertragen muss, dass es so viele Arbeitslose gibt, die sich auch ohne Job ein gutes Leben machen würden.

    Höcke hingegen hetzt weniger gegen Arbeitslose, sondern eher gegen Migrant:innen. Um Geld zu sparen, müsse laut ihm die illegale Migration komplett gestoppt werden. Außerdem will er, dass Entwicklungshilfen für „Genderprojekte in Afrika“ oder „Radwege in Peru“ eingestellt werden, damit deutsches Geld in Deutschland bleibt.

    Er schlägt so auch schon den Bogen zum nächsten Themenblock, in dem es um Migration geht. Jetzt löst sich auch Voigt von den Arbeitslosen und verfolgt anscheinend eine Taktik der Offensive: Erst lässt er eine Hetztirade gegen Migrant:innen vom Stapel, fordert mehr Abschiebungen, härteren Schutz an den Außengrenzen und wirft dann der AfD vor, in ihrem Landkreis Sonneberg nicht rassistisch genug zu sein.

    Nichtmal eine Arbeitspflicht für Migrant:innen hätten sie eingeführt, geschweige denn viele Menschen abgeschoben. Es entsteht eine absurde Situation, in der sich der Faschist Höcke vor der CDU davor verteidigen muss, dass seine faschistische Partei nicht hart genug gegen Geflüchtete vorgehen würde.

    Eine aberwitzige Situation, die noch grotesker wird, als sich Voigt im nächsten Moment gegen die von der AfD geforderte „Remigration“ ausspricht und sie auch als das benennt, was sie ist: „Deportation”. Am Ende spielt es keine Rolle, wenn der CDU-Politiker schnulzig davon schwadroniert, „jeden Menschen wertzuschätzen“, er in der Praxis aber genau das nicht tut. Fünf Minuten vorher hat er selbst noch von konsequenteren Abschiebungen und hartem Grenzschutz fantasiert.

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    Voigts Verhalten scheint schizophren, zeigt aber eigentlich nur den widersprüchlichen und niederträchtigen Charakter der deutschen Politik. Gegen die AfD inszeniert man sich gerne als Antifaschist:innen und Verteidiger:innen der Demokratie. Im selben Atemzug vertritt man aber dieselben Positionen, die die AfD vor ein paar Jahren wieder sagbar gemacht hatte und beschließt im Bundestag und dem EU-Parlament reihenweise rassistische Gesetze. Stichworte: Bezahlkarte, GEAS und so weiter.

    Es ist dieselbe Masche, mit der Voigt von der armen Kassiererin redet und dann über Arbeitslose herzieht oder Höcke von einer EU für die Arbeiter:innen und Familien schwärmt. Während sie sich so scheinbar für die „kleinen Leute“ einsetzen und interessieren, sind es grade ihre Politik und ihr System, der Kapitalismus, die jedes Jahr Millionen Menschen in die Armut und Arbeitslosigkeit drängen.

    Gedenkkultur und Antisemitismus

    Im nächsten Themenblock scheint Höcke tatsächlich ins Schwitzen zu geraten. Er ist zwar ein erfahrener Redner und Rhetoriker, wird aber von Voigt und den Fragen der Moderation immer wieder rhetorisch in die Ecke gedrängt: Wenn es nämlich um Höckes faschistische Gesinnung, seine Haltung zur deutschen Geschichte, seine Vorliebe für SA-Parolen und das Gedenken an die Befreiung von Buchenwald geht, zu dem er und seine Partei Hausverbot haben, steht er in der Defensive. Einer der wenigen guten Momente im Duell.

    Ein gutes Gefühl, das einem direkt dann wieder vergeht, wenn klar wird, dass auch Voigt eine Vorliebe für Rassismus, Faschismus und Völkermord hegt. Denn das nächste Thema der beiden ist Israel und die Reaktionen auf den Angriff der Hamas am 7. Oktober.

    Wenig überraschend ist, dass hier Einigkeit zwischen den beiden herrscht: Deutschland habe jahrelang antisemitische, vor allem aus der arabischen Welt stammende Migrant:innen ins Land geholt, die sich jetzt zu Israel bekennen oder abgeschoben werden müssten.

    Und die Verteidigung Israels ist natürlich deutsche Staatsräson. Ein Wort zur jahrzehntelangen Unterdrückung und systematischen Verdrängung der Palästinenser:innen durch Israel, zu den Faschisten in der israelischen Regierung oder den über 34.000 Menschen (etwa 25.000 davon Frauen und Kinder), die seit dem 7. Oktober von Israel ermordet wurden, verliert keiner von beiden.

    Krieg in der Ukraine

    Zu guter Letzt folgt noch ein kurzer Gesprächsteil zum Ukraine-Krieg, der sich vor allem durch die inhaltliche Unbestimmtheit der beiden Kontrahenten auszeichnet. Voigt sei zwar für Waffenlieferungen, sei aber auch bereit, sich der Thüringer Wähler:innenschaft, die wohl mehrheitlich gegen den Krieg ist, unterzuordnen.

    Höcke spielt sich als großer Pazifist auf, klopft Sprüche wie „wer Waffen liefert, der will keinen Krieg, der will den Krieg“ und setzt sich für Verhandlungen ein. Wieder eine typische Masche der Faschist:innen: Während alle großen Parteien mit einstimmen in das Kriegsgebrüll nach Aufrüstung und mehr Waffenlieferungen, stellen sie sich als Opposition zum Krieg und als Kämpfer für den Frieden dar.

    Grund dafür ist, dass die AfD ähnlich wie Sahra Wagenknecht und ihre neue Partei BSW einen Teil der herrschenden Kapitalist:innenklasse vertreten, der die wirtschaftliche Nähe zu Russland sucht und durch den Krieg eher verliert als profitiert – anders als der andere Großteil der deutschen Industrie, der schon heute Profite aus Waffenlieferungen und Wiederaufbauprojekten schöpft.

    Das Fazit des TV-Duells? Es bleibt die Wahl zwischen Pest und Cholera. Zwischen einer faschistischen Partei und einer rassistischen, kriegsgeilen und arbeiter:innenfeindlichen Partei. Das Interesse der – wie sie es nennen – „kleinen Leute“, der Arbeiter:innen, vertreten weder Voigt noch Höcke – egal wie viele Lügen sie uns darüber erzählen. Was uns bleibt ist, solchermaßen reaktionäre Politik in allen Schattierungen zu entlarven und zu konfrontieren. Und bei den Wahlen die Sache selbst in die Hand zu nehmen und seine Stimme nicht für dieses System abzugeben, sondern im Kampf dagegen zu erheben.

    • Perspektive Autor seit 2023. Jugendlicher Arbeiter im Einzelhandel aus Norddeutschland, schreibt gerne Artikel um den deutschen Imperialismus und seine Lügen zu enttarnen. Motto: "Wir sind die Jugend des Hochverrats!"

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