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Samstag, April 27, 2024
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    Konzertierte Aktion: Die Angst der Herrschenden vor unserer Wut

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    Am Montag haben sich zum ersten Mal die Spitzen der DGB-Gewerkschaften, der Kapitalisten-Verbände, kapitalistische Ökonom:innen, Bundesbank und Bundeskanzler miteinander getroffen. Was diese „konzertierte Aktion“ umtreibt, ist eine mögliche Verschärfung der Klassenkämpfe in Deutschland. – Ein Kommentar von Tim Losowski

    Schon im Vorfeld des ersten Treffens der „konzertierten Aktion“ hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der ARD seine Lageeinschätzung im Angesicht der aktuellen Preisexplosionen deutlich gemacht: “Wenn plötzlich die Heizrechnung um ein paar hundert Euro steigt, dann ist das eine Summe, die viele nicht wirklich bewältigen können. Das ist sozialer Sprengstoff.”, so Scholz.

    Konzertierte Aktion um „gesellschaftlichen Frieden zu wahren“

    Dazu passt dann auch die Bewertung des „Arbeitgeberpräsidenten“ Rainer Dulger nach dem ersten Treffen auf der gemeinsamen Abschlusspressekonferenz mit DGB-Chefin Fahimi und Bundeskanzler Scholz: Das Meeting habe „einen Beitrag dazu geleistet, den gesellschaftlichen Frieden zu wahren.“

    Deutschland stehe „vor der härtesten wirtschafts- und sozialpolitischen Krise seit der Wiedervereinigung“, so der Kapital-Vertreter weiter. In den Unternehmen wisse man nicht „welches Feuer man zuerst austreten“ solle. „Vor uns liegen schwierige Jahre“ – womit Dulger wohl vor allem die Arbeiter:innen meint.

    Während deren Reallöhne massiv sinken, sind die Dividenden der Aktionär:innen in diesem Jahr so hoch wie noch nie zuvor. Aus diesem Grunde war in Dulgers Beitrag auch nicht zu hören, dass man sich nun „unterhaken“ müsse, wie es Olaf Scholz fordert. Rainer Dulger weiß, was seine Aufgabe ist: den Klassenkampf zu führen – und zwar von oben.

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    Der DGB tut dem Kapital nicht weh

    Zugleich stellt sich die DGB-Gewerkschaft offenbar nicht die Aufgabe, den Klassenkampf von unten zu führen. Wer der DGB-Chefin Fahimi zuhörte, konnte sie kaum von der früheren SPD-Spitzenpolitikerin unterscheiden, die sie bis vor kurzem war. Man sei in der Phase eines „historischen Präzedenzfalls, in dem es eine gemeinsame Kraftanstrengung braucht“, so Fahimi.

    Ganz im Sinne einer Co-Managerin erklärte sie weiter, es gehe um die „Perspektive 2023“. Es gehe darum, alles zu unternehmen, um „eine Rezession zu verhindern, Standorte zu stabilisieren, Wertschöpfung zu erhalten und Beschäftigung zu sichern“. Das hätten Scholz oder Dulger nicht besser sagen können. Von Arbeitskampfmaßnahmen kein Wörtchen von Fahimi.

    Kapital lobt Gewerkschaften für Lohnverzicht

    Dass die DGB-Vorsitzende zurückhaltend mit dem Wort “Streik” ist, ist nicht verwunderlich. So hat der DGB in diesem Jahr in nahezu allen laufenden Tarifverhandlungen die Beschäftigten ausverkauft und Lohnabschlüsse unter einem Inflationsausgleich mitgetragen.

    Dazu passt dann auch, dass Fahimi nun erklärt, dass „in der derzeitigen aktuellen Situation die Diskussion um eine Lohn-Preis-Spirale falsch ist, dass sie einseitig und dass sie faktisch nicht gegeben ist.“ Ganz so, als ob sie sagen wollte: schaut her, wir haben geliefert, wir haben niedrige Lohnabschlüsse gemacht!

    Dafür erhält sie natürlich Anerkennung von Kapital-Seite. So erklärte Dulger: „Löhne sind aktuell kein Inflationstreiber!“. Wenn selbst der ultrareaktionäre Arbeitgeberpräsident meint, dass unsere Löhne niedrig sind, dann ist es höchste Zeit, offensiv als Arbeiter:innen auf Lohnnachschlag zu drängen! Am besten kollektiv – zusammen mit unseren Kolleg:innen!

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    Auf zähe Auseinandersetzungen vorbereiten

    Während DGB und Kapital in vertrauter Einheit unsere Löhne senken, schwört uns Kanzler Scholz schon einmal auf harte Zeiten ein: „Die aktuelle Krise wird nicht in wenigen Monaten vorübergehen“, so der SPD-Politiker nach dem Treffen am Montag. Doch „die Gesellschaft“ sei „stark – viel stärker als manchmal unterstellt wird“. Der „faire Ausgleich zwischen Interessen prägt unser Land“ – als konzertierte Aktion wolle man sich dem stellen.

    Wichtig sei die Botschaft „wir stehen zusammen“, dafür sei das Treffen ein „guter Auftakt“ gewesen. Am Montag sei es dabei darum gegangen, ein „gemeinsames Verständnis“ für die Lage des Landes zu entwickeln. In der nächsten Zeit gehe es dann darum, die Instrumente zu entwickeln um zu reagieren.

    Übersetzt man den üblichen Kanzler-Kauderwelsch in die Realität, dann kommt folgendes heraus:

    In Deutschland könnte es richtig knallen. Doch damit der deutsche Kapitalismus überleben kann, müsse es zu einem „fairen Ausgleich“ kommen – was in der Praxis eigentlich immer vor allem Verzicht der Arbeiter:innen bedeutet, also die Abwälzung der Krise auf unsere Rücken.

    Er sendet auch ein klares Signal in Richtung DGB, sich zurückzuhalten, was dieser aber offenbar gar nicht benötigt, da er sowieso schon im vorauseilenden Gehorsam agiert. Und während der Kanzler davon spricht, dass die Gesellschaft „stark“ sei, dann liegt das daran, dass er weiß, dass es eben genau unter der Oberfläche brodelt. Es ist die Angst der Herrschenden vor unser Wut.

    Es bleibt deshalb zu hoffen, dass möglichst wenig Menschen sich von warmen Worten einlullen lassen, wenn die Heizkostenrechnungen kommen, das Gas im Winter abgestellt wird oder die Tafeln Menschen in Massen abweisen müssen.

    “Das einzige, was uns wirksam vor Verarmung und frieren schützen kann, ist der Wiederaufbau einer klassenkämpferischen Arbeiter:innenbewegung”, hat hierzu die “Föderation Klassenkämpferischer Organisationen” FKO richtig festgestellt.

    Nur, wenn wir in dieser Phase die in der Tasche geballte Faust herausholen und mit Druck auf der Straße, in Bildungsstätten und Betrieben reagieren, werden wir unsere Interessen verteidigen können. Die „konzertierte Aktion“ wird dann wohl unser Gegenspieler sein.

    • Perspektive-Autor und -Redakteur seit 2017. Schwerpunkte sind Geostrategie, Rechter Terror und Mieter:innenkämpfe. Motto: "Einzeln und Frei wie ein Baum und gleichzeitig Geschwisterlich wie ein Wald."

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