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Dienstag, März 19, 2024
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    Polizei-Gewerkschaft fordert “Vorbeugehaft” für Klimaaktivist:innen – Warum uns das alle betrifft

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    15 Mitglieder der Gruppe „Letzte Generation“ sitzen mittlerweile auf Grundlage des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes bei München in Vorbeugehaft. Die “Gewerkschaft der Polizei” (GdP) fordert unterdessen das Gesetz bundesweit einzuführen. Warum wir uns nicht einlullen lassen dürfen von ihren Reden über “Gefahrenabwehr” und uns jetzt gemeinsam dagegen stellen müssen. – Ein Kommentar von Tabea Karlo.

    Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert eine bundesweite Vorbeugehaft gegen Klimaaktivist:innen nach dem Vorbild Bayerns. In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hat der Chef der GdP, Jochen Kopelke, den sogenannten “Verhinderungsgewahrsam” als „wirksames Instrument des gesetzlichen Auftrags der Gefahrenabwehr“ bezeichnet.

    Im Rahmen des bayerischen Polizeiaufgabengesetz dürfen Bürger:innen auf Entscheidung eines Richters bis zu zwei Monate in Gewahrsam festgehalten werden, “wenn das unerlässlich ist, um die unmittelbar bevorstehende Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder einer Straftat zu verhindern”. Im Klartext: hier kann jemand ohne wirklichen Prozess eingesperrt werden, nur weil er möglicherweise eine Ordnungswidrigkeit begehen könnte!

    Vorbeugende Aufstandsbekämpfung

    Letztlich schafft sich der Staatsapparat mit der Einführung solcher Gesetzte einen großen Spielraum, vor allem zur Anwendung gegen die eigene Bevölkerung, Unruhen im eigenen Land und linke Organisationen, die in solchen Protesten eine Rolle spielen könnten.

    Als etwa in NRW das neue Versammlungsgesetz eingeführt wurde, konnte man beobachten, wie nach nach der Einführung zum Teil Anmelder:innen von linken Aktionen abgelehnt wurden. Bei der Argumentation für das Uniformierungsverbot wurden von Politiker:innen rechte Gruppen und klimaaktivistische Gruppen wie z.b “Ende Gelände” in einem Atemzug genannt. Auch bei den Verfahren nach den §129a/b StGB gibt der Staat zwar vor, gegen “kriminelle” und “terroristische” Organisationen vorgehen zu wollen. Letztlich wird aber vor allem gegen linke und kommunistische Kräfte wie z.B. im großen “TKP-ML-Verfahren” vorgegangen.

    Das Polizeiaufgabengesetz in Bayern schlägt in eine ähnliche Kerbe. Mit Bezug auf die klimaaktivistische Organisation „Letzte Generation“ und ihre Aktionen des zivilen Ungehorsams bemängelt die Gewerkschaft der Polizei nun eine “fehlende Abstimmung der Länder mit Blick auf die Gefahrenabwehr”. Sie wolle die Vorbeugehaft nach bayrischem Vorbild in allen Bundesländern einführen.

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    Warum verschärfte Gesetze uns alle angehen

    Auch wenn wir nicht mit jeder aktuell genutzten Aktionsform einverstanden sein müssen, so geht uns diese Forderung alle an. Denn schauen wir die Aktionen der Organisation „Letzte Generation“ an: Diese sind zwar nicht zielgenau und politisch durchaus diskussionsbedürftig – aber komplett gewaltfrei und bewegen sich im Rahmen des zivilen Ungehorsams.

    Wenn schon das für den deutschen Staat reicht, diese Menschen für ein bis zwei Monate “vorbeugend” weg zu sperren, dann gibt uns das einen bitteren Vorgeschmack darauf, wie repressiv er sich verhalten wird, wenn es zu ernsthaften und massenhafteren Protesten in Deutschland kommen sollte.

    Und gerade auf so etwas scheint man sich in den Regierungsetagen vorzubereiten: In den letzten Jahren haben wir eine Aufrüstung des deutschen Staats nach Innen und Außen erlebt: Nach Außen ist eine der letzten großen Entwicklungen sicherlich das 100 Milliarden Euro-Paket, mit dem die Bundeswehr aufgerüstet wird; im Innern erleben wir seit Jahren eine Ausweitung der Befugnisse von Polizei und Militär. So wurde vor einigen Jahren das neue Polizeiaufgabengesetz eingeführt und letztes Jahr das Versammlungsgesetz verschärft. Zudem wurden neue Anti-Aufstands-Einheiten bei der Polizei, die sog. “BFHu-Einheiten”, organisiert, ohne dass die bisherigen irgendwie ausgelastet wären. Auch das Militär wird immer häufiger im Innern eingesetzt und erhält dafür ein neues territoriales Führungszentrum. 

    Neue repressive Gesetze werden also nicht nur gegen die „Letzte Generation“ oder die Klimabewegung Anwendung finden. Sondern wenn sie eingeführt werden, dann wird auch die Möglichkeit bestehen, sie auf die ganze oppositionelle Bewegung und letztlich alle Proteste von Arbeiter:innen anzuwenden.

    • Perspektive-Autorin seit 2017. Berichtet schwerpunktmäßig über den Frauenkampf und soziale Fragen. Politisiert über antifaschistische Proteste, heute vor allem in der klassenkämperischen Stadtteilarbeit aktiv. Studiert im Ruhrpott.

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