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Kriegswirtschaft statt Sozialstaat: Stehen noch mehr Kürzungen an?

Mit dem Bundeshaushalt für 2024 wurden Kürzungen in fast allen Bereichen des Sozialstaats beschlossen, nur für Rüstung ist scheinbar Geld da. Wird sich dieser Trend fortsetzen? – Ein Kommentar von Herbert Scholle

Deutschland wurde vom Ausbruch des Ukraine-Kriegs gewissermaßen kalt erwischt. Zum einen musste man sich nun plötzlich zwischen USA und Russland entscheiden und so letztendlich auf billige Rohstoffe verzichten, zum anderen bedeutete die Invasion der Ukraine den Eintritt in eine neue Phase der Konflikte zwischen den imperialistischen Großmächten.

Auf diese Verschärfung war der deutsche Staat noch nicht vorbereitet. Seit dem zweiten Weltkrieg konnten die deutschen Konzerne ihren Einfluss in Europa und auf der ganzen Welt zwar wirtschaftlich, sowie politisch stark ausbauen und die Bundesrepublik konnte so wieder zu einem der mächtigsten imperialistischen Staaten aufsteigen, doch militärisch blieb man im Vergleich mit Staaten wie den USA, Russland, China, Frankreich oder Großbritannien doch noch deutlich zurück.

100.000.000.000 Euro für die Bundeswehr – Regierung startet gigantische Aufrüstungsoffensive

In diesem Bereich hat die Bundesregierung in den letzten eineinhalb Jahren allerdings ordentlich aufgeholt: Mit dem 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr startete die Ampelkoalition unter Kanzler Scholz eine historische Aufrüstungsoffensive. Auch das Versprechen, „endlich“ mehr als 2% des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben, zeigt uns, dass dies kein einmaliger PR-Stunt war.

Die ersten Auswirkungen der Aufrüstung haben wir bereits zu spüren bekommen: Mehr Macht für Polizei und Bundeswehr, Debatten über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht sowie Kürzungen bei Bund, Ländern und Kommunen gehören inzwischen zur Tagesordnung. Gerade was letztere angeht, war dies allerdings gerade einmal der Anfang.

Bundeshaushalt 2024

Mehr Geld für Krieg und Aufrüstung bedeutet weniger Geld für den Sozialstaat – so könnte der Slogan des Bundeshaushalts für 2024 lauten, wären die Regierenden nicht zu sehr damit beschäftigt, von der „Sicherheit unseres Landes“ oder dem „Zusammenhalt der Gesellschaft“ zu schwafeln.

Sicherheit durch Waffen?

Während für Verteidigung im kommenden Jahr nämlich 1,7 Milliarden Euro mehr als schon im Vorjahr ausgegeben werden soll, scheint es überall sonst am Geld zu mangeln:

Für Arbeit und Soziales sollen zwar rund sechs Milliarden Euro mehr als dieses Jahr ausgegeben werden, doch im Haushalt ist dieses Plus bereits komplett für die Rentenversicherung eingeplant, mit anderen Worten: um diese Steigerung kommt das Finanzministerium einfach nicht herum. Nimmt man dies also heraus, steht die gleiche Geldmenge wie schon dieses Jahr zur Verfügung, nur ist diese Geldmenge durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten jetzt einiges weniger wert. Im Klartext bedeutet das zum Beispiel schon jetzt Kürzungen für Langzeitarbeitslose.

Auch das Familienministerium hat nun deutlich weniger Mittel zur Verfügung: Das eh schon viel zu geringe Elterngeld wird noch weiter beschnitten und die „Kindergrundsicherung“, die ab 2025 kommen soll, wird an der Lage auch nicht viel ändern.

Gerade Schüler:innen und Studierende werden besonders hart getroffen: Kürzungen bei BAföG und Schüler-BAföG um insgesamt circa 600 Millionen Euro werden die Perspektivlosigkeit der Jugend wohl noch weiter verschärfen – davon profitiert die Bundeswehr natürlich enorm.

Trotz Pandemie: Ampel-Kürzungen beim Bundeshaushalt am schärfsten im öffentlichen Gesundheitswesen

Am stärksten unter den Kürzungen werden wohl der Gesundheitssektor und insbesondere die Kranken- und Altenpflege leiden: Nur noch 16,2 Milliarden Euro, also rund ein Drittel weniger als noch im Vorjahr, stehen dem Gesundheitsministerium zur Verfügung. Davon sind wohlgemerkt bereits 14,5 Milliarden als Zuschuss für die Krankenversicherungen gebunden. Da passen die Krankenhaus- und Pflegereform natürlich gut ins Bild.

Im Bereich Verkehr gibt es zwar eine Erhöhung des Haushalts um drei Milliarden Euro, doch das reicht bei weitem nicht, um das marode Schienensystem der Deutschen Bahn zu sanieren. Statt den ursprünglich geforderten 45 Milliarden, gibt es für diese nämlich nur noch 34 Milliarden Euro. Auch für den Ausbau von Radwegen fehlt es der Regierung scheinbar an Geld.

Noch nicht genug gespart?

Doch auch dieser Haushalt wird für die nähere Zukunft nicht das Ende vom Lied sein. Das ifo-Institut hat nämlich errechnet, dass der geplante Haushalt nicht reichen wird um das 2%-Ziel der NATO zu erreichen. Insgesamt ist für 2024 ein Verteidigungshaushalt von 52 Milliarden Euro geplant, hinzu kommen 19 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr. Das macht aber nur ca. 1,7% des BIPs aus.

Um das Ziel nicht zu verfehlen müssten weitere 14 Milliarden Euro für Verteidigungsausgaben aufgebracht werden. Zwar ist es nicht unüblich, dass auch Ausgaben anderer Ministerien als Verteidigungsausgaben klassifiziert werden, es würde sich hier allerdings um einen enormen Anstieg handeln. Zum Vergleich: 2014 betrug der Betrag dieser Ausgaben 1,6 Milliarden Euro.

Wir dürfen uns also voraussichtlich darauf freuen, dass der eh schon fast komplett kaputt gesparte Sozialstaat im kommenden Jahr noch weiter ausgeblutet wird, damit der deutsche Staat noch mehr Geld für Rüstung und Krieg ausgeben kann.

Die Regierung kann solche Maßnahmen nur ergreifen, solange es an der „Heimatfront“ vergleichsweise still bleibt. Genau deshalb müssen wir uns als Arbeiter:innen gerade jetzt gemeinsam und organisiert gegen diese Angriffe auf unsere Klasse wehren.

Herbert Scholle
Herbert Scholle
Perspektive-Autor seit 2023 und -Redakteur seit 2024. Der Berliner Student schreibt besonders gern über Arbeitskämpfe und die Tricks der kapitalistischen Propaganda. Er interessiert sich außerdem für Technologie und Fußball sowie deren gesellschaftliche Auswirkungen.

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